Interview • 01.01.2012
Automatische Planogramme machen Category Manager nicht überflüssig
Interview mit Udo Preuss, Sales Director DACH, Aldata Category Optimization
Um den Anforderungen an Bedarf, Käuferdemographie und Sortiment in jeder Filiale gerecht zu werden, braucht der Handel heute 500 mal mehr Planogramme als derzeit im Einsatz sind, meint Udo Press von Aldata. Durch die steigende Zahl an Filialen werden folgerichtig immer mehr Planogramme benötigt, für deren manuelle Erstellung selten Ressourcen bereitstehen. Preuss spricht daher von einer Unterversorgung, die Chancen auf Abverkauf schmälert. Er beobachtet ein wachsendes Interesse des Handels an Software zur filialspezifischen Regaloptimierung – nicht nur im LEH.
Wie hat sich der Markt für Regaloptimierung entwickelt?
Europaweit hat Deutschland – gefolgt von Frankreich – die größte Konzentration an Retailern. Der Handel steht dabei heute national wie international vor großen Herausforderungen, auf die er reagieren muss. Die Regaloptimierung ist dabei ein wichtiger Bestandteil, wettbewerbsfähig zu bleiben. Während früher Planogramme noch manuell entworfen wurden, ist der Trend zur automatisierten Planogramm-Erstellung mit der Hilfe von Regalplanungs-Software nicht mehr aufzuhalten.
Die Sortiments- und Produktneueinführungsplanung wird durch die Software merklich erleichtert, und eine filialspezifische Regalplanung erstmals ermöglicht, was auch die Stärkung der Kundenbindung begünstigt. Die Tatsache, dass führende große Unternehmenskunden wie beispielsweise real auch in Deutschland auf automatisierte Planogramm-Erstellung setzen, zeigt deutlich, wohin die Reise geht.
Wie groß ist die Bereitschaft des Handels, sich intelligenten Systemen beim Category Management anzuvertrauen?
Die Bereitschaft des Handels wächst ständig, da auch die Herausforderungen und der Konkurrenzdruck ständig steigen. Wer erfolgreich sein will, muss dafür sorgen, dass seine Kunden möglichst schnell und genau das finden, was sie suchen. Das gilt für herkömmliche Produkte ebenso wie für Schnelldreher und Produktneueinführungen. Gerade durch die Vielzahl an Produktneueinführungen kommt es zu ständigen Sortimentswechseln, auf die der Handel am Point-of-Sale schnell reagieren muss.
Oft gibt es von der Zentrale ein Planogramm, das vor Ort kaum passt. Filialleiter wandeln es ab. Ist das noch immer die Regel?
Das wird immer mehr zu einem Auslaufmodell, da es nicht effizient und nicht mehr zeitgemäß ist. Durch Automatisierung des gesamten Planungsprozesses lassen sich Planogramme in Minuten statt in Tagen erstellen. Nur was genau auf die entsprechende Filiale passt, ist auch im Category Management hilfreich. Vor Ort in der Filiale stehen zudem kaum die Ressourcen zu Verfügung, Planogramme selbst zu ändern oder – wie es früher die Regel war – selbst manuell zu erarbeiten. Der Trend geht also klar in die Richtung von filialspezifischen Planogrammen, die von der Zentrale passgenau automatisch erstellt und vor Ort exakt umgesetzt werden können. Mit der entsprechenden Category-Management-Software ist dies schnell und effizient umsetzbar.
Was muss sich ändern, damit die Handelszentralen und die Filialleiter umdenken?
Dieser Umdenkprozess ist in vollem Gange, wobei einige Unternehmen bereits weiter sind als andere. Der Wettbewerbsdruck beschleunigt diese Entwicklung weiter. Durch die hohe Zahl der Produktinnovationen – gerade die Weihnachtssaison ist dafür ein gutes Beispiel – müssen im Handel Planogramme häufig und schnell aktualisiert werden. Die zeitnahe Kommunikation der Änderungen an jede Filiale ist dabei von besonderem Wert, um Category Management am PoS abverkaufsfördernd umsetzen zu können. Die automatisierte Erstellung von Planogrammen ist das Werkzeug, um die Regalplanung zeit- und ressourcenschonend zu optimieren. Dadurch lassen sich zum Beispiel Kosten, Zeitaufwand sowie Verluste durch Schwund und Verderb reduzieren und zugleich Verfügbarkeit, Service und Kundenbindung verbessern. Die Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel kann ebenfalls maßgeblich verbessert und natürlich auch der Umsatz gesteigert werden. Wer auf Dauer erfolgreich sein will, muss sich mit bedarfsgerechten Sortimenten und filialspezifische Regal-Layouts beschäftigen und deren genaue Umsetzung ermöglichen. Mit Aldata ist eine Steigerung des Abverkaufs um 3 bis 5 Prozent nicht ungewöhnlich.
