Immer mehr veraltete, nicht mehr funktionierende Shopping-Malls müssen neu inszeniert werden. So auch das ehemalige Marstall-Center mitten in Ludwigsburg. Mit neuem Konzept und Design soll der ehemals unansehnliche Kasten ab Ende September Kunden wieder Lust aufs Shoppen machen.
Ein fürchterlicher grauer Klotz vor einer noch fürchterlicheren Hochhausfassade - so sah das ehemalige Marstall-Center in Ludwigsburg bis vor kurzem aus. Immer weniger Mieter, immer weniger Kunden und ein Image, das mit Begriffen wie „Bausünde“ und „Schandfleck“ behaftet war. Das soll sich nun ändern. Der Shopping-Center-Betreiber ECE übernahm das Gebäude vor drei Jahren, entmietete es und begann mit der Umbauplanung.
Dazu musste ein völlig neues Konzept her. Deshalb holte die ECE sich die Designagentur Schwitzke Graphics ins Boot, die damit beauftragt wurde, die visuelle Sprache - vom Logo über die durchlaufende Motivik, bis hin zur Entwicklung der Shopping-Mall als Marke zu entwickeln. Praktisch für die ECE: Die Schwesterfirma von Graphics - Schwitzke & Partner - übernahm die Planung der Innenarchitektur. "Unsere Ideen und Designs konnten wir so von Beginn aus einer Hand liefern", berichtet Markus Schwitzke, geschäftsführender Gesellschafter von Schwitzke Graphics.
Das Konzept soll sich abgrenzen von Centern im Umfeld: dem Breuninger Land und der Wilhelmsgalerie. Der Diplom-Designer kam zu dem Ergebnis: „Was die anderen beispielsweise nicht haben ist ein vernünftiger Foodcourt oder die Verbindung zwischen Innen- und Außenbereich. Es musste also ein attraktives Gastronomieangebot her. Bei sonnigem Wetter möchte ich nicht im Shoppingcenter sitzen, sondern draußen. Dann gehe ich vielleicht nochmal rein, um einzukaufen.“ Auch soll sich das Konzept mit der Fußgängerzone gegenseitig befruchten und sich nicht kannibalisieren. Als Zielgruppe sind besonders diejenigen angepeilt, die Zeit haben zum Schlendern. „Wir wollen nicht die Billigmarke sein, sondern ein sympathisches, offenes Konzept zeigen, dass keine Barrieren aufbaut", sagt Schwitzke.
Orte zum Verweilen
Grundlage für das Facelifting waren zunächst einmal größere Umbauten durch die ECE: Rolltreppen wurden eingebaut und neue Lichthöfe geschaffen. Ein Architekturbüro aus Köln entwickelte die Fassadengestaltung, durch die sich nun der Treppenbereich - der gleichzeitig als Sitzbereich dient - ins Gebäude fortführt. Weiter oben beginnt der Foodcourt, von dem aus man auf die Terrasse gelangt. "Das ist eine der Flächen, die geschaffen wurden, damit sich unterschiedliche Zielgruppen wohl fühlen. Wir versuchen den Betreibern außerdem zu vermitteln, dass die Mischung aus Fashion und Food wichtig ist – für den Kaffee zwischendurch. Diese Lösungen sind zwar teurer als ein einzelner Foodcourt aber auch wesentlich attraktiver für den Besucher", ergänzt Markus Schwitzke mit einem Augenzwinkern.
Die Kutsche parkt schon
Neben baulichen Veränderungen stand für ihn besonders ein Punkt im Vordergrund: Der Mall ein eigenes Gesicht, eine eigene Geschichte zu geben, um das Gebäude einzigartig zu machen. "Wir haben dazu versucht, den Standort und seine Besonderheiten zu verstehen. Ludwigsburg hat einen wunderschönen Stadtkern mit vielen Cafés. Das größte Barockschloss nach Versailles liegt vier Minuten vom Center entfernt. Noch heute finden hier viele historische Umzüge statt. Außerdem gab es einen Pferdemarkt und ein
historisches Reitgebäude, der Marstall, wo Kutschen und Reitbedarf untergebracht waren. Das allein hat schon eine reiche Sprache“, beschreibt der 40-Jährige mit echter Begeisterung.
