Es war ein langer Arbeitstag, der Magen knurrt. Im Supermarkt stellt sich die Frage: Wie viel Arbeit mute ich mir heute zu? Für viele, vor allen Dingen junge, Menschen lautet die Antwort: „Wenig!“ Pizza, Spinat oder Fischauflauf aus der Tiefkühltruhe ist ihnen bei weitem frisch genug: Im vergangenen Jahr ist der Pro-Kopf-Verbrauch laut dem Deutschen Tiefkühlinstitut (DTI) wieder gestiegen – nicht überraschend, da die Kurve des DTI seit den 70er Jahren steil ansteigt. 3,2 Millionen Tonnen Tiefkühlkost essen die Deutschen nun im Jahr, also 66.440 Tonnen mehr als im Vorjahr und 39 Kilogramm pro Kopf.
Das große Potential, das in Tiefkühlkost steckt, ist auch den Händlern nicht entgangen. In der Umfrage „Trend 09“ des Fachmagazins Lebensmittel Praxis wurden Führungskräfte im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel gefragt, in welchen Produktbereichen sie große Umsatzchancen sehen. Aus 38 Supermarkt-Warengruppen belegten Tiefkühlprodukte den zweiten Platz. Nur von Bioprodukten wird noch mehr erwartet. „Mit Tiefkühlabteilungen kann man starken Umsatz machen“, meint Susanne König, Pressesprecherin des DTI. „Allerdings müssen die Kunden auf die Produkte aufmerksam gemacht werden.“
König sitzt in der Jury des Cool Cup, einer Auszeichnung für herausragende Tiefkühlabteilungen, die jedes Jahr vergeben wird. Der lange Kriterienkatalog, den die Gewinner erfüllen müssen, ist quasi eine Anleitung, wie Tiefkühlabteilungen ihren Umsatz vergrößern können. Denn obwohl der Kunde selbst zwischen der einen und der anderen Tiefkühlabteilung auf Anhieb keinen Unterschied erkennt, ist er in seinem Kaufverhalten durchaus auch schon durch Kleinigkeiten beeinflussbar. Die Kür beim Cool Cup – die gesetzlich nicht vorgegebenen Kriterien – befasst sich daher mit Erscheinungsbild, Sortiment und Kundeninformation wie eine korrekte Preisetikettierung direkt über dem Produkt. Für König sind alle drei Bereiche gleich wichtig: „Eine Tiefkühlabteilung ist immer ein Gesamtkunstwerk. Wenn man Superprodukte hat, nützt das nichts, wenn niemand nach der Ordnung schaut.“
Man muss keine Berge versetzen, um erfolgreich eine Tiefkühlabteilung zu leiten. „Was jeder mit einfachen Mitteln leisten kann, ist schon viel Wert“, urteilt Wiebke Töpfert, Einkäuferin beim Edeka Niemerszein in Hamburg, einem der Cool Cup-Sieger im vergangenen Jahr. Dazu gehört es Ordnung zu halten. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Rheingold zeigte, dass Sauberkeit und Hygiene in der Tiefkühlabteilung und dem Rest des Supermarktes ein Entscheidungskriterium der Kunden für oder gegen einen Supermarkt sind. Wühlberge in Truhen und halboffene oder zerquetschte Verpackungen schrecken die Kunden demnach extrem ab.
Viele Supermärkte haben schon reagiert und einen Mitarbeiter eigens für die Tiefkühlabteilung angestellt. Der kann sortieren, aufräumen, den Abverkauf beobachten und daraus Sonderaktionen entwickeln, leere Produktfächer wieder auffüllen und gleichzeitig den Käufern Rede und Antwort stehen, wenn sie Fragen haben – und damit direkt in mehreren Rubriken punkten. „Ohne den Mitarbeiter vor Ort, der die Tiefkühlabteilung tagtäglich pflegt, kommt man nicht weit“, so Töpfert.
Zu einem guten Erscheinungsbild gehört aber auch eine logische Produktpräsentation. In einer Obst- und Gemüseabteilung gibt es zum Beispiel nur Obst und Gemüse, eine Tiefkühlabteilung bietet aber alles: Von Obst und Gemüse über Fisch, Fleisch, Back- und Süßwaren zu Desserts und Snacks. „Die Angebotspalette ist riesig“, sagt das Jury-Mitglied König. Umso wichtiger ist es, dass der Kunde sich schnell orientieren kann. Wie die optimale Sortierung genau ausfällt, ist allerdings von Supermarkt zu Supermarkt unterschiedlich. Ob man Piccolinis besser zur Pizza oder aber zu den Snacks sortiert, hängt von den Kaufgewohnheiten der Kunden des jeweiligen Marktes ab.
Ideen machen den Unterschied
Eine gut gepflegte und sortierte Tiefkühlabteilung kann aber trotzdem schnell an Reiz verlieren und schöpft nicht ihr ganzes Potential aus, wenn sie nicht für Abwechslung sorgt. „Tiefkühlabteilungen haben nicht den Erlebniswert wie Weinabteilungen, die optisch ansprechend wie eine Weinhandlung hergerichtet sind“, erklärt König. „Daher sind gute, kreative Ideen in diesem Bereich umso wichtiger.“ Als Jurymitglied des Cool Cup bewertet sie daher auch: Hebt sich jemand von der Masse ab?
Der Edeka, für den Wiebke Töpfert arbeitet, war im vergangenen Jahr so ein Supermarkt. “Früher gab es eine Pizzasorte, heute gibt es über 100 verschiedene Pizza- und Baguettevarianten“, sagt die Einkäuferin. Diese schnell wachsende und sich wandelnde Produktpalette nutzte ihr Laden, um gegenüber anderen hervorzustechen. Deshalb gibt es bei Töpfert über 30 Fremdlieferanten neben hauseigenen Edeka-Lieferanten. Das ist im Vergleich mit anderen Märkten viel und bietet eine große Produktvielfalt, aus der ausgewählt werden kann. Der Edeka Niemerszein in Hamburg führt daher viele internationale und neue Produkte. „Viele unsere Produkte gibt es nicht im null-acht-fünfzehn-Markt. Das macht schon viel aus.“
Auch der Globus-Markt in Neustadt an der Weinstraße wurde dank seiner kreativen und aufmerksamen Abteilungsmitarbeiter ausgezeichnet. Sie stellten zusammen, was ihre Kunden häufig zusammen kauften und konnten so den Absatz ankurbeln. „Abends kommen bei uns regelmäßig junge Leute vorbei, die Pizza kaufen“, beobachtete Achim Hess, Teamleiter der Tiefkühlabteilung. Für dieses Klientel stellte er Six-Packs direkt neben die Pizzatruhen: „Das kam sehr gut an, und wir konnten so unseren Umsatz steigern.“ Die Kunden mussten nicht durch den ganzen Laden laufen, um ihre Produkte zusammenzusuchen und griffen schneller zu. Und Cool-Cup Jurymitglied König kann dazu nur eins sagen: „Solche Ideen sind einfach genial!“
Anke Barth, iXtenso.com