Digitaler POS für den Einzelhandel
Wie kann es funktionieren und wer macht es gut
Alles was in einem Store ist, lässt sich auch digitalisieren. So oder ähnlich ließe sich zusammenfassen, was viele Einzelhandelschefs heute dazu antreibt, echt „statigital“ zu werden - also stationären Handel nahtlos mit Online-Handel zu verbinden.
Das kann praktisch alles sein – vom Laden, in dem man sein Mittagessen telefonisch bestellt, das dann im gleichen Store zubereitet und serviert wird, bis zum Shop, der gar keine Ware mehr hat, sondern nur die Aufgabe, den Kunden mit der großen, weiten Welt der E-commerce Angebote des Händlers bekannt zu machen. All das geht von der Annahme aus, dass der Kunde digital bedient werden will, weil das zu einem festen Bestandteil seines täglichen Lebens geworden ist und das Smartphone zum Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten.
Aber wie intelligent hat der Einzelhandel auf diesen vermeintlichen Bedarf reagiert? Und genau so wichtig: Hat er den richtigen digitalen Weg eingeschlagen oder sind einige Händler bei dem Versuch schon in einer Sackgasse gelandet?
Als erstes muss man wissen, welche Rolle Bildschirme bei all dem spielen. Anfang des neuen Jahrtausends lieferte sich der Einzelhandel förmlich einen Wettlauf, Touchscreens in Ladenlokalen zu installieren. Man nahm an, die Kunden würden den Einzelhändler mit ihrem Umsatz belohnen, wenn sie einen Bildschirm nutzen könnten, um die ganze Auswahl zu sehen, die im Laden nicht verfügbar ist.
Diese Annahme erwies sich jedoch als verfehlt, denn sie ignorierte die zunehmende Verbreitung von immer intelligenteren Smartphones, die alles konnten, was ein In-Store Bildschirm konnte und noch viel mehr.
Dazu kommt die Tatsache, dass viele Menschen immer noch gern in den stationären Handel gehen, weil sie lieber shoppen, als noch mehr Zeit am Bildschirm zu verbringen. Heute hat der Bildschirm als Tool zur Verkaufsförderung weitgehend ausgedient und Apps, die mobil zugänglich sind, haben seinen Platz eingenommen.
Was wiederum die Frage aufwirft, was mit einem digitalen POS überhaupt gemeint ist, denn dieser Begriff wird von unterschiedlichen Leuten anscheinend unterschiedlich genutzt und hängt vom Kontext ab. Dazu Kevin Swanwick, Senior Director Retail Solutions bei Manhattan Associates: „Derzeit scheint die Definition ziemlich offen zu sein. Bei den vielen neu aufkommenden Trends haben die Anbieter großen Einfluss auf die Begriffsbestimmung, denn sie versuchen, verschiedenen Store-Technik- Optionen den Vorzug zu geben.“
Swanick zufolge ist die Kasse eine gute Wahl, um sich den digitalen POS in einem Store näher anzusehen, denn dort sind „Paypal-ähnliche“ Verfahren eingesetzt worden, um schneller und bequemer zu bezahlen. Das offensichtlichste Beispiel für diese Nutzung ist vielleicht in China zu finden, denn China ist Vorreiter bei digitaler Akzeptanz. Besuchen Sie einmal einen Hema-Supermarkt, die stationären Lebensmittelgeschäfte des Online-Giganten Alibaba, und Sie werden feststellen, dass die Voraussetzung für jeden Offline-Storebesuch der Besitz einer Digital Wallet in Form eines Alipay-Kontos ist.
Produktinformationen, Bestellung, Zahlung und sogar digitale Spiele lassen sich per Smartphone realisieren, währenddessen der Einzelhändler die Kreditwürdigkeit überprüfen kann. Der Punkt dabei ist aber: Es handelt sich um einen Shop, wo die digitalen Elemente dazu dienen, den Einkaufsprozess zu unterstützen und der digitale POS Selbstzweck ist. Wenn Sie beispielsweise einen Hummer kaufen und in einem der Restaurants des Stores verzehren wollen, scannen Sie einfach einen RFID-Code am Aquarium mit dem Hummer und die entsprechende Information über Sie und das Krustentier stellt dann sicher, dass das Tier verzehrfertig zubereitet ankommt, sobald Sie Ihren Platz am Tisch im Store eingenommen haben.