Die Historie des Standorts wurde zum Herz der neuen Motivik. "Die Elemente zum Thema Pferd kehren überall wieder“, veranschaulicht er. „Außerdem haben wir herausgefunden, dass dieser Bezug zum Thema Pferde durchaus fashionrelevant ist. Von Cavalli bis Hilfiger taucht das Motiv immer wieder auf."
Die Gestaltung zieht sich durch bis ins Parkhaus, wo Kutschen angedeutet werden, die dort parken. Von den Fliesen, über Pferdefiguren bis hin zu Steigbügeln an den Kronleuchtern – kleine Elemente kehren immer wieder. Die riesigen Holztüren, die zum unteren Innenraum führen, Handläufe aus Echtholz und Schwarzstahl mit Nieten vermitteln zusätzliche Stallatmosphäre. Jockeytrikots inspirierten das Designteam zu freundlichen Farben – helles Grün und Gelb stechen dabei verspielt aber nicht übertrieben ins Auge. „In manchen Bereichen ist die Gestaltung etwas intensiver, in anderen schwächer, je nachdem, wie stark das eigene Design der Mieter ist“, so Schwitzke.
Storytelling – Das Shoppingcenter zur Marke machen
Das Gebäude mit einem roten Faden zu durchziehen, hat nicht bloß optische Gründe. Die Geschichte, die sie vermittelt und der damit verbundene Erinnerungswert ist das, worauf Schwitzkes Arbeit abzielt. Storytelling ist das Stichwort.
Ursprünglich gerade im Bereich der Markenentwicklung bekannt, ist das Prinzip des „Geschichtenerzählens“ komplett übertragbar auf die Entwicklung eines Shopping-Mall-Konzeptes. „Sobald etwas eine Geschichte hat, ist es für den Kunden interessanter. Für ein Möbelstück etwa, das mit einer ausführlichen Beschreibung versehen ist, geben Kunden viel eher Geld aus als für eines ohne eigenes Gesicht. Wie beispielsweise bei Manufactum – das sind eigentlich Möbel, die meine Oma gekauft hätte. Dort macht man sich aber die Mühe und beschreibt das Produkt, das seit 200 Jahren so dort im Familienbetrieb fair produziert wird. Das macht die Marke wirklich aus. Und genau diesen Mehrwert kann ich auch einem Shop und einer Mall geben.“ Das zeigen vor allem Shopping-Center im Ausland.
Deutsche Shopping-Center hinken hinterher
„Vergleichen Sie einmal die Malls im Ausland mit vielen hier in Deutschland. Weiße Wände, kaum attraktive Anziehungspunkte. Da bleibt nichts hängen“, kritisiert Schwitzke und zieht Vergleiche mit der Dubai Mall, in deren Umfeld er fünf Jahre lang gelebt hat, um dort den Standort für Schwitzke aufzubauen. „In Deutschland bedeutet Einkaufen eher, den täglichen Bedarf zu decken. In Dubai dagegen findet in der Mall alles statt. Da wird gefrühstückt, der Arzt besucht, mittags geht es zum Businesslunch und abends kann man feiern. Und wenn ich gerade da bin, kann ich auch eben noch etwas einkaufen. Ich bin damals zum Einkaufen nur einmal in der Woche in der Mall gewesen. Aber für andere Dinge zigmal.“
Allmählich rücke diese Einsicht auch in Deutschland ins Bewusstsein der Vermieter und Händler. Der schwierigste Punkt sei eigentlich, die Leasing-Abteilung davon zu überzeugen, dass ein eigenes Konzept nicht zu teuer ist.
"Shopping-Mall-Betreiber müssen ein attraktives Angebot schaffen – zur Marke werden, die sowohl die Mieter als auch die Kunden anzieht. Sie müssen Atmosphäre, Vielfalt und ein spannendes Mieterangebot schaffen – von Kleinigkeiten hin bis zu ‚Ich gönne mir mal was‘. Ein gutes gastronomisches Angebot und regionale Angebote sollten hinzukommen. Kurz gesagt: Ich muss Räumlichkeiten schaffen, die der Kunde gerne wieder besucht.“
Ludwigsburger, die das Center noch aus früheren Tagen kennen, sind noch skeptisch: „Ein schlecht laufendes Center soll in ein gut laufendes verwandelt werden? Na, wir sind mal gespannt.“ Wie das Konzept schließlich aufgehen wird, wird sich Ende September zeigen: Dann öffnet der Stall seine Pforten. Hals und Beinbruch!
