Die Konsumenten-Aktivierung: „Die grundsätzlichen Reizkategorien gibt es seit Menschengedenken“

Andrea Gröppel-Klein
Andrea Gröppel-Klein

Eins muss gegeben sein: Was drauf steht, das muss auch drin sein. Daher ist eines der wichtigsten Gebote beim Ladenbau: Authentisch sein. Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten, die jeder Händler bei der Gestaltung seines Points of Sale hat, um bestimmte verkaufsfördernde Reize des Kunden anzusprechen. In dem Sinne ist ein richtig "gereizter" Kunde ein guter Kunde.

iXtenso.com sprach mit Andrea Gröppel-Klein vom Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes. Die Professorin ist spezialisiert auf die Gebiete Konsumentenverhalten und Point-of-Sale-Forschung. Sie gab Auskunft über den Vorteil von Impulsivkäufen, den neuesten Trend in Bereich Ladengestaltung und dass Überraschung gut für den Handel ist.

 

iXtenso.com: Frau Gröppel-Klein, Sie als Expertin auf dem Gebiet des Konsumentenverhaltens, sind Sie eigentlich davor sicher, impulsiv etwas zu kaufen?

Andrea Gröppel-Klein: Nein, das passiert mir genauso wie anderen Leuten. Bei reinen Impulsivkäufen ist der Konsument von etwas spontan einfach hingerissen. Er denkt: „Mein Gott, ist das schön. Das möchte ich haben.“ Wenn das Produkt dann noch in der Preisklasse zu haben ist, die man sich leisten kann, dann schlägt man zu. Eine Studie hat übrigens gezeigt, dass genau diese Produkte oft zu unseren Lieblingsutensilien werden. Wenn die Konsumenten spontan sind, haben sie viel Freude.

iXtenso.com: Wie stellt man als Händler sicher, dass er seine Kunden mit solchen Impulsivkäufen beglücken kann?

Gröppel-Klein: Der Konsument muss aufmerksam auf das Produkt werden, indem es im Schaufenster, auf einem speziellen Ständer oder auf einer tollen Modepuppe präsentiert wird. Es muss einfach ins Auge springen und eine hohe Aktivierung beim Menschen erzielen.

iXtenso.com: Wie wichtig ist die Ladengestaltung, um den Konsumenten zu aktivieren und zu erreichen?

Gröppel-Klein: Sehr wichtig. Da gibt es keinen Zweifel.

iXtenso.com: Welche Tricks oder Regeln sind bei der Ladengestaltung wichtig?

Gröppel-Klein: Es gibt zwei Grundregeln, die zu beachten sind. Zum einen ist das die Orientierungsfreundlichkeit. Nur wenn sich der Konsument am Point of Sale zurechtfindet, wenn er das Gefühl hat, den Durchblick zu haben und der Sache gewachsen zu sein, wird er auch kaufen. Auch wenn er gerne stöbert und sich Zeit lässt, darf ihn die Situation nicht überfordern, sondern er muss genau wissen, wo er sich befindet. Zum anderen muss der Konsument darüber hinaus aber auch emotional angesprochen werden. Er möchte neue Produkte sehen, welche, die zu seinem Lebensstil passen. Der ideale Zustand ist ein Wechsel zwischen Entspannung – entstehend aus einer guten Orientierung - und Spannung – resultierend aus emotionalen Reizen.

iXtenso.com: Gibt es bestimmte Schlüsselreize oder Situationen, die den Menschen anregen, etwas zu kaufen?

Gröppel-Klein: Wir wissen, dass drei Punkte bei der Warenpräsentation besonders wichtig sind. Zum einen müssen emotionale Reize ausgelöst werden. Trägt ein besonders schönes Mannequin ein Produkt, dann erzeugt das Emotionen, bei Männern genauso wie bei Frauen. Das gilt auch für das Kindchenschema „rundes Gesicht, große Augen, weicher Mund“. Musik und Düfte haben einen Einfluss, persönliche Vorlieben spielen eine große Rolle. Zum anderen spielen überraschungsreiche Reize eine große Rolle, auf die wir anspringen, weil wir etwas sehen, das wir nicht erwartet haben. Eine US-amerikanische Firma hat zum Beispiel mal mit Flanellnachthemden, die auf einem Toaster liegen, überrascht. Unten drunter stand der Slogan „Warm as toast“.

iXtenso.com: Und als dritter Punkt?

