Die EuroShop 2017 hat gezeigt: Die Themen Emotionalisierung und Storytelling sind nicht mehr aus dem Einzelhandel wegzudenken. Die Customer Journey ähnelt mehr denn je einem Abenteuer, das die unterschiedlichsten Sinne anspricht. Wie dies gelingt, weiß Philipp Nottekämper von ppm planung + projekt management. Die Neukonzeption der Weber Original Stores lag schwerpunktmäßig in den Händen seines Teams.
Herr Nottekämper, ich habe das Gefühl, dass häufig nicht mehr der Verkauf der Produkte im Vordergrund steht, sondern der Wunsch, dem Kunden ein einmaliges physisches und emotionales Erlebnis zu bieten. Wie sehen Sie das?
Philipp Nottekämper: Der Kunde nimmt Einkaufen mittlerweile als Freizeitbeschäftigung wahr. Er möchte sich wohlfühlen, etwas erleben und dementsprechend spielen Themen wie Storytelling und Emotionalisierung natürlich eine grundlegende Rolle bei der Konzeptentwicklung eines Stores. Wie weit die Präsentation der Ware dabei in den Hintergrund tritt, ist dann eine (mutige) Entscheidung der Marke oder des Händlers. Bei all dem Wunsch nach Abenteuern muss eine Fläche natürlich dennoch wirtschaftlich funktionieren. Das ist der Spagat, der aber auch Spaß machen kann.
Bei ppm sprechen Sie von der „4. Dimension“. Was bedeutet das konkret?
Das klingt natürlich erst einmal kryptisch und soll ein Stück weit Neugierde wecken. Die „4. Dimension“ deckt bei uns alle Themen ab, die mit der Digitalisierung einhergehen, seien es Verbindungen zwischen dem stationären Handel und Online-Handel wie beispielsweise Click & Collect, interaktive Lösungen für den Kunden oder aber – und da sind wir wieder beim Thema – digitale Erlebnisse für den Kunden. Dabei geht es darum, dass diese Elemente einen wirklichen Mehrwert für die Endkunden bieten. Nur dadurch kann gewährleistet werden, dass die Investition nicht nur eine bloße Spielerei ist, sondern dem Endkunden dazu verhilft ein größeres Erlebnis zu haben, einen besseren Service zu erleben, der ihm hilft sich auf der Fläche besser zu fühlen, somit eine längere Verweildauer generiert und im besten Fall dadurch einen höheren Umsatz erzielt.
In den Weber Original Stores in Berlin und Amersfoort (Niederlande) verknüpfen Sie Digitalisierung mit Multisensorik…
Genau. Diese zwei Elemente geben sich sozusagen in den auf der Fläche installierten Category Bowls die Hand, um ein ganzheitliches Erlebniskonzept für den Kunden zu bieten. Diese Bowls spiegeln die drei Kategorien des Weberportfolios – also Kohle, Gas, Elektro – wider. Ein Grundanspruch des Konzeptes war, die Sortimente für den Kunden eindeutiger darzustellen. Das heißt, es gibt immer eine Kombination aus Podest und darüber liegender Kuppel. Auf dem Podest wird das Produkt gezeigt, in Verbindung mit weiterem Zubehör. Das haptische Erlebnis bringt das Produkt bereits mit. Das heißt, der Kunde kann den Grill oder das Zubehör anfassen.
In der Kuppel darüber werden dann passende Filme über einen Beamer eingespielt. Das Thema Digitalisierung spielt sich innerhalb der Projektion in der Kuppel ab. Es ist ein Teil dieser multisensorischen Erlebniswelt und dann natürlich im Bereich Infotainment zu Hause. Beim Kohlegrill ist es die Holzkohle, die als Film in die Kuppel projiziert wird. Zusätzlich wird im Hintergrund das Knistern der Kohle dezent abgespielt. Um das multisensorische Erlebnis noch runder zu machen, untermalen wir diesen Bereich mit einem dezenten Grillduft. Beim Gasgrill sieht man die bläulichen Gasflammen und hört das Züngeln der Flamme im Hintergrund. Die Darstellung des Elektrogrills gestaltete sich am schwierigsten. Da dieser in der Regel kein Geräusch von sich gibt und sich die Darstellung von glühenden Heizstäben nicht als Assoziation eignet. Die beste Verbindung zum Thema Elektro ließ sich durch die Bespielung mit „Elektroblitzen“, wie man sie von einer Teslaspule kennt, erzielen. Dabei ist es der Effekt, der den Kunden faszinieren soll. Die Grillgerüche unterscheiden sich insgesamt nur minimal. Die Nuancen haben wir entsprechend mit unserem Kunden abgestimmt.
Die multisensorischen Elemente und die digitale Darstellung dienen dazu, den "Haben-will-Faktor" für das entsprechende Produkt noch einmal ein Stück zu steigern. Es gibt tatsächlich Studien, die zeigen, dass die Preissensitivität beim Kunden nachlässt, wenn der Kunde sich wohl und angesprochen fühlt. Dann ist er bereit mehr für das Produkt auszugeben.
Für eine konsistente Erlebniswelt, sind aber noch weitere Elemente entscheidend…
Ja, denn solche Konzepte wirken nur in ihrer Ganzheitlichkeit. Im Rahmen der Umstrukturierung des Weber Original Stores in Berlin sind gleichfalls die Materialien, die Beleuchtung und Visual Merchandising-Effekte neu konzipiert worden. Wir haben hier Materialien gewählt, die die Marke widerspiegeln und vor allem das männliche Klientel ansprechen. Entstanden ist ein urbaner und industrieller Stil, der abgerundet wird durch natürliche Elemente wie Holz. Die Beleuchtung haben wir punktuell und sehr fokussiert gewählt, um das Produkt wirken zu lassen. Es geht darum Licht geschickt einzusetzen, ohne anderen Highlights wie den Category Bowls die Show zu stehlen. In den Visuals bedienen wir uns ganz klar der Bildwelten, die Weber natürlich auch auf anderen Kanälen spielt. Diese haben wir so in Szene gesetzt, dass der Kunde sich in diesen Situationen selber wiederfindet, beispielsweise im Kreis der Familie oder der Freunde, im Garten oder auf einer Terrasse.
Wie hoch ist die Nachfrage nach ganzheitlich emotionalen Storekonzepten?
Ich glaube, das kann man gar nicht so verallgemeinern, weil die Ansprüche der Kunden teilweise sehr unterschiedlich sind. Da sind wir wieder an dem Punkt: Was kann ein Storekonzept in einer solchen Thematik leisten? Es hängt nicht davon ab irgendwelche Screens zu integrieren, sondern es geht um sinnvolle Inhalte. Ich glaube, was nie aus der Mode kommt, und das kann man in einem Storekonzept eben nur unterstützend einsetzen, ist guter Service.
Alle Differenzierungsmerkmale, die den stationären Handel – und das ist beim Schaffen eines Erlebnisses eben genauso – vom Online-Handel differenzieren und einen Mehrwert für den Kunden bieten, die bringen den Kunden auf die Fläche. Wenn ich einen guten Service auf der Fläche habe, gerade bei beratungsintensiven Produkten, dann ist dies etwas, was der Online-Handel kaum bieten kann. Davon lebt der stationäre Handel und ich glaube, das ist ein Thema, das man dem Händler auch immer wieder spiegeln muss.