In Island gibt es sie schon, die Zustellung mit Drohnen. Der Lieferservice des Onlinemarktplatzes aha.is in Reykjavik schickt ferngesteuerte Mini-Helikopter durch die Luft und verkürzt damit Lieferzeiten und -kosten.
Er wollte der Erste in Europa sein und hat es auch geschafft: Maron Kristófersson, CEO und Gründer von aha.is, Islands größtem Onlinemarktplatz, liefert seinen Kunden Bestellungen aus der Luft.
Der Hauptgrund dafür ist die Zeitersparnis. Eine Lieferung mit dem Auto aufgrund der Straßensituation dauert nämlich ziemlich lang – nur eine vielbefahrene Straße führt in die Stadt. Ungünstig, gerade für Essenslieferungen. Die Flugvariante dagegen spart 20 Minuten ein, weil sie einfach über das anliegende Gewässer führt. Die Lieferungen von aha, der sich 100 Restaurants anschließen, werden von einem Mitarbeiter gestartet und können entweder an festen Lieferpunkten (siehe Karte) oder dem eigenen Garten vom Bestellenden angenommen werden. Dafür braucht dieser allerdings das schriftliche Einverständnis seiner Nachbarn.
Bei Ankunft am geplanten Zielort erhält der Empfänger eine SMS, bestätigt seine Anwesenheit und die Drohne lässt die Ware an einem langen Draht zu ihm herunter. Das ist ein spannendes Erlebnis, das aber manchen Bewohnern der Hauptstadt tatsächlich noch Bedenken bereitet, weil sie an der Sicherheit der Flugobjekte zweifeln. Andere glauben, dass der Flugbetrieb die Vögel stören könnte. Dennoch entwickelt sich das Konzept stark weiter. Waren Anfang dieses Jahres erst zwei Drohnen im Einsatz, sind es nun schon 15. Die Routen sind festgelegt, die Drohnen dürfen aber bis zu 700 Meter davon abweichen, um die Kunden zu erreichen.
Lange Testzeit, schnelle Entwicklung
Bis die erste Drohnenroute eröffnet werden durfte, brauchte es 14 Monate Vorbereitungszeit. „Fünf Behörden mussten die Dohnenflüge genehmigen“, berichtet Kristófersson. Die Testflüge machte der Vordenker mit seiner Familie. Während Drohnentester an anderen Orten die Fluggeräte von fahrenden Autos starten lassen müssen, um Windtests zu machen und sie zusätzlich mit Wasser beschießen müssen, brauchte er keine widrigen Wetterumstände zu fingieren. In Island könne man Sturm, Eis, Hagel, Regen und Schnee an einem Tag haben, weshalb seine Drohnen unter realen Bedingungen schnell auf Herz und Nieren geprüft wurden. Bei starkem Wind und sehr schlechten Wetterbedingungen starten die Drohnen nicht. Dann müssen die Elektroautos ran, die der Lieferant weiterhin unterhält.
Die automatisch fliegenden Transporter schaffen täglich bis zu 30 Lieferungen mit drei Kilogramm Ladung. Die Flugzeit kann bis zu 25 Minuten dauern. Laut Kristófersson sollen sich die Reichweite und das Ladungsgewicht bei Drohnen generell um 25 Prozent erhöhen. Zehn Kilogramm würde er gern mit seinen Drohnen transportieren. Sechs zertifizierte Mitarbeiter, die „Operators“, könnten in Zukunft jeweils zwölf Drohnen gleichzeitig steuern.
Amazon, UPS und Alibaba – erste Tests in den USA, GB und China
Während der Isländer sein Vorhaben Drohnenlieferung schon umgesetzt hat, testen Lieferriesen wie Amazon und UPS ähnliche Systeme. Unter „Amazon Prime Air“ finden vereinzelt Testflüge mit Drohnen in Großbritannien statt. Ebenso versucht UPS in den USA, ländliche Gegenden mit Drohnenlieferungen zu versorgen. Hier wird nicht wie bei Amazon von einer kleinen Zentrale aus gestartet, sondern direkt vom Lieferwagen mit umgebautem Dach (dieses öffnet sich, die Drohne fliegt los und landet dort auch wieder). Während der Lieferant selbst eine Tour fährt, kann die Drohne in derselben Zeit einen anderen Standort in der Nähe anfliegen und sogar zum Transporter zurückkehren, selbst wenn dieser schon seinen Standort geändert hat.
In Shanghai nutzt nun auch der Lieferdienst Ele.me (gehört zu Alibaba) Drohnen für die Essenslieferung – allerdings innerhalb eines Industriegeländes, dem Shanghai’s Jinshan Industrial Park. Hier werden die fliegenden Waren von Mitarbeitern entgegengenommen und zum Kunden gebracht.
Kommt bald auch die Lieferung via Drohne in Deutschland?
Zugegeben: Eine Lieferung durch die Luft könnte das ein oder andere Stauaufkommen in Ballungsgebieten bestimmt mindern. Der wachsende E-Commerce und die damit verbundene Frage nach dem schnelleren und umweltfreundlicheren Versand sowie dem Retourenmanagement spornen an, nach möglichen Lieferalternativen zu suchen.
Laut einer umfangreichen Studie in mehreren EU-Ländern sind Konsumenten sogar bereit, diese Form der Lieferung zu nutzen. Schon sind Hersteller in den Startlöchern, die Lösungen für einfaches Bezahlen bei Drohnenlieferungen ermöglichen wollen.
Die Frage ist nur: Wenn es in Deutschland schon nicht möglich ist, chinesische Laternen in die Lüfte zu lassen, ohne vorher die Luftfahrtbehörde zu informieren, lässt sich erahnen, woran die Lieferart noch längerfristig scheitern könnte. Drohnenflüge unterstehen immer mehr Regularien, die die kommerzielle Nutzung erheblich erschweren würden.
Die Lieferung durch die Luft werde sich langfristig nicht durchsetzen, unken deutsche Logistikexperten: zu wenig Platz, zu wenig Kapazitäten und so weiter. Sie sehen eher zentrale Lieferpunkte als Alternative, die die Straßen von zu vielen Lieferwagen befreien sollen.
Derzeit arbeiten die europäischen Luftfahrtbehörden noch an einheitlichen Richtlinien für den Einsatz von Drohnen – allerdings denen, die mit 150 Kilogramm in einer ganz anderen Liga spielen. Sicher ist, dass das Thema Drohne eigentlich gerade erst richtig in Gang kommt. Und vielleicht schafft es ja sogar Deutschland einmal, eine Technologie einfach auszuprobieren.