Staus sind in der Nacht kein gravierendes Problem

Interview mit Dr. Andreas Froschmayer, Bereichsleiter Corporate Development & PR bei Dachser

Dr. Andreas Froschmayer: „Dachser legte 2010 mit seinen Lkw im eigenen...
Dr. Andreas Froschmayer: „Dachser legte 2010 mit seinen Lkw im eigenen europäischen Stückgutnetzwerk jede Nacht circa 917.000 Kilometer zurück.“
Quelle: Dachser

Logistiker sind abhängig von der Konjunktur und von der Politik. Wenn die Wirtschaft boomt, wird mehr transportiert; Politiker beeinflussen die Transportkosten. Dennoch mag man sich bei Dachser nicht zu politischen Fragen äußern. Das Familien-Großunternehmen mit Sitz in Kempten im bayerischen Allgäu erwirtschaftete 2010 einen Gesamtumsatz von 3,8 Milliarden Euro. Das Geschäftsfeld Food Logistics setzte 500 Millionen Euro um und transportierte 5,4 Millionen Tonnen. Im iXtenso-Interview erzählt Dr. Andreas Froschmayer über lange Lkw, Luftfracht und Nachtfahrten, Wachstumsmärkte und Umweltschutz.

Jetzt kommen die neuen Riesenlaster testweise auf die Straßen, doch nicht alle Bundesländer machen mit. Wie geht es weiter?

Der Anteil der Lang-Lkw in unserem Netz wird nicht signifikant hoch sein. Dort wo Lang-Lkw unterwegs sind, versprechen wir uns positive Bündelungseffekte, mehr Laderaum und weniger CO2-Emissionen. Wir erachten es als sinnvoll, diese Technologie zu testen, da durch mehr Zuladung weniger Fahrten möglich wären. Wir sehen deren Einsatz allerdings nur dort, wo die Fahrzeuge ökonomisch, ökologisch sowie sicher im Straßenverkehr teilnehmen können und definitiv keine Konkurrenz zu alternativen Verkehrswegen wie Schiene und Wasserstraßen besteht. Die Sicherheit und die Schonung der Umwelt stehen dabei an oberster Stelle.

Wir sprechen bei Lang-Lkw von Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 44 Tonnen und einer Gesamtlänge von 25,25 Metern. Wir setzen Lang-Lkw bereits in den Niederlanden, Dänemark und in Schweden auf Langstrecken, also nicht im Innenstadtbereich ein und haben bisher gute Erfahrungen damit gemacht. Dachser betreibt in Deutschland ein flächendeckendes Netzwerk für Systemverkehr. Lang-Lkw kämen daher lediglich auf Verkehren zwischen den Terminals zum Einsatz und nicht in der innerstädtischen Abholung beziehungsweise Belieferung. Somit würde sich der Einsatz auf Autobahnen und autobahnähnliche Konstrukte beschränken.

Im Moment sind noch keine Lang-Lkw im Auftrag von Dachser in Deutschland unterwegs, da in den sieben teilnehmenden Bundesländern zum Teil Klagen beim Bundesgerichtshof anhängig sind. Wir wollen Lang-Lkw weitgehend aus unserem Eigenfuhrpark einsetzen.

Die Bundesregierung bekennt sich immer wieder zum Klimaschutz. Die Grünen stellen den ersten Ministerpräsidenten. Rechnen Sie mit verschärften Umweltgesetzen im Verkehrswesen?

An diesen politischen Diskussionen beteiligen wir uns nicht. Nur so viel: Die ökologische Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie. Wir erfüllen alle gegebenen Normen und arbeiten kontinuierlich an der weiteren Verbesserung unserer Umweltbilanz. Gemeinsam mit den Herstellern überprüfen wir kontinuierlich neue Technologien auf ihre nachhaltige Wirkung.

Was rechnet sich in Sachen neuer Technik für Lkw?

Dachser realisiert keine Tiefkühllogistik. In unserem Geschäftsfeld Food Logistics transportieren wir ausschließlich verpackte Lebensmittel im plusgradigen Bereich. Schon jetzt führen wir die ersten Euro6-konformen Lkw ein. Wir testen zudem in verschiedenen Niederlassungen aerodynamische Auflieger mit seitlichen Vollverkleidungen, glattwandigen Aufbauten, innenliegenden Drehstangenverschlüssen sowie rolloptimierte Reifen. Diese können den Kraftstoffverbrauch um bis zu fünf Prozent absenken.

Immer mehr Artikel kommen per Luftfracht in die Läden. Können Sie für Ihr Unternehmen Zahlen nennen?

Ein Beispiel: Weit mehr als 50 Prozent der Waren für Baumärkte stammen heute aus asiatischer Produktion. In diesem Bereich schaffen wir mit Dachser DIY-Logistics integrierte Supply Chain-Lösungen, die unsere Luft- und Seefrachtverkehre optimal mit dem flächendeckenden Europanetzwerk verbinden und im Rahmen der Kontraktlogistik auch die Lagerung in unseren Distributionszentren sowie zusätzliche Dienstleistungen wie zum Beispiel die gesamte Zollabwicklung umfassen.

In 2010 erwirtschaftete Dachser Air & Sea Logistics – das globale Netz für interkontinentale Logistik mit Tätigkeitsschwerpunkten in den USA, Südamerika, Südafrika, Europa und Asien – insgesamt 940 Millionen Euro Umsatz; das bedeutet ein Wachstum zum Vorjahr um 68 Prozent. 452.000 Luftfrachtsendungen wurden insgesamt abgewickelt. Die Zahlen von 2011 werden am 17. April veröffentlicht.

