Firmennachricht • 15.04.2013

Quotendruck versus Qualitätsjournalismus

Kommentar von Ute Holtmann, EHI Retail Institute

Swetlana Ernst, H&M, und Patrick Kammerer, Coca-Cola, berichten auf dem EHI PR...
Swetlana Ernst, H&M, und Patrick Kammerer, Coca-Cola, berichten auf dem EHI PR Kongress über ihre Erfahrungen mit dem Markencheck.
Quelle: EHI Retail Institute

Früher war alles besser. Auch die Medienarbeit. Es gab gute Sender und schlechte Sender. Die Öffentlich-Rechtlichen gehörten gemeinhin zu den Guten. Ihnen unterstellte man so etwas wie journalistische Ehre, eine fundierte Recherche führte zu einer fairen  Berichterstattung.

Bei so manch anderem Sender nahm man an, dass hohe Zuschauerzahlen – also höhere Werbeeinnahmen – fundierten Inhalten vorzogen wurden.

Mit dieser einfachen Einteilung der Medienwelt ist es längst vorbei. Der Quotendruck ist lange schon kein Privileg der privaten Sender mehr. Prominente Beispiele sind die immer beliebteren sogenannten TV-Verbrauchersendungen. Kaum ein Tag vergeht ohne ARD Markencheck, Markt,  Wiso Duell, ZDF:Zeit usw. Die häufig sehr euphemistisch als Service-Formate beschriebenen Sendungen wollen  aufklären und so ihrem öffentlichen Auftrag gerecht werden.  Der Dienstleistungsanteil ist aber meist eher gering.

So wurden Anfang der Woche im Wiso Duell unsere beiden größten Drogerieketten, dm und Rossmann, unter die Lupe genommen. In der Rubrik Service wurden jeweils drei unterschiedliche Verkäufer/innen mit derselben Frage konfrontiert. Drei einzelne Angestellte von insgesamt Tausenden von Verkäufern/innen einer Drogeriekette entscheiden mit ihren Aussagen, ob die Servicequalität des Unternehmens punktet oder leer ausgeht!

Voreingenommen und unfair verkürzt

Wir haben mit unterschiedlichen ‚Markencheck-Geschädigten‘, wie es Patrick Kammerer, Kommunikationschef von Coca Cola bezeichnet, gesprochen. Alle teilen eine Erfahrung: Die Recherche ist voreingenommen. Es bestehe ein festes, vorgegebenes Format, in das die Redakteure hinein arbeiteten. „Das Drehbuch zur Sendung ist geschrieben, bevor das TV-Team anrückt“, fasst Kammerer zusammen. Die Recherche sei keineswegs ergebnisoffen. In der Berichterstattung werden Halbsätze aus dem Zusammenhang genommen und so an- oder ab-moderiert, dass ein völlig anderer Kontext entsteht. Die Darstellung sei dann unfair verkürzt, einseitig und teilweise falsch, berichtet auch Swetlana Ernst, die bei H&M für ein weiteres  betroffenes  Unternehmen kommuniziert.

Auch Martin Brüning, Kommunikationschef der Rewe, hat sich nach der ‚Markenscheck‘-Erfahrung in einem Handelsblatt-Artikel bitter beschwert. Die Rewe habe die Recherche des ARD-Teams über Monate umfangreich unterstützt und sei mit den Redakteuren auf Plantagen für das Rewe-Label Pro Planet gewesen. „Was daraus beim Markencheck am 7. Januar gemacht wurde, war unsachlich und irreführend“, so sein ernüchterndes Resümee. Die Rewe hat mit einer anschließenden Programmbeschwerde ein eindeutiges Zeichen gesetzt. Diese wurde aber von der WDR-Intendanz zurückgewiesen, wie das PR Magazin berichtet. Noch ist Berufung möglich!

Interessenskonflikt

Sicher, da besteht schon grundsätzlich ein Interessenskonflikt. Der Redakteur braucht Quote und dafür möglichst einen Skandal, wenigstens einen kleinen. Der Pressesprecher wird wiederum dafür bezahlt, dass es keinen Skandal gibt, auch keinen kleinen. Natürlich müssen sich beide Parteien da annähern.

Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, bei dem kein Haar in der Suppe zu finden ist. Wichtig ist allerdings, dass man daran arbeitet, die Systeme besser zu machen. Das ist keine leichte Aufgabe bei globalen Lieferketten mit unterschiedlichen nationalen Bedingungen. Schwachstellen sollte man nicht zu verschleiern versuchen, vielmehr zeigen, dass man daran arbeitet, sie zu beseitigen.

Redakteure hingegen könnten den Servicegedanken tatsächlich  in den Vordergrund stellen. Wenn  sie ihren Blickwinkel erweitern würden und alle Aspekte, also die negativen und positiven, ausgewogen darstellen würden, hätte der Zuschauer einen tatsächlichen Mehrwert – nämlich eine Basis für die eigene Beurteilung. Aber solange ‚Bad news is good news‘ die Maxime der journalistischen Arbeit darstellt, wird eine Annäherung schwerfallen.

Was bleibt: Der Kunde kann letztlich nur noch schwer zwischen wirklichen und vermeintlichen Skandalen unterscheiden. Er ist inzwischen auch abgestumpft angesichts der Häufigkeit an mehr oder weniger interessanten Meldungen. Unternehmen vertrauen außerdem darauf, dass ihre Kunden sehr wohl eigenverantwortlich entscheiden können, welchen Medieninhalten sie Glauben schenken, und dass sich deren Urteil aus vielen Quellen speist. Und das ist wahrscheinlich genau die richtige Einstellung in Bezug auf die Medienflut. Umso wichtiger ist vertrauensbildende Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen.

Zum Schluss noch ein Wort der Einordnung. Ich schätze die Pressefreiheit als eine der größten Errungenschaften unserer Demokratie. Und natürlich gibt es auch fairen Journalismus in unserem Land. Aber die beschriebenen Phänomene zeigen, wie Berichterstattung unter Quotendruck das Vertrauen in angeblich seriöse Medien auf Dauer untergräbt. Bei den betroffenen Unternehmen sowieso.

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