Wenn stationäre Händler ihr Geschäft um einen Online-Shop ausweiten, müssen die Software-Schnittstellen zwischen Online-Shop, Warenwirtschafts- und Logistiksystem optimal funktionieren, um wirtschaftlich rentabel zu sein. iXtenso sprach mit Dr. Georg Wittmann, ibi research an der Universität Regensburg GmbH, über den Nutzen von Standardisierung und die Herausforderungen, denen gerade kleine Händler beim Betrieb eines zusätzlichen Webshops gegenüber stehen.
Dr. Wittmann, wie sehen technische Anforderungen bei der Implementierung eines Online-Shops aus?
Die technischen Anforderungen betreffen zunächst den Online-Shop selbst, aber auch das dahinter stehende Warenwirtschaftssystem. Wichtig ist dabei vor allem der Shop als Aushängeschild des Online-Händlers. Bei seiner Gestaltung müssen die Anforderungen der Kunden im Fokus stehen. Das beinhaltet vor allem die Nutzerfreundlichkeit des Shops, etwa eine intuitive Navigation und eine gute Suchfunktion, aber auch Sicherheitsaspekte.
Darüber hinaus muss die Abbildung der internen Abläufe in die technischen Systeme einwandfrei sichergestellt sein. Die Software muss Möglichkeiten bieten, über Schnittstellen Prozesse wie Versand, Bezahlung oder Retouren effizient und kundenfreundlich abzuwickeln. Für Händler, die parallel ein stationäres Geschäft betreiben, bietet sich ein über alle Vertriebswege integriertes Warenwirtschaftssystem mit gemeinsamer Datenbasis an.
Welche Rolle spielen die Schnittstellen?
Schnittstellen sind für den Datenaustausch zwischen einzelnen Systemen und Prozessen unverzichtbar. Es kann sich anbieten, so weit als möglich standardisierte Schnittstellen zu verwenden. Dies erleichtert die Anbindung an bestehende Shop-Lösungen, aber auch den Wechsel von Partnern; man bewahrt sich dadurch auch ein Höchstmaß an Flexibilität. Nicht immer wird der Einsatz von Standard-Schnittstellen aber möglich sein.
Für den Händler ist nämlich vor allem wichtig, dass die verwendete Software den Prozessen im Unternehmen angepasst ist und nicht umgekehrt. Daher müssen die Schnittstellen oft selbst entwickelt, beziehungsweise programmiert werden. Das bedeutet einerseits natürlich einen höheren Aufwand, stellt aber andererseits auch sicher, dass die Anforderungen des Händlers in vollem Umfang erfüllt sind.
Wie sieht eine Implementierung von passenden IT-Lösungen in bereits bestehende Systeme idealerweise aus?
Idealerweise sollten die Systeme des Händlers aufeinander abgestimmt sein. Sind bislang vor allem Standardlösungen vorhanden, gestaltet sich die Implementierung üblicherweise relativ unproblematisch, denn für diese sind in der Regel auch standardisierte Schnittstellen verfügbar. Andernfalls fällt ein häufig nicht zu unterschätzender Programmieraufwand an. Bei der Entscheidung über die Anschaffung neuer IT-Systeme muss der Händler dies in jedem Fall in seiner Entscheidung mit abwägen.
Probleme gibt es in diesem Kontext häufig, wenn eine alteingesessener stationärer Einzelhändler einen Web-Shop eröffnen will und die alten Systeme, oftmals noch nicht internetfähigen Anwendungen, mit dem Web-Shop verbinden will.
Wie wichtig ist ein gut funktionierendes System aus wirtschaftlicher Sicht?
Für einen Händler sind gut funktionierende, aufeinander abgestimmte Systeme extrem wichtig. Mehr noch als für den Online-Shop, den der Kunde direkt wahrnimmt, gilt dies für das Warenwirtschaftssystem; dieses stellt als Bindeglied für alle Unternehmensprozesse sozusagen die Schaltzentrale eines Händlers dar. Es ermöglicht eine effiziente Prozessabwicklung und trägt damit wesentlich zur Zufriedenheit der Kunden bei, beispielsweise durch schnellere Lieferzeiten oder durch aktuelle Verfügbarkeitsanzeigen.
Problematisch für kleinere Händler hierbei ist, dass es für Kunden heute kaum mehr einen Unterschied macht, ob es sich um einen großen Online-Händler mit eigenem Auslieferungslager handelt oder nur um einen kleinen Händler, der den Web-Shop nebenbei betreibt. Die Erwartungen an Lieferzeit, Warenverfügbarkeit oder den Kundenservice sind annähernd die gleichen.
Welche Rolle spielt der Kostenfaktor bei der der Aktualisierung der Systeme?
Die Kosten sind leider häufig höher als gedacht, natürlich in Abhängigkeit von den Anforderungen und den gewählten Lösungen. Eine Studie von uns ergab zwar, dass rund drei Viertel der kleinen Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 1 Millionen Euro für die Einführung eines Online-Shops weniger als 5.000 Euro investierten. Von den mittleren und großen Unternehmen hatten allerdings 44 Prozent Kosten im fünf-, 26 Prozent gar im sechsstelligen Bereich.
Gerade für diese Unternehmen spielten aber nicht die nötigen Investitionen die Hauptrolle bei der Entscheidung, sondern die leichte Anpassung an nachgelagerte Systeme. Weitere Systeme neu einzuführen, etwa ein Warenwirtschaftssystem, verursacht natürlich über die genannten Zahlen hinausgehende Kosten. Noch gar nicht berücksichtigt sind dabei die Kosten des laufenden Betriebs oder der Schulung der Mitarbeiter.
ibi research bietet das Programm "Web based Training E-Commerce" an. Worum geht es und an wen richtet es sich?
Wir unterstützen seit einigen Jahren Online-Händler und solche, die es werden wollen, mit einem kostenlosen Leitfaden, der auf über 400 Seiten kompakt und in praxisnaher Form wesentliche Fragestellungen des E-Commerce aufgreift und Hilfe bei den gängigsten Problemen bietet, mittlerweile in der dritten Auflage.
Darüber hinaus bieten wir seit diesem Jahr mit dem Programm Web based Training zum Thema „E-Commerce für KMU“ kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit, sich über einen kostenfreien Onlinekurs Basiswissen über unter anderem organisatorische, technische oder rechtliche Herausforderungen des E-Commerce anzueignen.
Das Interview führte Natascha Mörs, Erstveröffentlichung EuroCIS.com