Martina Sandrock ist eine der wenigen Top-Managerinnen in Deutschland. Beim 11. ECR-Tag im September in Hamburg wird die Chefin von Iglo in Deutschland auf dem Podium sitzen und über Konflikte und Kooperationen zwischen Herstellern und dem Lebensmittelhandel diskutieren. „Ohne Kooperation geht es heute nicht mehr“, sagt sie hier im Interview. Letztlich müssten die Konzepte jedoch „verbraucherrelevant“ sein. Wie können Markenartikler diese Relevanz erhöhen? Und wie unterstützen die Hersteller den Handel beim Verkaufen?
Im September findet der 11. ECR-Tag statt, diesmal bei Ihnen in Hamburg. ECR – Efficient Customer Response – ist das ein ewig unerfüllter Wunschtraum? Gibt es Fortschritte?
Im Lauf der letzten Jahre ist ECR immer mehr ein fester und wichtiger Bestandteil der strategischen Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie geworden. Der ECR Award belegt mit seinen zahlreichen Best-Practice-Beispielen jedes Jahr wie sehr der ECR Gedanke sich bei Handel und Industrie durchgesetzt hat. Auch bei dieser Tagung wird wieder anhand positiver Beispiele gezeigt, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie verbessern kann, wenn man die Supply Side und die Demand Side konsequent auf die Shopper-Bedürfnisse ausrichtet. Dabei werden die gemeinsamen Aktivitäten selbstverständlich auch in Hinblick auf Effizienz und Roll-out-Fähigkeit bewertet.
Sie werden beim ECR-Tag auf dem Podium mit anderen Firmenlenkern aus Handel und Industrie über ein altes Thema diskutieren: Konflikt und Kooperation. Wohin schwingt das Pendel zurzeit?
Ohne Kooperation geht es heute nicht mehr. Der Kampf um den Euro des Konsumenten auf der einen Seite, der Kostendruck auf der anderen Seite – beides kann nur bewältigt werden, wenn wir unser Know-how und unsere Erfahrungen offen miteinander austauschen und partnerschaftlich zusammenarbeiten. ECR bedeutet, dass Industrie und Handel gemeinsam die Wertschöpfungskette optimieren. Durch ein Miteinander können innovative, Shopper-orientierte Produkte und Vermarktungsmaßnahmen kreiert werden, die die Einkaufsstättenloyalität und die Markenbindung erhöhen. Durch gemeinsame Lösungen im Bereich der Supply Chain werden gemeinsame Kostenvorteile erarbeitet und realisiert. In diesen Bereichen liegen für uns alle noch fantastische Potenziale.
Markenartikler wie Iglo sind mehr als Lieferanten mit Logo. Welchen Service muss man dem Handel bieten, um ins Regal oder in Ihrem Fall in die Kühltruhe zu kommen?
In erster Linie müssen die Konzepte verbraucherrelevant sein. Idealerweise sind die Topseller oder Neueinführungen dank effektiver Kommunikation bereits vorverkauft. Der Handel erwartet von uns Qualitätsprodukte, eine hohe Liefersicherheit und einen relevanten Beitrag zur Wertschöpfung. Darüber hinaus steigen die Anforderungen an die nachhaltige Produktion.
Wie sehen Sie das Anwachsen der Eigenmarken im LEH?
Unsere Aufgabe als Markenartikelhersteller ist es, auf Basis des Konsumenten- und Shopper-Verständnisses innovative Konzepte beziehungsweise Produkte zu entwickeln, die den Märkten immer wieder neue Wachstumsimpulse geben. Eine starke Marke mit innovativen Produkten sichert den Wettbewerbsvorteil.
Iglo hat Verona Poth wieder als Werbepartnerin für den Spinat mit dem „Blubb“. Können Sie das bekannte Gesicht auch an der Kühltruhe platzieren? Schließlich kann man TK nicht als Aktionsware in Displaykartons stapeln.
Die Zusammenarbeit mit Verona Poth basiert auf einem integrierten Ansatz mit einer abverkaufswirksamen Radio-Kampagne und wurde insbesondere für die Umsetzung von POS-Aktivitäten vereinbart. Zum Einen gab es während des Pormotion-Zeitraumes im ersten und zweiten Quartal 2010 eine Sonderpackung mit speziellem Kinderdesign, bei der Verona im Zentrum stand. Zum Anderen wurde Veronas Konterfei auf vielen POS-Materialien abgebildet. Besonders auffällig und viel diskutiert waren dabei die Pappaufsteller in Lebensgröße. Sie wurden neben den markteigenen Tiefkühltruhen platziert und zogen die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich. Im Zusammenspiel mit den anderen POS-Aktivitäten verhalfen sie so, den Abverkauf unserer Produkte zu stärken.
