Firmennachricht • 31.07.2008

Novellierte Verpackungsverordnung sorgt für Unruhe: Bund und Länder wollen Abfüller in die Pflicht nehmen

Mannheimer Rechtsexperte: Handel ist Initiator der Abfüllung

Sie sei ein bürokratisches Monster, sagen die einen. Als notwendiges Regelwerk zur Entsorgung von Verkaufsverpackungen bewerten andere die deutsche Verpackungsverordnung (VerpackV), deren fünfte Novelle in diesem Frühjahr verabschiedet wurde. Verbände und Branchenkenner versprechen sich mehr Rechtssicherheit, Transparenz und Wettbewerb. Aber auch die novellierte Verpackungsverordnung lässt Spielraum für Interpretationen, besonders in Fragen der abfallrechtlichen Verantwortlichkeiten zwischen den Beteiligten.

Entgegen manchen Auslegungsansätzen sieht der Mannheimer Rechtsanwalt Professor Kristian Fischer beispielsweise „den Grundsatz der Produktverantwortung der Wirtschaft konkretisiert“, der im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz niedergelegt sei. So verortet er die Lizenzierungspflicht bei Eigenmarken des Handels auf Seiten der Handelsunternehmen, weil diese als „Initiator“ der Abfüllung auftreten und somit als so genannte Erstinverkehrbringer der Verpackung anzusehen seien. „Letztlich kommt es nicht auf den Empfängerhorizont des Endverbrauchers an“, so Fischer in der Zeitschrift für das Abfallrecht (AbfallR), „sondern darauf, wer in tatsächlicher Hinsicht für die Abgabe an den Dritten verantwortlich ist.“ Im Fall von Handelsmarken sei dies das jeweilige Handelsunternehmen.

Auf Unverständnis bei Branchenexperten stößt vor diesem Hintergrund die Absicht der Bundesländer, bei Eigenmarken des Handels und auch bei Industriemarken künftig das beauftragte abfüllende Unternehmen als Erstinverkehrbringer zu definieren, das dann auch für die Lizenzierung bei einem dualen System die Verantwortung tragen würde. Dies ist gegenwärtig Mehrheitsmeinung im Ausschuss für Fragen der Produktverantwortung und der Rücknahmepflicht (APV) der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Abfall (LAGA). Doch diese Absicht stößt auf Widerstand in der Branche: Weil für die gleiche Handelsmarke oft mehrere Abfüller tätig sind, so Kritiker, seien insgesamt weniger Transparenz und ein erhöhter Vollzugsaufwand zu erwarten. Zudem sei für die Lizenzierungspflicht entscheidend, wer den Vertriebsweg steuere. Und weil dies bei Handelsmarken niemand anders als die Handelsunternehmen sein könnten, müsse hier auch die Pflicht zur Lizenzierung liegen. Die LAGA-Vollversammlung wird im September die endgültige Entscheidung treffen. Bleibt es bei der APV-Vorlage, so urteilen die Kritiker, brächten die Länder wieder Unruhe in die haushaltsnahe Sammlung, statt sie zu stabilisieren.

Wichtig ist für Kristian Fischer außerdem die laut Verpackungsverordnung vorgesehene Verpflichtung zur Zusammenarbeit von Herstellern und Vertreibern der Verkaufsverpackungen. Ein solches Kooperationsverhältnis bedeute zwar nicht, dass hieraus ein zivilrechtliches Gesamtschuldverhältnis abgeleitet werden könne. Hersteller und Vertreiber sind jedoch zu Zusammenarbeit und gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet, um so die Erfüllung der Produktverantwortung zu gewährleisten“, schreibt der Branchenexperte.

Einen Mechanismus zur Umsetzung der so genannten kooperativen Produktverantwortung sieht Fischer in der Drittbeauftragung. „Dementsprechend kann sich etwa ein Abfüller des Handels als Erfüllungsgehilfen bedienen.“ Diese Alternative, die auch beim Bundesumweltministerium (BMU)  Zustimmung findet, entlastet die Lieferanten. Und der Handel kann sicherstellen, dass keine so genannten Schwarzfahrer-Verpackungen an Endverbraucher abgegeben würden. Denn dem Handel drohen empfindliche Bußgelder bei fahrlässiger Verbreitung der „Trittbrettfahrer-Verpackungen“. Seine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass Verpackungen, die nicht bei einem der neun in Deutschland zugelassenen dualen Systeme lizenziert wurden, nicht in Umlauf gelangen. „Gerade wegen der Bußgeldbewehrung des Abgabeverbotes bedarf es insoweit einer funktionierenden Absicherung des Handels und wirksamer Kooperationsmechanismen zwischen den beteiligten Wirtschaftskreisen“, fordert Fischer in seiner Analyse.

In der Frage des Anspruchs bei der Lizenzentgeltrückerstattung folgt er der wirtschaftlichen Interessenlage: Die Rückerstattung müsse ganz klar dem Letztvertreiber gewährt werden, weil dieser auf seine Kosten zurücknimmt und verwertet. Würde der Anspruch beim Hersteller liegen, hätte dies eine ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge. „Zusätzlich zu den finanziellen Vorteilen aus der Einpreisung des Lizenzentgeltes könnte er über eine Geltendmachung der Erstattung einen ihm nicht zustehenden Gewinn erzielen. Der Letztvertreiber hingegen hätte einen doppelten Obolus zu leisten: die Mehrkosten der Einspreisung wie auch die Kosten der Verwertung nach der Eigenrücknahme“, so Fischer. Diese fachliche Sichtweise besitzt Sprengkraft: Nach Ansicht vieler Experten folgt daraus, dass der Handel gegenüber seinen Lieferanten den Anspruch hat, die tatsächliche Höhe der Lizenzentgelte zu erfahren, mit denen sie sich an dualen Systemen beteiligen. Lieferanten lassen sich demnach nämlich gerne mal die von ihnen ausgehandelten Rabatte unter den Tisch fallen und rechnen gegenüber dem Handel mit überhöhten Listenpreisen der Duales System Deutschland GmbH ab.

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