Bericht • 02.09.2014

"Quo Vadis Retail?"

oder "Die Potenziale und Chancen des stationären Einzelhandels"

Das Vokabular der Handelswelt verändert sich. Folgt man der Berichterstattung der Fachpresse, entsteht der Eindruck, dass Begriffe wie Omnichanneling, Touchpoints oder Augmented Reality althergebrachte Entitäten wie Verkaufsfläche, POS oder Schaufenster zu verdrängen drohen.

Aber digitale und analoge Welt sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich. Für den stationären Handel heißt das, sich seiner Stärken bewusst zu werden und sie konsequent auszubauen. Ein evolutionärer Prozess, an dessen Ende gestärkte Markenwerte und höhere Gewinne stehen können.

Die Menschen haben ein inneres Verlangen nach Berühren und Entdecken, nach dem sinnlichen Erfahren. Nicht ohne Grund erleben unsere Innenstädte gerade eine Renaissance. Von jeher ist unser Bild einer funktionierenden Innenstadt getrieben von Größen wie Vielgestaltigkeit, Lebendigkeit, Sinnlichkeit. Eine Mischung aus Plätzen, Parks, Cafés, Geschäften, Wohnungen, Betrieben und Büros. Nach Jahren der drohenden Verödung und Uniformierung sind die Europäischen Städte dabei, sich ihrem eigenen Mythos vom Marktplatz wieder anzunähern. Es sind die mischgenutzten Projekte, denen die Zukunft in Europas Städten gehört. Je durchlässiger sie zum öffentlichen Raum hin konzipiert sind, desto mehr werden sie von dessen Aura profitieren. Und umgekehrt.

Ein solches Quartier in extrovertierter Form entsteht derzeit in Mannheim unter dem Namen Q 6 Q 7. Auf einem prominent gelegenen Innenstadtareal wird nach den Entwürfen von Blocher Blocher Partners ein 150.000 Quadratmeter großes mischgenutztes Quartier mit Handelsflächen, Gastronomie-Betrieben, Eigentumswohnungen und Hotel, Büros sowie Kultur- und Gesundheitseinrichtungen gebaut. Beispielhaft bei diesem Objekt ist, wie sich die Handelsflächen im Erdgeschoss zur Straße hin öffnen. Die fast durchgehende gläserne, zweigeschossige Sockelzone lässt Innen- und Außenraum schon optisch ineinander übergehen.

Der Kunde spürt im Vorbeigehen den Handel und kann mit dem Inhalt der Mall in Dialog treten. Das Shopping Center begreift sich zunehmend als Teil des urbanen Ganzen; die Architektur kommuniziert dieses Selbstverständnis nach außen. Ein gelungenes architektonisches Branding macht jedoch nicht bei der Hülle halt: Es wird die ausgestrahlte Identität tief in den Inhalten der Mall verankern – bis hin zum Leitsystem und der Tiefgarage. Ein gezieltes Branding von Einzelhandelsprojekten kann schließlich auch genutzt werden, um das inhaltliche Potenzial eines Unternehmens strategisch weiterzuentwickeln.

Der Gaumen kauft mit

Dabei spielt die Gastronomie heute eine maßgebliche Rolle – ob es sich nun um die Shopping Mall oder um den modernen Department Store handelt. Das Bekleidungshaus Engelhorn in Mannheim begann beim letzten Total-Umbau, sein Trading-up mit dem Einstieg in die gehobene Gastronomie zu untermauern. Man eröffnete das Spitzenrestaurant „Le Corange“. Als nächstes eröffnete die „Faces Lounge“; im vergangenen Herbst kam mit „Opus V“ ein Gourmetrestaurant hinzu, das die oberste Spitze des exquisiten Sortiments befruchtet. Ein solches gastronomisches Angebot wird dem veränderten Verständnis der Menschen vom Leben in der Stadt und ihren gehobenen Ansprüchen an den Einkauf als befriedigende Erfahrung gerecht.

Dieses Bedürfnis erfüllt auch das Modehaus Garhammer in Waldkirchen heute mehr denn je. Nach der wohl umfangreichsten Um- und Neubauaktion in der 117-jährigen Geschichte des Familienunternehmens durch Blocher Blocher Partners ist vieles anders geworden, schöner, großzügiger. In drei Bauabschnitten wurde die vielschichtige Handelsimmobilie behutsam vergrößert, im Bestand verdichtet – und um einen rund 2500 Quadratmeter großen Neubau erweitert, der über verschiedene gläserne Skyways an den Altbau andockt.

