Nachhaltigkeit ist nach Ansicht von Kai Falk zum Wettbewerbsfaktor im Handel geworden. Deshalb investieren die Unternehmen in energiesparende Maßnahmen in Lieferkette, Ladengeschäften und Sortimenten. Beim Ladenbau setzen sie nach Einschätzung des HDE-Sprechers in erster Linie auf Energiesparmaßnahmen.
Sie sind beim HDE verantwortlich für Kommunikation und Nachhaltigkeit. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Nachhaltigkeit heißt für mich vor allem, die Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen zu sichern. Ökologische und soziale Verantwortung sowie wirtschaftlicher Erfolg hängen eng zusammen. Deshalb ist nachhaltiges Handeln eine Investition in die Zukunft von Unternehmen und Gesellschaft.
Ist „grün“ zurzeit ein Modethema im Handel?
Es ist sicher kein Modethema, das heute „in“ und morgen schon wieder vergessen ist. Grün, Bio, Umwelt- und Klimabewusstsein, Nachhaltigkeit – das ist eine anhaltende Entwicklung. Das Thema steht beim Handel schon lange auf der Agenda. Es gibt ein breites Spektrum an nachhaltigen Aktivitäten bei den Handelsunternehmen.
Die Öffentlichkeit sieht den Handel oft recht kritisch: Industrielle Lebensmittel, schlechte Bedingungen für die Mitarbeiter, Dumping-Preise für Bauern und Arbeiter in der Dritten Welt. Kann Social Responsibility die Wende bringen?
Diese Vorwürfe spiegeln nicht die Realität im Einzelhandel wider. Vergessen wir nicht, dass der Einzelhandel jeden zwölften Arbeitsplatz zur Verfügung stellt und die meisten Mitarbeiter nach Tarifvertrag bezahlt werden. Außerdem engagiert sich der Handel weitaus stärker bei der Ausbildung als andere Branchen. Ohne ihn hätten viele Jugendliche keine Perspektive. Und Preis und Qualität sind nicht nur gute Verkaufsargumente, sondern eben auch ein nachhaltiger Beitrag des Handels zum gesellschaftlichen Wohlstand. Nie zuvor waren hochwertige und zugleich erschwingliche Waren einer so breiten Käuferschicht zugänglich. Natürlich ist es wichtig, dass die Liefer- und Produktionsbedingungen so ökologisch und sozialverträglich wie möglich gestaltet sind. Dafür setzen sich die Handelsunternehmen gemeinsam mit Herstellern und Lieferanten ein.
Nachhaltigkeit im Einzelhandel – was ist aus Ihrer Sicht sinnvoll und was nicht?
Nachhaltigkeit setzt sich nur dort durch, wo sie sich langfristig für Unternehmen auszahlt. Damit ist sie auch ein klarer Faktor für den Wettbewerb geworden. Und deshalb investieren die Handelsunternehmen in energiesparende Maßnahmen, in Lieferketten, Ladengeschäften und Sortimenten.
Steckt nicht noch viel ungenutztes Potenzial im Energiemanagement?
Die Gewinnmarge wird von vielen Faktoren beeinflusst. Sparsamer Energieverbrauch ist ein Baustein mit viel Potenzial. Die Handelsunternehmen betreiben seit Jahren ein aktives Energiemanagement. Ein Großteil des wirtschaftlich realisierbaren Potenzials im Handel ist bereits genutzt oder die Unternehmen planen, diese Potenziale im Rahmen von Restrukturierungen zu nutzen.
Welche „grünen“ Trends sehen Sie im Ladenbau?
Es sind in erster Linie Energiesparmaßnahmen. Das ist nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll. Ich denke da zum Beispiel an eine effiziente Gebäude-Isolierung, eine sparsame und umweltfreundliche Technik bei Beleuchtung und Kühlung, oder auch die Nutzung von Grünstrom.
LEDs sehen die Anbieter bei der EuroShop als Top-Messethema in Sachen Nachhaltigkeit. Teilen Sie die Euphorie?
LEDs sind sicher interessant. Jeder Händler sollte aber prüfen, ob es für ihn Sinn macht, sich für diese oder andere Lösungen zu entscheiden.
Auch beim Kühlen lässt sich viel Energie sparen. Worauf kommt es aus Sicht des Handels an?
Der Einzelhandel setzt hier an verschiedenen Punkten an. Es werden zum Beispiel vermehrt geschlossene Kühltheken mit Glastüren oder Glasschieber eingesetzt. Wenn Geräte ersetzt oder neu angeschafft werden, fällt die Entscheidung oft zugunsten von energieeffizienteren Geräten. Bei bestehenden Anlagen werden zum Teil die Kühlflüssigkeiten im Rahmen von Wartungen durch klimafreundliche Kühlflüssigkeiten ersetzt. Wichtig ist aber immer, ein Gleichgewicht zwischen den ökologischen und ökonomischen Vorteilen zu wahren.
Sie werben für die Getränkedose. Ist das nachhaltig?
Vor sieben Jahren ist mit Einführung des Dosenpfands ein Produkt beinahe vom Markt verschwunden, das bei Verbrauchern beliebt gewesen ist. Heute ist die Dose einfach Kult und auch der Umweltaspekt hat sich verbessert. Immerhin besteht sie jetzt fast vollständig aus recycelbarem Material.
Volle Regale in Supermärkten und Bäckereien bis Ladenschluss – und dann landet vieles auf dem Müll. Sollten Verbraucher und Handel nicht umdenken?
Der Lebensmittelhandel hat ein großes Interesse daran, den Verderb von Lebensmitteln zu vermeiden. Das gelingt ihm dank der ausgefeilten Warenwirtschaftssysteme, mit deren Hilfe die Warenversorgung immer besser an die Nachfrage der Kunden angepasst ist. Die Lebensmittelhändler bestellen in kürzeren Abständen und ordern kleinere Mengen. Außerdem kontrollieren die Unternehmen regelmäßig Mindesthaltbarkeitsdaten und Produktqualität. Viele Handelsunternehmen arbeiten eng mit den Tafeln zusammen und spenden Lebensmittel, die noch genießbar sind, bei denen aber etwa das Mindesthaltbarkeit in wenigen Tagen ablaufen würde. Waren, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, müssen entsorgt werden. Sie können schon wegen der hohen Anforderungen an Qualität, Hygiene und Sicherheit nicht mehr verkauft werden.
Interview: René Schellbach, Erstveröffentlichung: EuroShop.de