Prospekte und Beilagen erfreuen sich großer Beliebtheit - bei Unternehmen und Kunden. Aber die Digitalisierung macht auch vor Haushaltwerbung nicht Halt. Gefragt seien deshalb crossmediale Kampagnen, sagt Markus Engel, Vorstand der Engel AG.
Vor welchen Herausforderungen steht die Haushaltwerbung angesichts der Digitalisierung?
Das Medium Haushaltwerbung muss es schaffen, seine starke Wirkung zu behalten. Die digitalen Medien können das noch nicht liefern, im Moment. Geomarketing ist angesagt und kann Streuverluste minimieren, was für ganz spezielle Werbetreibende wichtig ist. Der klassische LEH setzt nach wie vor auf Masse, der hat keine Sorge wegen Streuverlusten. Das ist möglich, weil es hohe Druckkapazitäten im Markt gibt und in der Folge sehr niedrige Druckpreise. Überspitzt dargestellt ist es egal, ob man mehr oder weniger drucken lässt. Das führt zu vollen Briefkästen bei Verbrauchern, die die Wirkung der einzelnen Prospekte minimieren. Zudem steigt dadurch die Zahl der Werbeverweigerer.
Die Digitalisierung und das veränderte Mediennutzungsverhalten zwingen dazu, crossmediale Konzepte zu entwerfen. Das ist auch im Kommen, d.h. Haushaltwerbung und Online müssen zusammenspielen. Ein Prospekt im Briefkasten, ein Banner auf der Website und ein Display im E-Mail-Account – so muss das laufen. Das Problem ist, dass bei unseren Auftraggebern die Etats unterschiedlich aufgeteilt werden , oft wissen die Verantwortlichen für klassisches Below-the-line und für Online-Marketing nicht, was der jeweils andere gerade plant und welche Kampagnen er startet.
Dazu kommt, dass die Budgets für die klassische Werbung kontinuierlich verkleinert werden. Noch gehen knapp unter 50 Prozent in den Prospekt, vor vier Jahren war es noch deutlich mehr: In den vergangenen Jahren gab es, auch wegen des BDSG, einen Anstieg bei nicht- oder teiladressierter Werbung, das hat die Rückgänge abgemildert. Aber auch das wird sinken, während Online-marketing wächst. Dennoch bleibt der Prospekt auf absehbare Zeit das meistgenutzte Medium, aber nicht auf dem hohen Niveau von heute.
Hat die Anzahl der sogenannten Werbeverweigerer in den zurückliegenden Jahren zugenommen oder hat sich da nichts verändert? Sind Werbeverweigerer ein Problem für die Haushaltwerbung?
Ja, die Zahl hat zugenommen. Seit „Einkauf aktuell“ auf dem Markt ist, geht die Zahl pro Jahr um etwa 0,5 Prozent nach oben. Im Moment haben wir bundesweit im Mittel rund 23 Prozent. Das ist viel, aber in der Schweiz liegt die Zahl bei weit über 50 Prozent, trotzdem wird dort Haushaltwerbung noch genutzt. Wichtig ist: Der Werbeverweigerer ist kein Konsumverweigerer, er will nur keine massenhafte Papierwerbung im Briefkasten. On der Regel handelt es sich eher um gut situierte, kaufkräftige Menschen, die an Prospekten von Discountern nicht interessiert sind. Eine Broschüre von Jaguar würden sie aber gern lesen, egal, ob sie einen Aufkleber am Briefkasten haben oder nicht. Es geht darum, diese Menschen auf anderem Wege zu erreichen. Hier spielt adressierte Werbung eine Rolle.
Massenhafte Prospektverteilung ist das eine. Unternehmen suchen aber ja heute die enge 1:1-Beziehung zu Kunden. Welche Rolle spielt die Personalisierung in der Haushaltwerbung?
Marketingverantwortliche im Handel fordern zunehmend eine Personalisierung, es geht um mehr Individualisierung in der Haushaltwerbung. Das ist nicht ganz leicht umzusetzen. Wir haben zum Beispiel ein neues Produkt entwickelt namens "Haushalt Digital". Damit können die Inhalte des Prospektes auf einer mobilen Website angezeigt werden – und von jedem Smartphone aus genutzt werden. Der lokale Edeka-Markt bringt seine Wochenangebote auf die Website, der App-Nutzer kriegt eine Nachricht, dass neue Angebote abrufbar sind. Jeder Nutzer kann die Angebote maßgeschneidert für sich individualisieren, so dass ein Vegetarier beispielsweise keine Fleischangebote sieht oder ein Abstinenzler keine Bierwerbung. Händler haben damit die Möglichkeit, neue Angebote zum Kunden zu bringen und neue Anlässe für eine Kontaktaufnahme zu schaffen.
