Mobile Handterminals können immer mehr und die Nachfrage des Handels nach Anbindung per WLAN an die Warenwirtschaft steigt, sagt Dr. Andreas Müller im EuroCIS.com-Interview. Er ist bei Höft & Wessel in Hannover zuständig für Forschung und Entwicklung im Bereich MDE. „Wer offline arbeitet, hat ein einfaches System, nutzt aber auch das Potenzial mobiler Terminals bei weitem nicht aus.“ Doch beim mobilen Self-Scanning hält er WLAN für entbehrlich. Müller erläutert außerdem, wann Customizing sich für den Handel lohnt und welche Sonderwünsche der Discounter Netto bei seinem jüngsten Großauftrag hatte.
Mobilterminals kommunizieren mit der Warenwirtschaft und der Logistik. Wie schwierig ist die Implementierung. Gibt es wirklich normierte Schnittstellen? Wie ist der Handel geschützt vor Problemen?
Mittlerweile verfügen die meisten Systeme zumindest über offene Schnittstellen, das ist bereits ein großer Fortschritt. Richtig ist aber auch: Mobile Terminals werden heute immer als Ergänzung zu bestehenden IT-Systemen eingesetzt. Das typische Handelsunternehmen hat bereits Mobilterminals älterer Generation im Einsatz. Also kann man ein Projekt nicht auf der grünen Wiese starten, sondern muss vorhandene Altsysteme mit ihren proprietären Schnittstellen berücksichtigen. Außerdem bedeuten Standards nicht automatisch Interoperabilität. Der Teufel liegt wie so häufig im Detail.
Händler können am Regal scannen und über die Docking-Station kommen die Daten dann ins Firmennetz. Was spricht für diese gute alte Lösung?
Solche Offline-Lösungen lassen sich sehr einfach implementieren und haben den großen Vorteil, dass die mobile Datenerfassung als System unabhängig von Netzwerken oder Servern funktioniert. Trotzdem geht der Trend eindeutig in Richtung vernetzter Terminals, und dafür gibt es gute Gründe. So dienen Mobilterminals heute nicht mehr primär als Datensammler, sondern übermitteln in Echtzeit Information zwischen dem Mitarbeiter am Regal und der Warenwirtschaft. Damit lassen sich Arbeitsabläufe erheblich produktiver gestalten. Wer offline arbeitet, hat ein einfaches System, nutzt aber auch das Potenzial mobiler Terminals bei weitem nicht aus.
Ist W-LAN mittlerweile wirklich die Regel im Handel?
Zumindest beschafft der überwiegende Teil unserer Kunden heute WLAN-fähige Terminals. Auch wenn heute noch nicht alle WLAN unternehmensweit installiert haben, so bestehen doch zumindest entsprechende Planungen. Nun sind die IT-Budgets natürlich begrenzt, deshalb überlegen sich die Handelsunternehmen vor einer Investition in eine WLAN-Infrastruktur genau, welche Geschäftsprozesse von drahtloser Kommunikation besonders profitieren. Vielfach entscheiden sie sich dann gegen die flächendeckende Ausleuchtung und setzen WLAN gezielt in bestimmten Zonen im Markt ein.
In der Logistik legen die Anwender Wert auf robuste Geräte. Wie sieht das der Handel?
Unsere Geräte sind Werkzeug, kein Spielzeug! Mobile Terminals, gerade im Online-Betrieb, unterstützen zeit- und missionskritische Unternehmensprozesse. Da muss man auf die Technik zu 100 Prozent vertrauen. So ist es nur logisch, dass auch im Handel Geräte favorisiert werden, die auch Feuchtigkeit oder Stürze vertragen. Die Grenzen zwischen Logistik und Handel sind ohnehin fließend. Wenn Mobilgeräte im Fahrzeug eingesetzt werden, sind die Anforderungen an Temperaturbereich, Sturz- und Wasserfestigkeit natürlich besonders hoch. Ich würde aber nicht sagen, dass ein Einsatz im Store die Geräte weniger stresst als eine Lageranwendung.
Fürs Self-Scanning bieten Händler ihren Kunden mobile Terminals. Die Daten kommen in die Warenwirtschaft. Wer braucht hier Echtzeitdaten über W-LAN, für wen genügt die Einspeisung am Tagesende?
Beim mobilen Self-Scanning halte ich WLAN in der Tat für entbehrlich. Hier sind es eher die Software-Anbieter, die sehr stark auf Online-Betrieb setzen. Begründet wird das häufig mit besseren Möglichkeiten, Information gezielt auf das jeweilige Profil des Kunden abzustimmen. Allerdings ist mir bislang noch keine Anforderung im Self-Scanning vorgekommen, die sich nicht auch offline realisieren ließe.
Eigentlich ist Ihre Frage auch nicht ganz richtig gestellt. Beim offline Self-Scanning, werden die Daten doch nicht erst am Tagesende synchronisiert, sondern bereits bei jedem Ein- und Auschecken eines Kunden. Anders als Wettbewerbsgeräte ermöglicht unser Dispenser, die automatische Ausgabe/Rücknahme-Station, eine drahtgebundene Netzwerk-Kommunikation mit allen Mobilterminals. Bei der Ausgabe wird das Self-Scanning-Gerät in Echtzeit mit dem Präferenzprofil des Kunden konfiguriert. Wenn Sie zum Beispiel im Internet einen elektronischen Einkaufszettel angelegt haben, wird er direkt auf das Terminal übernommen. Genauso wird bei der Rückgabe am Dispenser oder an der Kasse die Bon-Information sehr schnell ausgelesen. Das alles geht auch ohne WLAN.