Wie kommt man zu filialspezifischen Regalplanungen?
Bei der filialspezifischen Regalplanung werden standortindividuelle Faktoren, wie etwa der Flächenplan der Filiale, betriebswirtschaftliche Faktoren, das soziodemographische Umfeld, regionale Produkte und vieles mehr berücksichtigt und im Planogramm entsprechend abgebildet. Im Grunde genommen werden verschiedene Komponenten zur filialspezifischen Regaloptimierung verwendet. Dazu gehören Layout-Planogramme, Regelwerke, Aberkaufsdaten und Informationen über die standortindividuellen Möbel.
Kürzlich hat sich real für Ihre Regal-Software entschieden. Sie ersetzen jetzt Spaceman von Nielsen, ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Was sind die Unterschiede?
Die Entscheidung von real für unsere Lösung hat uns natürlich sehr gefreut. Ein großer Vorteil von „Aldata Space Optimization“ ist die Erstellung automatisierter Planogramme, die für jede Filiale erstellt werden können. Letztendlich geht es um die Verfügbarkeit der Daten, die verarbeitet werden müssen, um eine filialspezifische Planung zu ermöglichen. Stehen diese Daten wie bei real zur Verfügung, ist diese wichtige Voraussetzung erfüllt. Durch den neuen Ansatz der Planogramm-Pflege kann real die Regal- und Sortimentsplanung in allen 317 Filialen, die in ihren Verkaufsflächen von 4.000 bis 15.000 Quadratmetern variieren, optimieren. Mit Aldata können nun für jede Filiale auf Regal- und Produktebene individuelle Platzierungsempfehlungen erstellt werden und man kann auf spezifische regionale Anforderungen und Unterschiede passgenau eingehen.
Neue Software einführen – ganz einfach ist das in der Praxis nicht. Neue Programme ändern oft die Organisation im Unternehmen und genau das macht sie oft so aufwendig. Gilt das auch bei der automatischen Regaloptimierung?
Die Einführung einer Regalplanungslösung – wie jede neue Software – muss natürlich genau geplant und durchgeführt werden. Ebenso ist eine Schulung der Mitarbeiter nötig, damit die Lösung ihr volles Potenzial entfalten kann. Dieser Aufwand ist im Vergleich zum Nutzen aber eher gering, der ROI ist schnell erreicht. Wir errechnen den ROI unter anderem anhand von Bestandsoptimierungen – Vermeidung von out-of-stocks und Überbeständen – sowie dem Umsetzungsgrad der Planogramme.
Machen Planogramme die Category Manager überflüssig?
Nein, das ist definitiv nicht so. Sein Arbeitsfeld verschiebt sich nur weg von der zeitraubenden manuellen Erstellung von Planogrammen hin zu einem automatisierten Prozess und verantwortungsvolleren Tätigkeiten. Ebenfalls fällt der zeitaufwendige manuelle Aufbau eines Test-Regals weg, von dem dann Fotos an die Filialen geschickt werden. Das klingt nicht nur veraltet, es ist oft noch gängige Praxis: Zeitaufwendig und teuer. Hier können wertvolle Ressourcen besser und gewinnbringender eingesetzt werden.
Der Category Manager hat das Fachwissen und die Kompetenz, filialspezifische Regalplanungen und deren ständige Anpassung durchzuführen. Anstatt viele Tage manuell Planogramme zu erstellen, kann nun mehr Zeit in die Analyse der Performance und die Effizienzsteigerung investiert werden. Die Category Manager unserer Kunden berichten von verbesserter Produktivität und höherer Job-Zufriedenheit, da sie aktiv den Abverkauf stärken können und Sortimente aufbauen, die Kundenwünsche besser befriedigen.
Sie arbeiten für Handel und Hersteller. Wie beurteilen Sie die Kooperation der beiden Partner – etwa beim Datenaustausch oder bei der Marktforschung?
Die Kooperation der Partner hängt natürlich vom jeweiligen Einzelfall ab. Der Austausch von Daten und Ergebnissen der Markforschung sind wichtige Faktoren, die auch letztlich in die Regalplanung einzahlen. Da bei der Markteinführung eines neuen Produkts die optimale Platzierung in den Regalen zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren zählt, haben beide Seiten ein hohes Interesse an einem möglichst reibungslosen Ablauf. Daher sind gemeinsam erarbeitete, abverkaufsfördernde Regalplanungskonzepte ebenfalls absolut auf dem Vormarsch.
Wie oft lässt der Handel sich tatsächlich von den Lieferanten das Planogramm erstellen?