Nun verfügt das Haus auch über diverse gastronomische Angebote, unter anderem über das Gourmetrestaurant „Johanns“. Durch die Verschmelzung von Service, Qualität und gastronomischem Mehrwert wird der Aufenthalt zum nachhaltigen Erlebnis, das alle Sinne anspricht. Und der Name „Garhammer“ lädt sich mit zusätzlichen, positiven Assoziationen auf. Das Projekt steht somit vorbildlich dafür, wie Potenziale voll ausgeschöpft werden können. Durch das umfassende Trading-up ist aus einem ohnehin beliebten Modehaus eine Institution mit Vorbildcharakter geworden.

Digital trifft analog

Die Beispiele Garhammer und Engelhorn zeigen, dass das ungenutzte Potenzial vieler stationärer Einzelhändler sich am besten ergründen lässt, wenn man sich das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden näher ansieht. Oft besteht im Handel noch Nachholbedarf in Sachen Service und Erlebnischarakter. Lange schien es sogar so, als sei die Devise „Der Kunde ist König“ in Vergessenheit geraten; dabei hat der Kunde heute mehr denn je das Zepter in der Hand. Er ist durch das Internet bestens informiert und möchte seine Zeit, die immer wertvoller wird, gewinnbringend investieren. Umso wichtiger ist deswegen für die Händler die Investition in die eigene Marke und ihren Auftritt.

Das Besetzen neuer Vertriebs- und Marketingkanäle bleibt da natürlich nicht außen vor. Die Investition ins Omnichanneling lohnt sich. Weil die Kunden nicht mehr erst den Store betreten müssen, um mit der Marke in Kontakt zu kommen. Heute ist ein Händler von zu Hause aus, von unterwegs und natürlich im Store selbst erreichbar. Folglich hatten Unternehmen nie zuvor so weitreichende Möglichkeiten, mit den Kunden in Dialog zu treten. In den Medien wird schon lange darüber berichtet, aber die Veränderungen werden erst langsam im Alltag sichtbar. Vielleicht, weil das Thema sehr komplex ist und jedes Haus für sich aus dem sehr großen Pool an Möglichkeiten die richtige Zusammensetzung finden muss.

Um die Kunden auf allen Kanälen zu erreichen bedarf es einer langfristigen Strategie, übrigens auch für die Verknüpfung von on- und offline im Store selbst. Der allererste Schritt aus Händlersicht ist es, das eigene Selbstbild mit der Wahrnehmung auf dem Markt zu überlagern. Das kann auch helfen, sich über die eigenen Potenziale bewusst zu werden und zu überlegen, welche Wege der Kundenansprache bzw. welche Kanäle man nutzen will.

Ein Beispiel: das neue Monobrand Konzept für die Naturmode-Marke hessnatur. Das Unternehmen will sich im stationären Handel positionieren, nachdem der Fokus bisher auf dem Versandhandel lag. Die Marke geht den Weg der Vergegenständlichung – und hat damit schon viel aus dem aktuellen Trend, nämlich dem gegenseitigen Geben und Nehmen von On- und Offline, gelernt.

Das sieht man auch im Store selbst, wo das Büro für Monomarkenentwicklung Blocher Blocher Shops eine natürliche und zurückhaltende Aura geschaffen hat, die durch moderne Technik, etwa die Integration von Tablets und Augmented Reality, ergänzt wird. Alles zum Nutzen der anspruchsvollen Kunden, die sich dadurch noch intensiver mit der Nachhaltigkeit der Produkte auseinandersetzen können. So wird auf allen Kanälen mit dem Kunden kommuniziert, die Welt von hessnatur anschaulich und greifbar gemacht.

Wie können sich Händler also den Herausforderungen der medialen Omnipräsenz stellen? Jede Marke, jedes Unternehmen muss seinen individuellen Weg finden – abhängig von der eigenen Zielgruppe, den eigenen Zielen, der eigenen Philosophie. Eines steht aber fest: die physische Präsenz bleibt weiterhin eine gewichtige Variabel der Erfolgsgleichung. Letztendlich sind es alte Werte und neue Stärken, die für den Handel ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

Zur Autorin: Angela Kreutz ist Head of Communication bei Blocher Blocher Partners und als Partner verantwortlich für Markenkommunikation.

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