Ein Blick hinter die Kulisse:
"Digitale Elemente im Shop sind wichtig aber maßlos überschätzt"
Nachdem Markus Schwitzke das Designkonzept für den Marstall erläutert hat, gibt er uns beim Gespräch im sonnigen Hinterhof der Schwitzke Gruppe in Düsseldorf noch weitere Einblicke in Entscheidungen zum Design, die Würze des Details und den Hype der Digitalisierung im Shop.
Herr Schwitzke, wie schaffen Sie bei Schwitzke Graphics es bei einem so umfangreichen Projekt wie dem
Marstall – mit 25.700 qm Verkaufsfläche, den Überblick über die Planung des Designs zu behalten?Wir haben Listen entwickelt, die wir abarbeiten können. Darin ist jede Fläche definiert, die systematisch vom Kunden freigegeben und dann bespielt werden kann – so kann bis hin zum Bauleiter jeder nachvollziehen, was gerade geschieht.
Es gibt so viele Beteiligte, die ihre Meinung zum richtigen Design haben – Mall-Betreiber, die Leasing-Abteilung, die Mieter und Kunden und natürlich Sie selbst als Designverantwortlicher. Wie kriegt man die unter einen Hut?
Das ist ein Prozess, den man steuern muss. Es sind keine Präsentationen, die wir führen, sondern Arbeitsgespräche – der Mall-Betreiber muss sich auch selbst einbringen. Auch er hat Sehgewohnheiten und kommerzielle Anliegen, die man berücksichtigen muss. Auch wenn wir es selbst zunächst aus gestalterischer Sicht anders wahrnehmen.
Als Gestalter ist man häufig noch künstlerisch verfangen. Wenn man diesen Weg aber intensiv zusammen macht, ist das Risiko gering, dass man komplett danebenliegt. Sind wir unterschiedlicher Meinung, schaffen wir es aber nach zwei oder drei Treffen doch noch, die Sache zu drehen. Der Vorteil in unserem Bereich ist, dass wir nicht auf rein persönlicher Ebene argumentieren, sondern aus kommerzieller Sicht. Wir können argumentieren, was Trends sind.
Wo finden Sie diese?
Wir sehen uns an, was beispielsweise im innovativen Bereich der Gastronomie oder Hotellerie und im Lebensmittelbereich passiert. Diese Beispiele können wir auch dem Kunden zeigen. Dann sind wir relativ schnell auf einer Wellenlänge.
Die Bedeutung von Details im Design hat sich stark verändert. Gerade in Bezug auf das Storytelling.
Das stimmt. Früher sagte man: "Streich die Wand beige". Jetzt muss man – gerade im Modebereich – alles einbeziehen, vom Merchandising über Warenbilder bis zu den Dekoelementen. Alle Elemente spielen dann eine Rolle und wir fragen uns bei jedem einzelnen, welche Bedeutung das dort hat.
Nun weiß ich, wie Sie sich mit Ihren Kunden auf ein Design einigen – Wie schaffen Sie das in Ihrem Team?
Aus der Analyse und Recherche heraus werden Designansätze entworfen, über die wir uns im Team austauschen und letztendlich zu starken Bildern verdichten. Wir entwickeln unsere Konzepte dabei immer aus Kundensicht und passen sie an die jeweilige Zielgruppe an.
Welche Rolle spielen digitale Elemente im Shop für Sie?
Digitale Elemente im Shop sind wichtig, ich glaube aber, dass das Thema gerade maßlos überschätzt wird. Viele glauben, dass sie Technik in ihrem Laden abbilden müssen. Und das Leute sich in ihrem Shop in irgendwelchen Screens bewegen wollen und da Produkte kaufen. Das kann ich alles zu Hause machen. Vielmehr geht es im stationären Handel darum, Identifikationsorte zu schaffen, an dem ich mich mit Gleichgesinnten treffe und mit der Marke identifiziere.
Ich denke vor allem, dass die persönliche Beratung stimmen muss, so dass der Kunde nicht den Eindruck gewinnt, der Verkäufer muss das und das verkaufen. Händler, die alles über ihr Produkt, dessen Verfügbarkeit und über ihren Kunden wissen, sind klar im Vorteil – sonst nützt die ganze Digitalisierung nichts.
Autor: Natascha Mörs; iXtenso.com