Das ist Technik als „Enabler“, die das Einkaufserlebnis besser macht, und das ist auch die Richtung, in die viele der besten Einzelhändler aktuell gehen. Der digitale POS hat auch damit zu tun, wie Dinge erlebt werden. Nick Hughes, der Chief Customer Officer bei der Itab Group, dem in Jönköping ansässigen Anbieter von Retail-Ausstattung und –Lösungen, weist auf die großen Bildschirme hin, die bei McDonald’s in aller Welt zum Bestellen installiert wurden: „Sie dienen nur dazu, das Besuchserlebnis noch besser zu machen, in dem man dem Kunden das Gefühl vermittelt, er könne seine Wartezeit verkürzen.“ Es ist strittig, ob das tatsächlich so ist, aber die Nutzung digitaler Kioske anstatt Anzustehen, scheint dem Kunden besser zu gefallen, selbst wenn die Wartezeit nur gefühlt kürzer ist. Hughes fügt hinzu, dass Online-Angebote im Store immer so eingesetzt werden sollten, dass die Technologie dem Bedarf des Kunden angepasst ist – ein Ziel, dass noch oft verfehlt wird.
Das wiederum heißt auch Individualisierung, der „Heilige Gral“ für E-Commerce wie stationären Handel – und das kann der digitale POS bieten; es kommt nur auf die richtige Steuerung an. Laut Hughes geht es bei der Webseiten-Personalisierung darum „den Kunden das Gefühl zu geben, dass sie die Entscheidungen treffen.“ Das lässt sich wiederum über eine App erreichen, und verhindert, dass der Kunde das Gefühl hat, mit Spams überschüttet zu werden anstatt auswählen zu können.
Aber bedeutet all das, dass die meisten Einzelhändler in den meisten Märkten „begriffen haben” wie „digital geht“ und entsprechend handeln? Die Anwort müsste lauten: Möglicherweise. Swanick meint, dass bei Start-Ups, die neue Lösungen für den Einzelhandel bieten, die USA viel zu bieten hat: „Selbstzahlersysteme sind wieder im Aufschwung, aber funktionieren nicht überall. Bei Walmart nimmt die Interaktion mit gebrandeten Smartphone-Apps an Fahrt auf, aber die Akzeptanz/Nutzung ist niedriger als zu erwarten gewesen wäre. Es sieht so aus, als wenn es anfangs einen Boom über ein Jahr gegeben und das Interesse dann nachgelassen hätte. Vielleicht steigt die Marktaufnahme mit der Zeit und veränderter Demographie weiter.”
Schön und gut, aber wie Hughes es formuliert: „Es gibt rein gar nichts neues digitales, was wir nicht schon ausprobiert hätten!” Und die Schlussfolgerung lautet, dass angesichts einer Unzahl von Lösungen auf dem Markt, der entscheidende Punkt für den Händler ist, den Kunden erst einmal dazu zu bringen, das zu nutzen, was da im Store installiert wurde.
Laut Swanick ist die Akzeptanz für Smartphone-Lösungen in der EU allgemein höher als in den USA. Spätestens beim Bezahlvorgang kann es in den USA recht „altertümlich” zugehen, auch weil die verschiedenen mobile Netzwerke in Europe besser konsolidiert sind.
Aber wie sieht es mit China aus? Hier sind digital und alles, was damit zusammenhängt, absolut die Regel und Kunden nutzen ihre Telefone im Store wie selbstverständlich. Dieser Markt unterscheidet sich von anderen darin, dass personenbezogene Daten eventuell sowieso nicht den gleichen Schutz genießen wie im Westen. Genau wie Afrika hat China den großen Technologiesprung von Null direkt zum Smartphone gemacht. So haben die Verbraucher, jung und alt, die technologischen Entwicklungsstadien von Desktop und Laptop überspringen können. Als Folge ist dieser Teil der Einzelhandelswelt vielleicht aufgeschlossener für neue Technologien und macht deshalb schnellere Fortschritte.
Der digitale POS deckt im Einzelhandel eine Vielzahl von Bereichen ab, aber die meisten Beobachter scheinen sich darüber einig zu sein, das stationäre Läden stets Läden bleiben werden und Digitales nicht revolutionär, sondern eher evolutionär integriert wird. Es wird immer wieder Sackgassen geben, in denen Einzelhändler landen, die Neues ausprobieren, und feststellen, dass es für sie nicht funktioniert. Nichtsdestotrotz bedeutet die Akzeptanz der Smartphone-Technik durch den Kunden, dass der Einzelhandel nachziehen muss. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die meisten Händler ihre Kunden sowieso weiter im Auge behalten, wenn man Dinge optimieren will, und Technik nutzt, die schon eine Weile auf dem Markt ist. Es steht noch viel auf dem Spiel.
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