Viele Händler schrecken zu Recht vor einem Online-Betrieb der mobilen Self-Scanning-Terminals zurück. Nicht nur müsste dazu wirklich die gesamte Verkaufsfläche lückenlos ausgeleuchtet werden, auch die hohe Anzahl und Dichte der Geräte kann problematisch sein, wenn noch WLAN-Kapazität für weitere Anwendungen benötigt wird.
Billiges Standardgerät oder Customizing und mehr zahlen: Wie schätzen Sie die Nachfrage in diesen beiden Marktsegmenten ein? Wie groß sind die Preisunterschiede?
Intelligentes Customizing kann für den Anwender erheblichen Zusatznutzen bringen. Das haben wir schon vor langer Zeit erkannt. Viele unserer Kunden nutzen diese Möglichkeiten. Nun ist Customizing ein weites Feld, das vom einfachen Logo-Aufdruck bis hin zu einem grundlegend modifizierten Produkt reicht, darum lassen sich natürlich keine allgemeinen Preisaussagen machen. Ich möchte behaupten, die meisten Kunden sind positiv überrascht, da Customizing aufgrund unseres flexiblen Modulkonzepts deutlich günstiger ist, als sie es erwartet haben.
Standardgerät und Customizing stehen nicht im Widerspruch, sondern ergänzen sich sinnvoll. CPU-Plattform, Betriebssystem, Funk usw. müssen definitiv dem Standard entsprechen, dazu gibt es keine Alternative. Customizing spielt sich eher im Bereich der Bedienerschnittstelle und der Peripherie ab. Hier existieren meines Wissens gar keine allgemein gültigen Standards, was den Herstellern Möglichkeiten zur Differenzierung gibt.
Wir meinen, das mobile Terminal muss sich an die Erfordernisse der Benutzer anpassen und nicht umgekehrt. Wer in eine mobile Lösung investiert, soll zu Recht erwarten dürfen, dass sie seine individuellen Prozesse optimal unterstützt. Immer mehr potenzielle Kunden sehen das genauso. Das macht unser Geschäftsmodell so erfolgreich.
Höft & Wessel setzt auf angepasste Geräte nach Kundenwunsch: Wie sinnvoll sind die Sonderwünsche der Anwender?
Alle unsere Kunden sind erfahrene Profis in ihrem Metier, und auch wir machen Customizing nie um seiner selbst willen. Am Anfang steht immer das Beratungsgespräch, denn oft gibt es mehrere Möglichkeiten, einen Anwenderwunsch umzusetzen. Gelungenes Customizing besteht darin, dies mit möglichst wenig Aufwand zu tun. Beispielsweise wollen Unternehmen häufig die Geräte an ihr Corporate Design anpassen. Das ist – besonders bei Systemen, die auch von Kunden wahrgenommen werden – grundsätzlich sehr sinnvoll. Gerade bei der Farbgestaltung des Gehäuses muss man aber auch extrem aufpassen, damit man sich keine Nachteile einhandelt. Schließlich will man die normalen Zubehörteile wie Cradle und Akkus einsetzen, die sind farblich alle aufeinander abgestimmt. Unsere Designer wissen das und entwickeln intelligente Lösungen zur Unterstützung des Corporate Designs, die nicht allzu viel kosten.
Beispiel Netto: Was waren hier die Sonderwünsche?
Netto wollte ein spezielles Keyboard-Layout. Das ist ein sehr häufiger Wunsch, den wir einfach umsetzen können, mit großem Nutzen für die Anwender. Wenn sie häufig benutzte Tasten im direkten Zugriff haben, spart das bei jedem Vorgang wertvolle Zeit. Ein Bediener, der eine bereits von früheren Geräten her vertraute Tastaturanordnung wiederfindet, kommt ohne erneute Schulung sofort mit dem neuen Gerät zurecht. Überlegen Sie, welche Kostenersparnis allein das in einer großen Organisation wie Netto mit sich bringt.
EuroCIS, CeBIT und LogiMat – alle drei Messen finden dieses Jahr gleichzeitig statt. Sie sind auf allen drei Messen. Welcher Termin ist für Höft & Wessel am wichtigsten?
Für uns sind alle drei gleich wichtig, gerade deshalb würden wir eine Entzerrung im nächsten Jahr begrüßen. Auf der EuroCIS sind wir in diesem Jahr mit dem größten Stand vertreten.
Welche Messe-Trends erwarten Sie bei den Mobilterminals?
Mit unserem neuen Produkt skeye.e-motion, das insbesondere auf die Marktsegmente Field Service und Logistik abzielt, setzen wir auf einen Trend zu kompakten, sehr robusten Handhelds mit größerem Display. Mit UMTS Kommunikation und dem 806MHz schnellen PXA-320 Rechnerkern sehen wir uns im Wettbewerb sehr gut aufgestellt. Das Produkt ist in seiner Art einzig und hat durchaus Potenzial, einen neuen Trend zu setzen. Auch beim Thema Self-Scanning sehen wir wieder Investitionsbereitschaft nach der Zurückhaltung im für den Handel insgesamt nicht gerade einfachen Jahr 2009. Hier sind wir ebenfalls gut gerüstet.
Interview: René Schellbach
EuroCIS.com