Große Ketten wie Coop und Marks & Spencer sind in vielerlei Hinsicht Vorbild in Sachen nachhaltiger Handel. Auszeichnungen über Auszeichnungen häufen sich für ihre verantwortungsvollen Projekte und Herangehensweisen. Den positiven Effekt auf die Wahrnehmung beim Endkunden sollten sich auch andere Einzelhändler vor Augen führen, um den Nutzen nachhaltiger Projekte zu erkennen.
„Händler wie Lidl hatten früher ein regelrechtes Schmuddelimage und heute gewinnen sie durch nachhaltige Initiativen einen Preis nach dem anderen.“ (Dr. Meike Gebhard)
„Nachhaltigkeit wird in Einzelhandelsunternehmen häufig als wichtig erkannt, aber selten bis in alle Ebenen umgesetzt“, sagt Michael Lierow, Partner & Sustainability Expert bei der Managementberatungsfirma Oliver Wyman. Dabei sei inzwischen durchaus nachweisbar, dass ein weitsichtiger Umgang mit Produkten und Wertschöpfungsketten den Umsatz steigern und Kosten – gerade im Bereich Energie und Logistik – immens senken kann.
„Beispiele wie Coop in der Schweiz und Marks & Spencer in Großbritannien zeigen, dass sich Umsätze und Einsparungen in Millionen- und Milliardenhöhen mit einem langfristig angelegten und stringent umgesetzten Prozessmanagement erzielen lassen“, veranschaulicht Lierow und betont: „Nachhaltigkeit und Profitabilität schließen sich nicht aus, sondern befruchten sich: Mit Nachhaltigkeit lassen sich mehr Kunden ansprechen, mehr Umsätze generieren und mehr Gewinne erzielen.“
Grundvoraussetzung hierfür ist, dass Unternehmen ihre Bemühungen auch transparent kommunizieren. Dr. Meike Gebhard ist seit dem Jahr 2008 Geschäftsführerin von Utopia, einer Internetplattform für nachhaltigen Konsum, die Konzerne bei ihrer Nachhaltigkeitskommunikation unterstützt. Auch sie nennt Coop als Vorzeigeunternehmen, denn dort kommuniziere man Nachhaltigkeit konsequent. Der Name Coop werde bei Kunden automatisch mit Nachhaltigkeit verbunden.
Nachhaltigkeit optisch erkennbar machen
Dass es nicht immer leicht ist, von Beginn an den richtigen Weg zu finden, um dem Endkunden auch darzustellen, was gerade im Unternehmen vorgeht, zeige die Entwicklungen bei großen Supermarktketten. „REWE fährt schon länger ein sehr komplexes Nachhaltigkeitskonzept – hatte aber anfänglich Probleme damit, dies zu kommunizieren. EDEKA dagegen hat zu Beginn lediglich seine Partnerschaft mit dem WWF über Spots kommuniziert und stand am Ende bei der Wirkung beim Endkunden gleich auf.“
Wichtig sei bei der Kommunikation eine durchgängige Nachhaltigkeitsstrategie, die der Kunde nachvollziehen kann. „Die Verantwortung für nachhaltige Waren ist groß und auch anstrengend. Man braucht Leuchtturmprojekte und Veränderungen im Laden, die gesehen werden, denn die Veränderungen kosten Geld und Zeit und sollen sich natürlich auch lohnen.“ Als Beispiel nennt sie hierfür H&M. „Dort werden beispielsweise am POS Bio-Baumwollprodukte mit einem bestimmten Grünton an der Wand oder auf Schildern gekennzeichnet.“
„Nachhaltigkeit braucht den Dialog, auch um die Akzeptanz dieses Leitbildes bei allen Beteiligten zu erhöhen.“ (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit)
Diese Sichtbarkeit sei auch wichtig, um die Zahlungsbereitschaft des Kunden zu vergrößern. Gebhard erklärt: „Die Bereitschaft wächst, wenn sich der Kunde etwas Gutes tun will. Die größte Herausforderung ist es dann, die Masse zu erreichen. Einzelhändler sollten hierzu alle Kanäle nutzen, die sie ohnehin bedienen – Social Media, gängige Marketingkanäle wie Werbeeinlagen und klassische Medien.“
Auch die Kleinen können Grün
Dass Coop und H&M ihre Nachhaltigkeit gut an den Endkunden bringen können, liegt sicherlich an den Ressourcen der Unternehmen. Häufig gibt es dort Nachhaltigkeitsbeauftragte. Wie aber sieht es bei den kleineren, mittelständischen Firmen aus?
Der Online-Versandhandel für Alltagsprodukte memo AG mit 130 Mitarbeitern nimmt das Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen sehr ernst. Nicht nur die Produkte sind nachhaltig – auch in anderen Ebenen legt das Unternehmen Wert auf eine langfristig verantwortungsvolle Herangehensweise – und das bereits seit 25 Jahren. Dort wird geprüft, ob Produkte bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung den Menschen, die Umwelt und das Klima so wenig wie möglich belasten. Verantwortlich für den gesamten Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung ist der Nachhaltigkeitsmanager.
„Den Großen fällt es natürlich leichter, mit groß angelegten grünen Aktionen die Werbetrommel zu rühren. Nachhaltigkeit zieht sich bei uns jedoch durch das gesamte Unternehmen und bleibt keine Einzelaktion. Als kleines Unternehmen fallen wir da natürlich nicht so auf. Umso wichtiger ist uns, unsere Philosophie zu vermitteln – beispielsweise über den Pressebereich, das Marketing und Beilagen in anderen Publikationen. Alle zwei Jahre veröffentlichen wir einen Nachhaltigkeitsbericht. Seit über einem Jahr ist außerdem ein Kollege allein für den Social Media Bereich bei uns zuständig“, erklärt Claudia Silber. Der Effekt: „Ein reger Kundenaustausch. Die Kunden sind interessiert und erkennen den Mehrwert der nachhaltigen Strategie. Es tut sich gerade sehr viel in der Wahrnehmung der Endkunden“, erklärt sie.
Dr. Meike Gebhard stimmt ihr zu: „Das Thema Nachhaltigkeit erlebt seit zwei bis drei Jahren einen immensen Aufschwung.“ Umso wichtiger für Unternehmen, die ersten Maßnahmen zu planen und umzusetzen. „Dabei werden auch kleine Aktionen honoriert“, sagt sie. „Jeder zieht sich das raus, was er leisten kann. Kompromisse gehören dazu. Ich nehme auch das Auto für eine lange Strecke und nicht das Fahrrad. Und Unternehmen sind da, wie sie sind. Es geht darum, sich auf die Reise zu machen und nächste Schritte abzuwägen.“