Leerfahrten kosten Geld und belasten die Umwelt. Was kann der Handel tun für ein effizienteres Fuhrpark-Management?

Dachser betreibt ein flächendeckendes Netzwerk für Systemverkehre mit dem Schwerpunkt auf Sammelguttransporten. Das ausgeklügelte Hub & Spoke-System aus Linienverkehren zwischen den einzelnen Niederlassungen und lokalen Nahverkehrsstrukturen sorgt an sich schon für einen sehr hohen Auslastungsgrad unserer Transporteinheiten.

Auftraggeber sind sowohl Hersteller – die Distributionslogistik – als auch der Handel – die Beschaffungslogistik. Bei den großen Handelsketten beliefert Dachser in der Regel deren Zentralläger. Den Transport auf der „letzten Meile“ in die einzelnen Outlets organisiert der Handel zumeist selbst. Wenn der Handel einen Netzwerkdienstleister für seine Beschaffungslogistik engagiert, dann ist das eine sehr effiziente Form der Bündelung für Transporte bis zu seinem Lager.

Wie viele Lkw-Kilometer fährt Dachser pro Jahr, wie viele Lkw sind leer oder nicht ganz voll?

Dachser legte 2010 mit seinen Lkw im eigenen europäischen Stückgutnetzwerk jede Nacht circa 917.000 Kilometer zurück. Aus den bereits beschriebenen Gründen ist der Auslastungsgrad unserer Fahrzeuge sehr hoch.

Staus sind der Feind der Frische-Logistik. Was muss getan werden gegen die Staus auf den Autobahnen?

Aufgrund unserer bereits beschriebenen Systemverkehre sind Staus für Dachser kein gravierendes Problem. Die Fernverkehre zwischen den Niederlassungen finden größtenteils am Abend und in der Nacht auf Autobahnen statt. Tagsüber konzentrieren sich die Aktivitäten auf den lokalen Nahverkehr, der nur selten die Autobahnen nutzt und wenn, dann nur auf kurzen Teilabschnitten.

Der Handel besinnt sich auf regionale Produkte. Müssen Sie in der Logistik umdenken?

Aufgrund unserer Hub & Spoke-Organisation sind wir bereits regional optimal aufgestellt und auf eine zunehmende Regionalisierung eingestellt. Unsere flexiblen Netzwerke passen die Kapazitäten dem Aufkommen an. Somit müssen wir in dieser Hinsicht auch nicht umdenken.

An den Autobahnkreuzen entstehen immer mehr Logistik-Zentren auf der grünen Wiese. In den Ballungsgebieten sind geeignete Grundstücke längst knapp. Wo würden Sie gern bauen?

Unsere Standortplanung ist nicht auf die Stadtmitte ausgerichtet. Der Großteil unserer Niederlassungen liegt, optimal an die Autobahnen angebunden, nicht in den städtischen Ballungszentren. Diese werden durch unsere Nahverkehrsorganisation bedient.

Welches sind Ihre internationalen Wachstumsmärkte in der Logistik für den Handel?

Hier muss definiert werden, was mit „Logistik für den Handel“ gemeint ist. Dachser transportiert heute den Großteil der Sendungen an den deutschen wie auch europäischen Handel, aber in erster Linie im Auftrag der Industrie. Wenn unsere Kunden wachsen oder wir einen neuen Kunden bekommen, wachsen wir entsprechend seiner Empfängergebiete mit.

Wenn wir von Beschaffungslogistik für den Handel reden, muss man wissen, dass dies ein sehr verstetigtes Geschäft ist und dieses Modell nicht in allen Ländern Europas angewandt wird Beschaffungslogistik machen wir vor allem in Großbritannien und Frankreich, aber auch in Deutschland für einige Ketten. Dieses Geschäft wird in der Regel nicht in kurzen oder mittleren Intervallen ausgeschrieben, da es hier sehr auf gute Abstimmung und eingespielte Abläufe ankommt.

Im Lebensmittelbereich kooperieren wir mit Ausnahme von Tschechien und Ungarn, wo wir über eine eigene Food Logistics-Organisation verfügen, mit starken lokalen Partnern. Der osteuropäische Raum birgt sicherlich noch immer ein großes Potenzial. Insbesondere im Baumarktbereich, den wir mit unserer Branchenlösung Dachser DIY-Logistics optimal bedienen können, sind dort viele Produktionsbetriebe angesiedelt.

Sehen Sie im Handel einen Trend hin zum Outsourcing in der Logistik?

Nein, aktuell ist ein solcher Trend von Seiten des Handels nicht zu erkennen.

Wie stellen Sie sich die Warenverteilung in der Stadt der Zukunft vor?

Die Urbanisierung ist ein Megatrend für die Zukunft. Die Logistik für Ballungsgebiete wird immer anspruchsvoller. Ein wesentliches Kriterium für die Logistik in den Städten werden die Schadstoffemissionen sein. Dachser unterstützt deshalb aktiv Forschungsprojekte, die sich mit diesem Thema befassen.


Interview: René Schellbach, iXtenso.com

 01.02.2012

 
Umsatzstärkste Logistikunternehmen in Deutschland 2010

 

Top 10 nach Inlandsumsatz
1. Deutsche Post DHL
2. DB Mobility Logistics
3. Kühne + Nagel
4. Dachser
5. Rhenus
6. UPS Europe
7. DPD Dynamic Parcel Distribution
8. Arvato Services
9. Volkswagen Logistics
10 Panalpina

Quelle: Statista 2012

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge zum Thema
Beliebte Beiträge