Der Handel entdeckt sein grünes Gewissen. Offene Truhen erhalten eine Abdeckung oder die Ware wird in Schränken präsentiert. Der Kunde sieht nur die Verpackungen. Bieten die Kühlmöbel nicht bislang ungenutzte Chancen was Werbeflächen angeht?
Die Händler haben eigene CI-Strategien, bei denen vielfach Werbemaßnahmen der Industrie nicht erwünscht sind. Ausnahme sind natürlich abverkaufswirksame Aktionen. Ein gutes Beispiel dafür sind die attraktiven Iglo-Zweitplatzierungstruhen, die wir seit letztem Jahr verstärkt und sehr erfolgreich einsetzen. Außerdem haben wir gemeinsam mit dem Handel Projekte gestartet, die sich damit beschäftigen, wie sich der Shopper in der TK-Abteilung schneller und besser orientieren kann.
Kühllogistik ist aufwändig. Kooperieren Sie mit Wettbewerbern? Welche Supermärkte beliefern Sie direkt? Oder endet Ihre Kühlkette stets in den Zentrallagern des Handels?
Wir sind stolz darauf, den Handel unabhängig bedienen zu können und unsere Produkte eigenständig zu vertreiben. Iglo bietet keine Streckenlieferungen an. Die Ware wird in den meisten Fällen vom Handel selbst aus dem eigenen Lager in die Märkte distribuiert. In einigen Fällen sind Broker zwischengeschaltet.
Würden Sie für den Handel die Aufstellung, Wartung und Befüllung von Truhen übernehmen – auch wenn dann nicht nur exklusiv Iglo drin ist?
Das tägliche Auffüllen von Ware sowie das technische Warten der handelseigenen Truhen sind aus unserer Sicht Aufgaben des Handels. Darüber hinaus machen wir uns aber gemeinsam mit dem Handel Gedanken, wie die gesamte Tiefkühlkostabteilung konzeptionell gestalten werden muss, damit die Kundenzufriedenheit erhöht und der Umsatz der gesamten Tiefkühlkostabteilung gesteigert werden kann. Zudem unterstützen und beraten unsere gut geschulten Außendienstmitarbeiter bei Neueinrichtungen der Handelspartner sowie bei der Einführung von neuen Produktplattformen.
„Käpt‘n Iglo“ und der „Blubb“ – und dazu jedes Jahr neue Produkte. Fordert der Handel diesen Werbedruck?
Das hohe produktseitige Innovationstempo ist vornehmlich dem starken Differenzierungsdruck zwischen den Herstellern geschuldet. Handelsseitig wird der Differenzierungswettbewerb sicherlich begrüßt. Der Handel erwartet in seiner Truhe stark differenzierte Konzepte nicht nur auf Produktebene, wie zum Beispiel das „Iglo Schnellfrost-Verfahren“ bei unseren Spinat- und Kräuterartikeln, sondern auch ein scharfes Markenprofil welches unsere Heroes – die Fischstäbchen von „Käpt´n Iglo“ und der Rahmspinat mit dem „Blubb“ – seit Jahren schärfen.
Wie viel geben Sie pro Jahr für Werbung aus? Welchen Anteil hat inzwischen Online? Setzen Sie auf Ladenradio? Und welche Chancen sehen Sie für Digital Signage?
Wir sind stolz, unser Werbebudget zum Vorjahr deutlich ausgebaut zu haben und dieses effektiv einsetzen zu können. Dabei spielt auch Online eine Rolle und wird zunehmend erfolgreich integrativ in der Kommunikation von Iglo eingesetzt. Ladenradios gehören nicht zu unseren Hauptkommunikationsmitteln. Wenn es von uns eingesetzt wird, dann sehr selektiv. POS-TV ist ein zukunftsträchtiges Tool, das in anderen Branchen, insbesondere der Unterhaltungselektronik, bereits weiter verbreitet ist. Für den TK-Bereich gilt es noch zu erforschen, wie wir den interessierten Shopper vor Ort mit relevanten Informationen über die Warengruppe und unser Angebot einfach, schnell und verbrauchergerecht informieren können. Eine spannende ECR-Herausforderung.
Interview: René Schellbach, ixtenso.com