Interview • 20.07.2009

Kälteanlagen: „Die Entwicklung geht eindeutig hin zu CO2“

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Michael Kauffeld, Hochschule Karlsruhe

Lange Zeit standen Kühlschränke, Gefriertruhen und Kälteanlagen in der Kritik, weil sie mit FCKW ihre Innentemperatur drückten – der Ozonkiller schlechthin. Mitte der 1990er stiegen Hersteller auf halogenierte Fluor-Kohlenwasserstoffe (HFKW) um. Nicht so gut für das Klima. Nun wird nach Alternativen gesucht, um Kältemittel und Energieverbrauch in Supermärkten umweltfreundlicher zu gestalten.

Michael Kauffeld von der Hochschule Karlsruhe ist Experte für Kältetechnik. iXtenso.com sprach mit dem Professor über synthetische Kältemittel, Energiesparmaßnahmen und einen verkannten Kühlanlagen-Retter in Zeiten des Klimawandels: das Kohlendioxid.

Herr Kauffeld, die ganze Welt spricht vom Klimawandel, Experten dabei seit einigen Jahren auch über Kühlanlagen in Supermärkten. Was haben Aldi, Rewe oder Lidl mit dem Treibhauseffekt zu tun?

Supermärkte rücken auf zwei Arten ins Zentrum des Klimainteresses. Zum einen werden in Kühlanlagen meistens fluorierte, synthetische Kältemittel mit hohem Treibhauspotential benutzt, das sind HFKWs. Zum anderen, und das ist sogar noch der wichtigere Bereich, wird eine Menge Energie in Supermärkten verbraucht. Kühl- und Gefriermöbel sind mit 40 bis 60 Prozent die wesentlichen Stromverbraucher. Und die Energie kommt nun mal aus dem Kraftwerk – das heißt für Deutschland zu 50 Prozent aus Kohle.

Ein hoher Energieverbrauch geht Hand in Hand mit einem hohen CO2-Ausstoß, das ist klar. Aber was ist so schlimm an HFKWs?

Wenn HFKWs in die Atmosphäre entweichen, tragen sie auch zum Treibhauseffekt bei. Einige der HFKWs haben einen 4000mal so hohen Treibhauseffekt wie CO2. Der normale Aldi um die Ecke benutzt so um die 60 bis 80 kg Kältemittel – wenn man sich vorstellt, dass da mal was kaputt geht und die HFKWs in die Atmosphäre entweichen... In einem Großmarkt wie Metro liegen die Kältemittelfüllmengen im Tonnenbereich. Es muss aber gar nicht erst etwas kaputt gehen. Kältemittel entweichen sowieso, an vielen Stellen der Kälteanlage kann es zu Leckagen kommen, zum Beispiel an Verschraubungen oder Ventilsitzen.

Heißt das, dass ich zum Schutz des Klimas bald nur noch warmen Käse kaufen kann?

Nur, wenn die Kühlanlage ausfällt (lacht). Aber wir müssen uns nach Alternativen umsehen.

Zum Beispiel?

Da gibt es zum einen Ammoniak, aber das ist giftig. Oder aber Propan, das ist aber brennbar. Beide Alternativen können also nicht direkt im Supermarkt eingesetzt werden, sondern nur draußen. Ein anderer Hoffnungsträger ist CO2. Allerdings sind CO2-Anlagen noch relativ kostspielig, weil es nur wenig Standardkomponenten gibt, Sonderanfertigungen sind teuer.

Wie soll ausgerechnet CO2 bei der Eindämmung des Treibhauseffektes eine Rolle spielen?

CO2 ist so interessant, weil es einen Treibhauseffekt von eins hat, da hat nur noch das giftige Ammoniak weniger. Und das CO2 soll auch nicht aus irgendeinem Auspuff kommen, sondern ist zum Beispiel das Abbauprodukt aus einer Brauerei oder so. Dann muss man es zumindest nicht in die Tiefsee pumpen, wie das ja jetzt einige Forscher vorhaben. Zu CO2 tut sich wirklich viel im Moment, vor allen Dingen in Nordeuropa. Vor zwei Jahren schon sagten internationale Kälteanlagenbauer auf einer Konferenz, dass CO2-Kälteanlagen bei ihnen im Portfolio Standard sind. Die Entwicklung geht eindeutig hin zu CO2. Dänemark hat über 100 CO2-Kälteanlagen. Dort gibt es aber auch andere Umweltauflagen.

Was gibt es denn in Deutschland für Auflagen?

Nicht viele. Zum einen dürfen neue Kühlanlagen nur noch ein Prozent Leckagen haben - früher waren das zehn bis 15 Prozent, im Schnitt 40 kg Kältemittel, die jeder Supermarkt in die Luft bläst. Darum müssen HFKW-Kühlanlagen ab 300 Kilogramm nun viermal im Jahr gewartet werden, was das Betreiben einfach teurer macht, als wenn man eine CO2-Anlage hätte, die nur einmal im Jahr gewartet werden muss. In Deutschland setzt man nicht auf ein Verbot von synthetischen Kältemittel.

Und Sie meinen, dass das reicht?

Ich würde von politischer Seite eine spürbare Steuer auf Treibhausgase erheben. So etwas wie 80 Euro für ein Kilogramm oder so. Das ist sinnvoller als ein komplettes Verbot. Es würde den Anreiz erheblich verschärfen, keine Leckagen zuzulassen. Ein gutes Beispiel sind doch die Pfandflaschen: 25 Cent sind scheinbar nicht genug. Wenn man 2,50 Euro Pfand nähme, würden keine Flaschen mehr in der Gegend rumliegen.

Wie werden Supermärkte dazu gebracht, Energie zu sparen?

In Deutschland gibt es keinen Zwang, man muss nicht, wenn man nicht will. Aber Supermärkte können Zuschüsse beantragen für Energiesparmaßnahmen und auch für alternative Kühlmittel. Dafür ist das Umweltbundesamt die Anlaufstelle. Manche Investitionen, damit weniger Energie verbraucht wird, amortisieren sich schon nach ein bis zwei Jahren.

Wie kann man bei der Kühlung am Besten Geld sparen?

Man kann Glastüren oder Glasdeckel vor den Kühlregalen oder auf den Kühltruhen anbringen, das ist einfach nachzurüsten. Das macht insbesondere Sinn in Läden, die eine durchschnittliche Kundenfrequenz haben und die Nachteile durch nicht offene Theken befürchten. Dort könnte zumindest für die Zeit nach Geschäftsschluss durch Glastüren oder –deckel deutlich mehr Energie gespart werden als durch die jetzt eingesetzten Nachtrollos. Ein anderer Ansatz ist ein elektronisches Ventil, das man in die Kühlanlage einbaut und das den Verdampfer energetisch besser nutzt, oder aber die Drehzahlregelung von Verdichtern. Außerdem kann man sich auf eine konsequente Wärmerückgewinnung konzentrieren, um mit der Abwärme, die aus Kühlanlagen kommt, zu heizen.

Wer spielt in Deutschland schon eine Vorreiterrolle in Sachen Supermarkt und Umweltschutz?

Tengelmann ist da einer der Vorreiter. Die haben einen Klimamarkt (Mülheim an der Ruhr, Anm. der Red.), der erzeugt seinen eigenen Strom durch Sonnenwärme. Aldi Süd hingegen setzt stark auf CO2-Anlagen, Glastüren und –deckel für die Nacht und das Wochenende. Andere ziehen nach. Und einzelne Supermärkte für sich bauen um, weil die Betreiber einfach ein großes Gespür für Umweltschutz haben.
 

Interview : Wiebke Heiss, iXtenso.com

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