Business Intelligence: Die eine Quelle der Wahrheit

Wie Händler mit Datenanalysen und BI die Wertschöpfungskette optimieren

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Quelle: panthermedia/piccaya

Es gibt kaum noch Unternehmensprozesse, die nicht mithilfe von IT ausgeführt werden. Daher liegt die Aufgabe für Einzelhändler nicht darin, Daten über Arbeitsschritte zu sammeln, sondern diese Daten zu nutzen.

Zu diesem Zweck gibt es die „Wunderwaffe“ Business Intelligence (BI). Professor Dr. Olaf Jacob, Experte für Business Analytics und Business Intelligence von der Hochschule Neu-Ulm, erklärt, wie Händler BI in ihren Betrieben anwenden und was sie dadurch gewinnen können.

Prof. Olaf Jacob; copyright: Olaf Jacob, HS Neu-Ulm...
Professor Dr. Olaf Jacob ist Vizepräsident für Forschung und Digitalisierung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm, außerdem Studiengangleiter des Master of Business Intelligence and Business Analytics sowie Leiter des Kompetenzzentrums Data Science & Business Analytics.
Quelle: Olaf Jacob, HS Neu-Ulm

Was bringt Business Intelligence einem Unternehmer?

Die Anwendung von Business Intelligence befähigt dazu, Daten aus dem Tagesgeschäft eines Unternehmens zu verdichten und führungs­relevante Informationen zu erlangen: über ein Unternehmen allgemein sowie dessen Prozesse, Kunden und Lieferanten. Mit diesen Hilfsmitteln können Unternehmer betriebliche Entscheidungen verbessern.

Wie funktioniert das?

Technisch gesehen versuchen BI-Systeme einen integrierten und konsolidierten Datenpool zu schaffen. In diesem sind dann alle führungsrelevanten Daten eines Unternehmens enthalten und können für die verschiedensten Analysen genutzt werden. Man bezeichnet dies auch als „Single Source of Truth“.  So haben alle Entscheidungsträger im Unternehmen die „gleichen und richtigen“ Daten.

Die Analyse der Daten hat dabei zwei Richtungen: Zum einen wird das bisherige Geschehen analysiert. Beispielsweise könnte einen Händler interessieren: Was waren die zehn Top-Produkte in der letzten Woche? Zum anderen kann die Analyse für eine Vorhersage eingesetzt werden und Fragen beantworten wie: Was werden in der nächsten Woche am Umsatz gemessen die fünf Top-Produkte? Mit diesen „Predictive Analytics“ gehen große Erwartungen einher.

Welche Chancen bietet die Implementierung von BI speziell für Einzelhändler?

Die Chancen von BI liegen vor allem in der Transparenz und der Verdichtung. Transparenz über das Unternehmensgeschehen ermöglicht Vergleichbarkeit. Beispielsweise kann ich so die Deckungsbeiträge verschiedener Produktgruppen ermitteln und einander gegenüberstellen. Verdichtete Informationen erlauben es, führungsrelevante Kennzahlen fortlaufend zu berichten, die für das einzelne Unternehmen von Bedeutung sind. Dazu zählen Größen wie die Umschlagshäufigkeit des Lagers oder das Zahlungsverhalten von Kunden.

Welche Geschäftsfelder und Prozesse eines Einzelhandelsunternehmens können besonders profitieren?

Grundsätzlich bietet die gesamte Wertschöpfungskette eines Handelsunternehmens vom Einkauf über das Lager bis zu Verkauf und After-Sales vielfältige Einsatzmöglichkeiten von BI. Zwei Bereiche dominieren dabei: Produkt- und Kundenanalysen sowie die Steuerung des Filialnetzes.

Neben typischen Verkaufsstatistiken ist ein weiteres Beispiel für die erste Kategorie die ABC-Analyse. Mit dieser kann ein Händler Kunden und Produkten nach Priorität und Beitrag zum Umsatz segmentieren oder die Produktivität von Vertriebskanälen analysieren.