Der Trend dazu nimmt zu, da beide Seiten davon profitieren. Ein gutes Beispiel dafür ist Danone Deutschland, die als erster Hersteller automatisierte Planogramme für den Handel mit Hilfe von Aldata selbst erstellt. Das Unternehmen ist damit beispielsweise in der Lage, seinen Handelspartnern gezielt Strategien zur Steigerung des Abverkaufs vorzuschlagen. Ebenso kann Danone wichtige Informationen über das Verhalten der Kunden an den Handel weitergeben. Dies alles trägt zu gestiegenem Abverkauf im Handel bei.
Wie kann ein Hersteller mehr liefern als das Planogramm für einen bestimmten Pilotmarkt. Wie fließen Laufrichtungen, Regal- und Truhengrößen oder Standortfaktoren in die Planung ein?
Grundsätzlich verfolgen wir die Philosophie eines gemeinschaftlichen Prozesses. Dies bedeutet, dass auf beiden Seiten – Händler und Hersteller – alle verfügbaren Informationen zur Verfügung gestellt werden. Der Händler stellt beispielsweise die einzelnen Regalgrößen und der Hersteller Shopper- und Consumer Insights zur Verfügung. Durch diesen ganzheitlichen Ansatz erreicht die Zusammenarbeit zwischen Händlern und Herstellern eine neue Dimension.
Was sind die häufigsten Fehler der Category Manager?
Durch die heutige Komplexität in der kompletten Supply Chain hat der Category Manager viele Dinge zu berücksichtigen. Dazu gehört die Einhaltung von Merchandising-Vorgaben, – zum Beispiel Platzierung nach Käuferentscheidungsbaum –, die Gestaltung des optimalen Sortiments und die Berücksichtigung des optimalen Bestandes. Aufgrund der geringen Ressourcen bleibt da oft wenig Zeit, alle Dinge gleich intensiv zu analysieren und zu berücksichtigen. Daher werden einige Punkte entweder gar nicht oder nur geringfügig berücksichtigt, so dass eine hundertprozentige Umsetzung nur selten bis nie erreicht wird. Durch die Automatisierung übernimmt die Software einige dieser Aufgaben und stellt dem Category Manager verschiedene Szenarien zur Verfügung.
Wenn Software die Regalnutzung optimiert, wird Platz für neue, zusätzliche Produkte geschaffen. Wenn nur noch wenige Dosen, Gläser oder Schachteln einer Marke im Regal stehen, sieht man sie jedoch kaum noch. Wie verhindert man, dass die Verbraucher den Überblick verlieren?
Die Optimierung erfolgt nach mehreren Gesichtspunkten. Eine allgemeine Reduktion der Facings ist dabei eher die Ausnahme. Meist sind die Produkte unterrepräsentiert und laufen Gefahr Out-of-Stock zu laufen. Die Verbraucherorientierung ist darüber hinaus ein wichtiges Merkmal, welches die Software berücksichtigt.
Markenartikler wollen laufend neue Produkte in den Markt drücken. Wie kann man den Platzbedarf im Regal abschätzen, wenn es noch gar keine Verkaufsdaten gibt?
Generell arbeitet man hier mit Prognosen. Abverkäufe vergleichbarer Produkte werden dafür herangezogen. Des Weiteren ist es die qualitative Einschätzung der Category Manager von Industrie und Handel, inwieweit eine Neueinführung im Regal präsentiert werden soll.
Regionale Marken sind eine Unterscheidungsmöglichkeit. Ist die Nachfrage nach Produkten aus der Region unterschiedlich in Deutschland?
Regionale Marken sind generell von hoher Bedeutung für die Verbraucher und sollten daher ein zentraler Faktor bei der Bestands- und Sortimentsplanung sein. Das gilt besonders bei frischen Produkten wie Gemüsen, aber auch bei regionalen Brauereierzeugnissen, die sich starker Beliebtheit erfreuen.
Wie kommen Shopper-Erkenntnisse ins eigene Data Warehouse?
Es gibt dort unterschiedliche Vorgehensweisen. Sinnvoll ist es im Bereich von Sortiments- und Regaloptimierung aber nur, wenn sich die Shopper-Insights auch auf Artikelebene herunterbrechen und speichern lassen.
Lohnt sich automatische Regaloptimierung nur für den LEH?
Die Optimierung von Regalen, gerade wenn sie automatisch durchgeführt wird, lohnt sich immer, ob im LEH oder beispielsweise in der Duft- und Kosmetikbranche. Überall gelten ähnliche Abläufe in Bezug auf Bestands- und Sortimentsplanung und gerade Branchen, die eine hohe Zahl an Produktinnovationen oder saisonalen Angeboten haben, können entscheidend von der automatisierten Planogramm-Erstellung profitieren. Wir stellen gerade in den letzten Monaten eine verstärkte Nachfrage aus dem Non-Food-Bereich fest und gehen davon aus, dass die Unternehmen die sich jetzt dem Thema widmen, über Jahre hinweg einen Wettbewerbsvorteil sichern können.
Interview: René Schellbach, iXtenso.com