Personalisierung, auch Customizing genannt, ist ein Trendthema im Einzelhandel für das Jahr 2018. Einzelhändler stellen vermehrt die Kundenwünsche in den Mittelpunkt, denn Verbraucher erwarten immer häufiger ein auf sie zugeschnittenes Einkaufserlebnis; sei es online oder offline. Doch was bedeutet Personalisierung überhaupt?
Verkäufer, die ihren Kunden mit Namen begrüßten und schon beim ersten Blick wussten, welche Hosengröße dieser trägt, gibt es kaum noch. Dennoch besinnt sich der Einzelhandel wieder auf alte Tugenden, um sich erfolgreich vom Wettbewerb abzuheben. Hierfür verfolgt die Branche einen datengetriebenen Weg.
Fast alles ist personalisierbar
Personalisierung ist nicht nur ein entsprechend zugeschnittenes Angebot, sondern auch die individuelle Beratung, die ein Kunde im Rahmen der Customer Journey erfährt. Online-Händler bieten hier immer mehr Beratungsservices an, die eigentlich zur Domäne des klassischen Einzelhandels gehören. Da wären beispielsweise Modomoto, Outfittery oder Kisura, die auf Curated Shopping setzen und ihren Kunden komplette Outfits anbieten. Lösungen wie mifitto oder FitAnalytics beraten Online-Shopper bei der Kleider- und Schuhgröße. Basis dafür sind Retourdaten, persönliche Maßangaben oder Daten aus 3D-Scans, die mithilfe einer App ermittelt werden. Metail hat hingegen eine Lösung entwickelt, die es Kunden ermöglicht, ausgewählte Kleidungsstücke oder komplette Outfits durch einen virtuellen Avatar direkt im Online-Shop anzuprobieren. Das „Model“ kann im Detail an das Erscheinungsbild des Kunden angepasst werden.
Zum Personalisierungs-Trend gehört auch, dass der Kunde Produkte eigenständig kreieren und bis ins kleinste Detail individualisieren kann: „Drei von vier Konsumenten haben schon einmal individualisierte Produkte gekauft oder können sich dies gut vorstellen. Etwa 40 Prozent der Konsumenten würden dafür auch etwas mehr bezahlen“, erklärt Oliver Brimmers, Senior Projektmanager am IFH Köln. „Einzelhändler und Markenhersteller haben hierbei nicht nur die Möglichkeit, Kunden neu zu gewinnen, sondern auch die Kundenbindung zu stärken.“ Bekannt wurde dieser Trend in Deutschland vor allem durch MyMüsli, Coca Cola oder Nutella. Eine ganz neue Dimension der Personalisierung hat hingegen der Sportartikelhersteller Nike mit dem Nike-By-You-Studio in New York geschaffen. Hier können Kunden vor Ort auf Basis eines bestimmten Schuhmodells und mit Hilfe von Augmented Reality, Projektionen und Objekterkennung ihren eigenen Schuh gestalten.
Ohne Daten keine Personalisierung
Geht es um die Sammlung und Auswertung von Kundendaten, kann der stationäre Einzelhandel bekanntermaßen noch viel vom Online-Handel lernen: Damit Produkte online kundenspezifisch ausgespielt werden, analysieren Algorithmen – so beispielsweise bei Zalando oder About You – das Einkaufsverhalten der Online-Shopper. Dieser kann zudem durch die Angaben von Lieblingsmarken oder Trends die Auswahl verfeinern und kreiert somit seine eigene individuelle Startseite, sofern er eingeloggt ist. Eine personalisierte Ansprache bietet dem Kunden dann nicht nur einen Mehrwert, indem für ihn relevante Inhalte gezeigt werden, sondern sie vereinfacht auch, neue Produkte kennenzulernen.