Gröppel-Klein: Als drittes sind die intensiven Reize zu nennen, die durch intensive Farben, Musik oder Düfte ausgelöst werden. Auch das erzeugt beim Konsumenten eine Aktivierung, allerdings muss man bei dieser Kategorie vorsichtig sein, weil es hier schnell zu einem Boomerang-Effekt kommen kann. Wird ein Duft am POS zum Beispiel als unangenehm oder als zu hoch dosiert empfunden, kann das zu einer Abwehrreaktion beim Konsumenten führen.

iXtenso.com: Ist das, worauf Menschen beim Einkaufen reagieren heute anders als früher, hat das Konsumentenverhalten sich verändert?

Gröppel-Klein: Die grundsätzlichen Reizkategorien gibt es seit Menschengedenken. Aber die Inhalte können sich natürlich verändern. Nehmen Sie das Frauenbild. Vor 30 Jahren hätte ein schönes Bild einer Frau, die Kuchen backt, eine Aktivierung beim Konsumenten ausgelöst, heute wäre es eher eine Frau, die Sport treibt.

iXtenso.com: In welchen Bereichen des Handels spielt die Ladengestaltung eine besonders große Rolle?

Gröppel-Klein: Überall. Die Ladengestaltung spielt immer eine große Rolle. Der Konsument muss sofort wissen, wo er ist, ob er in einem Laden ein hohes oder ein niedriges Preisniveau vorfindet. Die Gestaltung muss genau auf die Positionierung des Händlers angepasst werden – eine Diskrepanz dort wäre für den Händler kontraproduktiv. Im Discounter, Supermarkt oder Do-it-yourself-Markt wird mehr Wert auf die Orientierungsfreundlichkeit gelegt. Im modischen Bereich, für Bücher-, Dekorations- oder Möbelläden muss auch die emotionale Ebene angesprochen werden.

iXtenso.com: Was für einen Trend werden wir als nächstes bei der Ladengestaltung beobachten?

Gröppel-Klein: Es gibt ein neues Thema im Bereich Food. Effizientes Einkaufen spielt eine immer größere Rolle, es handelt sich schließlich um Versorgungseinkäufe. Der Konsument möchte in kurzer Zeit stressfrei einkaufen und kommt mit einem genauen Geld- und Zeitbudget in den Laden. Er erwartet klare Strukturen, die Produkte sollten intuitiv zu finden sein – das wäre der theoretische Idealfall. Effizientes Einkaufen ist das Thema der Zukunft und wird spezielle Leitsysteme und RFID-Chips mit sich bringen genauso wie Einkaufswagen, die Informationen bereit halten, wo genau bestimmte Produkte zu finden sind.

iXtenso.com: Konsumentenverhalten ist sicherlich kulturell abhängig. Denkt der Handel bei der Ladengestaltung auch an den stetig wachsenden Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund?

Gröppel-Klein: Eine Kollegin untersucht den Konsumstil unter türkischen Einwanderfamilien. Sie stellte fest, dass es Läden in Kreuzberg in Berlin und neue Ketten im Bereich des Versandhandels gibt, die muslimische Kleidung, Kopftücher und so weiter anbieten. Es gibt einige türkische Firmen, die in diese Marktnische stoßen. Im deutschen Handel fehlt es häufig noch an Wissen. Allerdings gibt es in großen Kaufhäusern auch oft schon mehrsprachiges Personal, wie es das in den Randgebieten zu Frankreich oder Polen schon seit langem gibt. So langsam tut sich also auch auf diesem Gebiet etwas.

Das Interview führte Wiebke Heiss
iXtenso.com

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