Konkurrenz wie Sand am Meer und Kunden, die eigentlich gar nichts mehr brauchen – wie kann man da sein Produkt noch an den Mann bringen? Einige Unternehmen schaffen es trotz der Übersättigung des Marktes - mit kreativen Ideen am Point of Sale und überraschten Kunden.
Schon lange geht es beim Einkaufen nicht mehr nur darum, sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Niemand braucht wirklich etwas Neues – weder Kleidung, noch einen Esstisch und auch keine weiteren Backformen. Kunden bummeln mittlerweile meist durch Einkaufszentren, weil sie Lust und Zeit dazu haben und kaufen nur, wenn es Spaß macht. Sie sind übersättigt und trotzdem steigt das Angebot - Jahr für Jahr drängen neue Marken und Produkte auf den Markt. Diese Ausgangssituation lässt die Anforderungen an den Ladenbau stark steigen.
„Früher funktionierte Ladenbau so: Der Geschäftsinhaber wollte mal was Neues in seinem Laden, daraufhin hat der Ladenbauer die Wände gelb gestrichen und den alten Boden erneuert“, erklärt Angela Krause vom Netzwerk Ladenbau. „Heute muss das Shop Design aber das Image der Marke gezielt unterstreichen, individuell sein und den Käufer am besten noch überraschen.“ Deswegen ist der Ladenbauer nicht mehr nur ein kompetenter Handwerker, sondern meist ein mehrköpfiges Team bestehend aus vielen Fachleuten, die sich mit Architektur, Design, Möbeln, Licht, Warenpräsentation, Gebäudetechnik und vielem mehr auskennen müssen.
Nicht mehr das Produkt, sondern die Marke ist wichtig
Im 21. Jahrhundert herrscht ein anderer Trend als noch vor einigen Jahrzehnten. Das beobachtet Andreas Haderlein vom Zukunftsinstitut in Kelkheim: „Mittlerweile unterscheiden sich nicht mehr die Produkte, sondern das Konzept und die Marke um die Produkte herum.“ Das bedeutet, dass Konzept und Marke umso klarer definiert sein müssen: Einer starken Marke folgen die Kunden auf dem Fuße. „Gerade junge Leute lieben Marken. Sie müssen nicht teuer, aber angesagt sein. Dann ist sogar die Qualität des Produkts zweitrangig“, fügt Krause hinzu.
Eine starke Marke generiert man, indem ein hoher Wiedererkennungswert erzielt wird: Logo, Webauftritt und der Ort des Verkaufs müssen aus einem Guss sein. „Daraus folgt, dass Ladeninhaber in der Gestaltung nicht mehr so frei wie früher sind“, so Krause. „Esprit und S.Oliver beispielsweise werden immer auf die Farbe Rot zurückgreifen müssen –die tragen sie im Logo.“ Die Einrichtung muss also zur Marke passen. Handelt das Geschäft mit Bioprodukten, sind die Regale aus Holz und auch alles andere im Naturdesign, Zettel mit einem Hinweis, dass sich die Inhaber für den Schutz des Regenwaldes einsetzen, unterstreichen die Glaubhaftigkeit.
Innerhalb der Regeln, die die Marke vorgibt, sollte der Laden allerdings so individuell wie möglich gestaltet werden. Die immer gleichen Innenstädte mit denselben Ketten in sämtlichen Metropolen Europas und der ganzen Welt sind out. Hier fängt der Wiedererkennungswert an, schädlich zu werden. „Die Kunden sind schlicht gelangweilt“, so Krause. Eine neue, überraschende Architektur oder auch ein individuelles Warensortiment, das sich von Stadt zu Stadt unterscheidet und auch in den einzelnen Filialen schnell wechselt, kann die Kunden locken, immer wieder hereinzuschauen.
Die Kunden wollen unterhalten werden, sie wollen etwas erleben. Das hat vor einigen Jahren eine Art Wettrüsten der Handelsunternehmen ausgelöst. Riesige Flagship-Läden mit immer bombastischeren Designprojekten versuchen die Kunden doch noch einmal in Staunen zu versetzen. „Es ist ein Kampf der Giganten“, meint Haderlein. „Denn diesen Wow-Effekt können nur die großen Handelsunternehmen erreichen – er geht ins Geld.“ Globetrotter in Köln bietet zum Beispiel Attraktionen wie ein Tauchbecken, eine Kältekammer und ein Quallenaquarium. Aber auch Kölle Zoo orientiert sich am sogenannten Erlebnisshopping: Die Tierhandlungskette bildet auf großer Fläche einen Zoo nach und präsentiert Erlebniswelten wie ein Maori-Dorf. „Beeindruckt hat mich auch eine Showküche mitten in der Küchenabteilung eines Möbelhauses in Norddeutschland, in der die Besucher tatsächlich kochen konnten – mit all den Geräten, die, genau wie die Küche, zum Verkauf standen“, beschreibt Krause ein weiteres Best-Practice-Beispiel.
Hauptsache anders: Wow-Effekt versus Lokal-Kolorit
Was für die Großen gilt, gilt aber auch für die Kleinen: Hauptsache anders. Ladeneinrichtung und –gestaltung vom Band sind tabu für trendbewusste Verkäufer. Trotzdem können Individualität, Erlebnis und Emotionen auch auf weniger teuren Wegen erreicht werden. Kleine Läden haben nämlich einen wichtigen Vorteil: Es gibt sie nur ein einziges Mal, damit sind sie per se individuell. Sie müssen nur noch zusätzlich originelle Ideen entwickeln – dann können sie für die Kunden spannender als herkömmliche Ketten sein. „Kleine Läden müssen im lokalen Kontext funktionieren. Daher setzen mittlerweile einige auf Lokalkolorit“, erklärt Haderlein. Das könne sich über die Deko, die Produkte bis hin zum Verkäufer ausdrücken. Ein Bayrisch oder Hessisch sprechender Verkäufer in München oder Frankfurt löst bei den Anwohnern Heimatgefühle und bei den Touristen Heiterkeit aus – ein lustiges Erlebnis, von dem sie erzählen werden. „Da könnten die Großen auch schon wieder Einiges von den Kleinen abgucken.“
Weitere Konzepte wie das Cross-Selling oder die Social Community können auch einfach erfolgreich miteinander verbunden werden, wie es der Szene-Laden „Kauf Dich glücklich“ in Berlin vormacht. Dort gibt es zwei Produkte zu kaufen, die nichts miteinander zu tun haben. In dem Laden gibt es neben Möbeln auch etwas zu essen: Waffeln und Eis. Die Eistheke ist etwas abseits von den Möbellandschaften untergebracht und die Besucher genießen ihre Naschereien wie in einem Café – auf den gemütlichen Sitzgelegenheiten, die im Laden angeboten werden. Die ungewöhnliche Produkt-Kombination hat sich schnell herumgesprochen und das „Kauf Dich glücklich“ zu einem trendigen Treffpunkt gemacht. Mit Augenzwinkern wirbt das Unternehmen auf seiner Webseite: „So kann es passieren, dass man beim Waffelessen gestört wird, weil jemand das Sofa kauft, auf dem man sich gerade niedergelassen hat.“ Aber egal, die Kunden lieben es. Es ist ja schließlich auch eine gelungene Überraschung.
Anke Barth, iXtenso.com