Perspektivisch wird die künstliche Intelligenz hier eine zentrale Rolle einnehmen. Um gegen Amazon und andere Wettbewerber zu bestehen, werden Händler KI-basierte Produktempfehlungen, personalisierte Produktseiten und mehr nutzen. Bereits jetzt setzen über 600 Markenseiten weltweit Machine-Learning ein, um Bewertungsanzeigen zu verbessern.
Im Vergleich zum Online-Shop gleicht das stationäre Geschäft immer noch einer „Black Box“. Deshalb bemühen sich Händler, ihre Geschäfte mit Instore-Analytics-Lösungen aufzurüsten. Denn nur wer seine Kunden genau kennt, kann personalisierte Angebote entwickeln und die eigene Relevanz für den Kunden steigern. Digitale Werbebotschaften, die über Push-Nachrichten an die Smartphones der Kunden gesendet werden, können so in Echtzeit personalisiert werden. Beacons und Videotechnik machen es möglich. Voraussetzung ist die Nutzung der entsprechenden Händler-App.
Des Weiteren sollten Mitarbeiter mit entsprechenden mPOS-Lösungen wie Tablets ausgestattet sein, um Kundendaten im Gespräch online wie offline zusammenführen zu können. „Der stationäre Verkäufer muss einen Wissensvorsprung haben. Der Berater muss im besten Fall schon beim Betreten des Geschäftes wissen, wer der Kunde ist, welche Kaufhistorie er hat und kann daraufhin persönlich anknüpfend beraten“, so Brimmers.
Personalisierung durch Omnichannel-Vernetzung
Im Rahmen von Personalisierungsmaßnahmen sollte Einzelhändlern eines klar sein: Der Kanal ist zweitrangig. Galt Showrooming unter Händlern jahrelang als verpönt, eröffnen sich nun neue Optionen. Brimmers stellt richtig: „Wir können mittlerweile sagen, dass sich das Blatt gewendet hat. Showrooming ist kaum noch ein stationäres Phänomen. Der Kunde informiert sich online und sucht dann den stationären Handel auf, um sich persönlich vom Produkt zu überzeugen. Hier müssen Händler den Kunden nur noch abholen.“
Showrooming könne laut Brimmers aber auch stationär effektiv eingesetzt werden, nämlich im Rahmen einer guten Crosschannel-Strategie. Wer im Store eine Jeans anprobiere, diese aber lieber in einer nicht im Store vorrätigen Farbe haben möchte, müsse diese direkt online im Store bestellen können. Wichtig sei hier, dass der Verkäufer assistierend unter die Arme greife. Denn kaum ein Kunde setze sich nach einem enttäuschenden Shoppingerlebnis zu Hause noch einmal hin, um das Objekt seiner Begierde beim selben Anbieter online zu recherchieren.
Solch ein Konzept muss vom Unternehmen wie auch den Mitarbeitern gelebt und verstanden werden. Wenn die Kanäle nahtlos miteinander verknüpft seien, könne es dem Unternehmen letztlich egal sein, wo der Kunde das Produkt kauft.
Das Modehaus Breuninger mache hier bereits Vieles richtig. Das Unternehmen habe frühzeitig erkannt, dass man mit Personalisierung, einer guten Kundenkarte, Personal Shopper, digitalen Instore-Lösungen oder auch individuell gestalteten Paketen ein Kundenerlebnis schafft. Die Verknüpfung zwischen Onlineshop, stationärem Geschäft und der Marke werde in allen Kanälen gleich gut transportiert. Brimmers resümiert: „Ich glaube, dass ein Händler dann erfolgreich ist, wenn er verstanden hat, welcher Händler er sein und welche Zielgruppe er ansprechen möchte. Die Customer Journey ist komplexer geworden. Der Kunde muss genau dort abgeholt werden, wo er sich gerade aufhält, egal ob online oder offline. Nur so können mit Personalisierungsmaßnahmen die Konversionsraten verbessert, Mehrumsätze erzielen und Kunden an das Unternehmen oder eine Marke gebunden werden.“