Die Website kann sich jeder über einen QR-Code aufs Smartphone laden, der Code wird in den Märkten und den Prospekten zugänglich gemacht. Über ein Icon auf dem Startbildschirm kommt der Nutzer dann auf die mobile Website.Angebote können lokal ausdifferenziert werden, zudem kann jeder Händler seine eigene Website basteln, mit besonderen Serviceangeboten, Stellenausschreibungen et cetera. Auch auf diesem Weg lässt sich der Werbeverweigerer erreichen.
Bleibt Print für Ihre Kunden als Standalone-Lösung im Fokus oder fragen diese verstärkt nach Angeboten, die Print und Online verbinden?
Der Prospekt wird am meisten angefragt, die Initiative für online kommt meistens von uns. Das liegt ganz wesentlich daran, dass die Marketingtöpfe in den Unternehmen strikt getrennt sind, hier herrscht verbreitet ein Silodenken. Und da stellt sich dann zum Beispiel die Frage, wohin die mobile Website gehört: Ist das klassisches Marketing oder Online-Marketing? Das Silodenken macht Multichannel Marketing sehr kompliziert, viel Geld geht durch die fehlende Koordination verloren. Hier steht dem Handel eine Riesenaufgabe bevor. Aber zurück zur Frage: Die Bedeutung von Haushaltwerbung liegt am Beginn der Customer Journey, sie stößt sie im Idealfall an. Wir sorgen dafür, dass sich jemand für ein Produkt, ein Unternehmen interessiert und dann den Anbieter kontaktiert. Der Anbieter muss ihn dann weiterentwickeln und zum langjährigen, lukrativen Kunden machen. Wir bringen den Kunden dahin.
Wie sehen Print-Online-Kombinationen aus? QR-Code, URL im Prospekt mit spezieller Landingpage oder etwas ganz Anderes?
Der crossmediale Ansatz, den wir verfolgen ist, dass wir den Prospekt in den Briefkasten stecken und United Internet Dialog im gleichen Postleitzahlengebiet im Internet ein Display hochfährt. Der Kunde wird also aus zwei Richtungen mit denselben Inhalten befeuert. Darin sehe ich eine große Zukunft für einige Großen der Branche. Allerdings beschäftigen sich bislang eher wenige mit diesen Themen nach. Bei den Auftraggebern muss die Printabteilung mit den Online-Verantwortlichen sprechen und die Frage klären, wie man sich ergänzt und gegenseitig stärkt.
Generell wird heute der QR-Code immer stärker genutzt. Aber in meinen Augen ist das nur ein Übergangsphänomen, denn mittlerweile kann man Inhalte ja schon aus Bildern auslesen. Aber das Verfahren bleibt auch bei diesem Weg dasselbe: Ein Unternehmen holt den Interessenten vom Prospekt ins Internet, zunehmend ins mobile Web. Smartphones und Tablets sind das Thema der Zukunft. Die Menschen nutzen es zur recherche vor einer Kaufentscheidung.
Haushaltwerbung bleibt, trotz Geomarketing, ein weitgehend anonymes Werben. Unternehmen wollen heute aber wissen, wen sie ansprechen, am besten namentlich. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen?
Hier ist Haushaltwerbung auf Geomarketing-Basis der erste Anstoß. Haushaltwerbung hat durch das novellierte Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gewonnen: Denn jetzt suchen die Unternehmen über unadressierte oder teiladressierte Werbung den Zugang zu (potenziellen) Kunden. Es handelt sich hier aber nicht um eine Verdrängung, vielmehr unterstützt die unadressierte Werbung den Werbebrief, weil auf diesem Weg Unternehmen an Adressen kommen, die ihnen der Interessent von sich aus liefert. Insofern nutzen Werbungtreibende Haushaltwerbung heute zum Aufbau eines eigenen qualifizierten Adresspools.
Quelle: Haufe Online Redaktion