Untersucht und vergleicht man Verkäufe und Lagerbestände mehrerer Filialen, erleichtert das eine gezielte Steuerung des Filialnetzes.

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Quelle: panthermedia.net / peshkova

Können Sie im Bereich BI Trends ausmachen, die die künftige Anwendung bestimmen werden?

Der Trend ist ausgemacht: Data Analytics und Big Data. Daten sind das Öl der Informations­gesell­schaft und fallen zukünftig in einem hohen Ausmaß an. Daten müssen als Rohstoff betrachtet werden, der systematisch gepflegt und bewirtschaftet werden muss.

Durch die fortschreitende Digitalisierung und den Online-Handel wird es erforderlich, diese Daten nahezu in Echtzeit auszuwerten und für eine gezielte Kundenansprache zu nutzen. Pionier ist hier Amazon mit dem Hinweis „Andere Kunden interessierten sich auch für diese Produkte“.

Dabei wird der Trend zu einem Omnichannel-Marketing gehen. Das heißt, Händler werden Daten über alle Touch-Points hinweg sammeln und integrieren – ob E-Shop, Call Center oder im Store – um so eine Rundumsicht über den Kunden zu erhalten.

Sollten sich selbst kleine Einzelhändler mit BI auseinandersetzen?

Auch für kleine Händler lohnt sich der Einsatz von BI. Der Einsatz kommt immer dann in Frage, wenn durch die Möglichkeiten von BI ein Nutzen generiert wird, der manuell nicht oder nur mit großem Aufwand erzielt werden kann. Dies setzt natürlich eine kritische Menge an Kunden- bzw. Produkt-Daten voraus, die man manuell nicht mehr bewältigen kann. Es gibt kostengünstige BI-Produkte am Markt, die nach wenigen Tagen einfache Analysen liefern.

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Wichtig ist jedoch zu beachten, dass die Daten irgendwo herkommen müssen, d. h. man darf das Pferd nicht von hinten aufzäumen. BI benötigt Daten aus der Wertschöpfungskette, die idealerweise nicht manuell, sondern durch verschiedene Vorsysteme wie Scannerkassen, E-Shops oder Zahlungssysteme bereitgestellt werden müssen.

Gibt es für die Anwendung von BI einen Unterschied zwischen dem stationären und dem Online-Handel?

Das Prinzip der Analyse und Verdichtung von Daten bleibt im Grundsatz bestehen. Ein Beispiel dafür sind Warenkorbanalysen („Welche Artikel wurden in welcher Kombination gekauft“?), die ich für das Offline- wie das Online-Geschäft durchführen kann.

Die Anwendung von BI auf den Online-Handel ist aufgrund der vorhandenen Daten oftmals viel einfacher. Sie bietet spezielle Analysemöglichkeiten des Verhaltens von Kunden, z. B. warum haben Kunden Artikel in den elektronischen Warenkorb gelegt, aber den Einkauf nicht abgeschlossen.

Haben Sie Tipps zur praktischen Herangehensweise im Unternehmen?

Unter der Annahme, dass entsprechende Vorsysteme existieren, die die Daten für BI-Anwendungen liefern, stehen am Anfang nicht die Technologien, sondern die geschäftlichen Fragestellungen: Welche Analysen benötige ich? Wie helfen diese Analysen, um die Produktivität in der Wertschöpfungskette zu erhöhen? Wie hilft mir BI, meine Kunden besser zu verstehen?

Nach Klärung der geschäftlichen Ziele beginnt die eigentliche technische Umsetzung. Hier steht am Beginn vor allem das Thema Datenmanagement: Ein Händler muss herausfinden, wo im Unternehmen welche Daten anfallen und wie er sicherstellen kann, dass diese richtig und aktuell sind.

Interview: Julia Pott, iXtenso - Magazin für den Einzelhandel

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