Etwas mehr als 100 Ostmarken sind auch 22 Jahre nach der Deutschen Einheit noch auf dem Markt. „Doch die Zukunft vieler Ostmarken ist in akuter Gefahr“, sagt Niels N. von Haken, Geschäftsführer der MDR-Werbung. Den Hauptgrund liefert die dritte West-Ost-Markenstudie: Die Bekanntheit der Marken sinkt seit 2010 kontinuierlich – vor allem im Heimatmarkt. Viele Ostprodukte haben auf die Überalterung ihrer Zielgruppe noch nicht angemessen reagiert. „Wer die Entwicklungen und Trends verschläft und sich nicht um junge Käufer kümmert, wird über kurz oder lang vom Markt verschwinden“, prognostiziert von Haken.
Für die diesjährige West-Ost-Markenstudie (WOM) haben die MDR-Werbung (MDRW) und das IMK Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung jeweils 1.000 Menschen in Ost und 1.000 Menschen im Westen befragt: nach der Bekanntheit von Marken in Ost und West, den Entscheidungskriterien für den Kauf von Produkten und erstmals auch nach der tatsächlichen Verwendung der Produkte. Die Studie wird seit 2010 einmal jährlich erhoben und veröffentlicht.
Ostmarken verlieren in der Heimat an Bekanntheit
68 Ostmarken sind in der WOM 2012 abgefragt worden. Das sind etwa 75 Prozent der überregional, zumindest in den Neuen Bundesländern stark verbreiteten, Marken. Wie in den Vorjahren können mit Rotkäppchen und Spee nur zwei Ostmarken den Sprung unter die Top 10 der ungestützt – also ohne Produktnamen zu nennen – bekannten Marken ihrer Gattung im Westen schaffen. „Auffälliger ist jedoch die Tatsache, dass im heimischen Markt die ungestützte Bekanntheit von Ostmarken stagniert bzw. für einige Marken, wie Vita Cola, Wilthener Goldkrone, Nordhäuser Doppelkorn oder Mühlhäuser sogar leicht rückläufig ist“, sagt IMK-Geschäftsführer Sören Schiller.
Die meisten Produkte verlieren deutlich
Mit Blick auf die gestützte Bekanntheit – wenn man den Befragten also Markennamen vorgibt – haben einige Marken seit 2010 dramatisch rückläufige Werte: Thüringer Waldquell (Minus 13,8 Prozent), Zetti (Minus 12,2 Prozent), Born (Minus 12,1 Prozent), Gotano (Minus 7,6 Prozent) und Domal (Minus 7,4 Prozent) geraten im Bewusstsein der Käufer immer mehr in Vergessenheit. Nur einige wenige Marken können ihre Bekanntheit geringfügig, das heißt um maximal 3 bis 4 Prozent steigern. Viele Ostmarken haben es im vergangenen Jahr offenkundig versäumt ihre „heimatliche Burg zu verteidigen“.
Ein Generationenproblem für die Hersteller
„Hinzu kommt, dass einige Ostmarken in der Heimat mit einem signifikanten Alters- bzw. Jugendproblem zu kämpfen haben“, sagt Sören Schiller. Eberswalder Wurst, Burger Knäcke, Rügenfisch, Berggold und Rotstern – um nur einige zu nennen – haben in der Altersgruppe bis 39 Jahre eine deutlich geringere Bekanntheit als bei den über 50-Jährigen, dort ist sie oftmals doppelt so groß. „Viele Unternehmen machen den Fehler die junge Zielgruppe zu vernachlässigen, sich nicht mit dem Generationenwechsel zu beschäftigen und bringen damit ihre Marke mittelfristig in Gefahr“, kommentiert MDRW-Geschäftsführer Niels N. von Haken dieses Ergebnis.
Im Westen haben viele Produkte noch ein Imageproblem
Erstmals ist in der WOM 2012 neben der Bekanntheit auch die tatsächliche Verwendung der Produkte in den vergangenen vier Wochen abgefragt worden. Im Segment Bier werden die Unterschiede besonders deutlich, sagt IMK-Chef Sören Schiller: „Auch bei erfreulich hoher Bekanntheit einzelner Ostmarken im Westen, bleibt die Verwendung hier doch deutlich hinter dem Osten zurück. Radeberger und Hasseröder können zwar auch im Westen eine Bekanntheit von über 80 Prozent erzielen, jedoch nur jeder Zwölfte verwendet die jeweilige Marke.“ Die Studienmacher kommen zu dem Schluss, dass das kein Ausdruck von mangelnder Qualität sein muss, sondern vielmehr ein Imageproblem darstelle.
Hauptgrund für den Kauf von Ostmarken ist der Preis
Das trifft auch auf die generelle Beurteilung von Ostmarken im direkten Vergleich mit Westmarken zu. Die Vorteile der „regionalen Verwurzelung“ und der „günstigen Preises“, die 2011 im Westen noch feststellbar waren, haben nun stark abgenommen. Das Profil der Ostmarken löst sich hier zunehmend auf. „Das heißt: Auch wenn Ostmarken im Westen kein wirkliches Attraktivitätsproblem haben, gibt es außer dem Preis aktuell nur wenig Gründe, sie auch zu kaufen. Und selbst dieses Argument nutzt sich ab“, fasst Sören Schiller zusammen.
Bewertung der Verbraucher bleibt auf gleichem Niveau
Im Osten selbst verfügen die heimischen Marken über ein inhaltlich deutlich positiveres Image als Westmarken und gelten neben dem Preis und der regionalen Verwurzelung als sympathischer, ehrlicher, qualitativ hochwertiger und glaubwürdiger. Fazit: Im dritten Jahr der Messung haben sich die Wertewelten verfestigt. Es wächst also in den Köpfen noch nicht zusammen, was zusammengehört.
Die regionale Herkunft muss betont werden
IMK-Chef Sören Schiller und MDRW-Geschäftsführer Niels N. von Haken empfehlen Unternehmen und Agenturen nach den Ergebnissen der WOM 2012: „Westmarken treffen im Osten auf mündigere Konsumenten und müssen sich mit ihrer Kommunikation darauf einstellen. Für Ostmarken gilt hingegen: die regionale Verwurzelung ist vielen Kunden enorm wichtig. Wer darauf setzt, kann beim Verbraucher entscheidende Punkte sammeln.“