Bericht • 09.01.2015
Videoüberwachung im Handel: Wenn's Recht ist
Langfinger und Transportschäden an Waren kosten den Handel jährlich mehrere Milliarden Euro. Deshalb nutzen Händler zunehmend digitale Videoüberwachungssysteme, um den Übeltätern auf die Schliche zu kommen. Damit sie im Falle eines Diebstahls rechtlich auf der sicheren Seite sind, müssen Nutzer allerdings einige Aspekte bei der Anbringung der Kameras und der Qualität der Bilder beachten.
Beinah vier Milliarden Euro Verluste jährlich erleiden deutsche Händler allein durch Diebstahl laut einer aktuellen Studie des EHI im Auftrag von Axis Communications. Zudem kommt bislang ein immenser Kostenfaktor zustande, wenn Waren innerhalb der Transportkette zu Schaden kommen und deshalb Reklamationsansprüche seitens des Käufers entstehen, die der Händler tragen muss. Ganze Paletten von Waren müssen erstattet werden, obwohl sie beim Abtransport noch intakt waren.
In beiden Bereichen können dank fortschreitender Digitalisierung der Videoüberwachung Schäden deutlich begrenzt werden. Denn im Gegensatz zu analogen Systemen können digitale Bilddaten der modernen Systeme in vielfacher Hinsicht kombiniert und analysiert werden. Noch dazu sehen Händler den Vorteil, dass sie auch aus der Ferne über IP-Verbindungen und mobil auf ihre Daten zurückgreifen können. Das macht die Überwachung im Ganzen flexibler und nutzerfreundlicher. So hat derzeit bereits ein Viertel der Händler ihre analogen Anlagen durch digitale ersetzt.
Rechtlich auf der sicheren Seite
Händler, die ihren Shop und andere Areale mit Videokameras überwachen lassen wollen, sollten sich mit dem Paragrafen 6b des Bundesdatenschutzgesetzes auskennen, der häufig als Rechtsgrundlage der Videoüberwachung dient. Darin geht es um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Vorschrift besagt, dass die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume nur rechtens ist, wenn das Hausrecht oder die Interessen für konkret festgelegte Zwecke des Händlers überwiegen. Die Auslegung der Vorschrift ist teilweise recht schwammig, bietet aber zumindest eine Richtung in einem ziemlich empfindlichen Grenzbereich.
So kann es beispielsweise sein, dass die Aufzeichnung im Kassen- und Warenbereich zulässig ist, weil dort die Gefahr von Diebstählen und damit die Verletzung von Eigentumsrechten besonders hoch ist. Das Filmen von Gästen im Sitzbereich kann in die Persönlichkeitsrechte eingreifen und ist nicht verhältnismäßig zum Nutzen des Betreibers. Bereiche, die überwacht werden, müssen schon beim Betreten eines Ladens durch Schilder deutlich kenntlich gemacht werden. Einige Händler nutzen diese Hinweise nicht nur, um die Kunden über die Aufnahmen aufzuklären, sondern auch, um vermeintliche Diebe abzuschrecken - mit Erfolg.
Neben dem Persönlichkeitsrecht der Kunden muss auch das der Angestellten beachtet werden. Aufenthaltsräume und Umkleidezonen sind natürlich tabu. Auch an Parkplätze angrenzende öffentliche Straßen oder Gebäude dürfen nicht gefilmt werden. Was noch vor einiger Zeit zum Ausschluss für die Verwendung von Kameras führte, weil eine mechanische Abdeckung der Bereiche nicht funktionierte, kann heute dank neuer Softwarefunktionen umgesetzt werden.
Beim sogenannten "Privacy Masking" werden schon während der Aufnahme "Private Zones" ausgeschlossen, die nicht aufs Bild dürfen. Die Masken können sowohl in Größe, Position und Farbe im Bildbereich angepasst werden. Sie werden über DSP-Technologie eingerichtet, die unabhängig von der Uhrzeit in Live- und Speicherbildern ein- und ausgeblendet werden. All dies findet vollautomatisch statt.
"Als Systemhaus, das für die Planung und Installation der Videoanlagen zuständig ist, müssen wir unsere Kunden über die rechtlichen Gegebenheiten aufklären", erklärt Edmund Johanns vom Systemhaus Johanns, "wir sind allerdings keine Juristen." Neben den recht einleuchtenden Einschränkungen der Videoaufnahmen gibt es jedoch ab und zu Diskussionen, wo gefilmt werden darf und wo nicht. Hier schaltet sich, wenn vorhanden, der Betriebsrat ein. Endet diese Diskussion in einer Endlosschleife, kann es hilfreich sein, einen neutralen Datenschutzbeauftragten zurate zu ziehen, der dann für die Auslegung des Paragrafen 6b zuständig ist. Johanns erinnert sich: "Wir hatten bereits Fälle, in denen wir einen Datenschutzbeauftragten vermittelt haben, der dann im betreffenden Unternehmen die Lage klären konnte."
Im Falle eines Falles
Vorhandenes Videomaterial kann, wenn es zu einem Rechtstreit bei einem Diebstahl kommt, dann genutzt werden, wenn Details darauf genau erkennbar sind. "Die Auflösung des Bildes sollte im Idealfall 500 Pixel pro Meter betragen. So können auch einzelne Bereiche extrem vergrößert werden. Aber oft reichen schon 250 Pixel pro Meter, um beispielsweise eine Person gut identifizieren zu können", beschreibt Johanns.
Im Bereich Logistik können Aufnahmen mit guter Bildqualität nachweisen, dass Waren beim verladen intakt sind. Kommt Ware dann defekt beim Kunden an, ist der Händler in der Lage, das Transportunternehmen für den Schaden zur Verantwortung zu ziehen.
Weil sich derartige Rechtsprozesse auch schon einmal über Monate hinziehen können, neigen Qualitätsmanager nach Johanns Erfahrung dazu, Videoaufnahmen bis zu 90 Tagen zu speichern. Das ist zwar ein enormes Datenaufkommen, spart aber im Idealfall derart viele Kosten, dass sich sowohl der Aufwand als auch die Investition für die Videoanlage mehr als bezahlt machen.
Und so bauen Retailer ihre Überwachung durch Videotechnologie weiter aus. Das Marktforschungsinstitut IMS Research prognostiziert, dass die weltweiten Umsätze im Bereich digitaler Videoüberwachung bis 2016 im Schnitt um 25 Prozent jährlich steigen werden.
Natascha Mörs, iXtenso.com
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