Im Oktober 2013 hat EDEKA Lustfeld einen neuen Standort in Nienburg an der Weser eröffnet. Der neue Markt wurde mit einer aktuellen IP-Videoüberwachungsanlage ausgerüstet. Im Interview sprechen Andre Hanekamp von EDEKA Lustfeld und Ralph Siegfried von Kamerahersteller Axis Communications über die Vorteile gegenüber analoger Videotechnik und die bisherigen Erfahrungen mit der Anlage im neuen Markt.
Herr Hanekamp, warum haben Sie sich hier im neuen Markt für die IP-Videoüberwachung entschieden, anstatt wie in den drei anderen EDEKA Lustfeld-Märkten auf eine analoge Lösung zu setzen?
Hanekamp: Der Hauptgrund für uns, in unserem neuen Markt auf IP-Video zu setzen, war auf jeden Fall die wesentlich geringere Anzahl an notwendigen Kameras. Dabei geht es nicht nur um den Installationsaufwand, sondern auch um die Bedienung. Für unseren Ladendetektiv macht es natürlich einen großen Unterschied, ob er anstatt 96 jetzt nur noch 48 Kameras auswerten muss.
Ein weiterer Grund war zudem die Bildqualität. Hier im neuen Markt erreichen wir mit den IP-Kameras eine Sichtweite von gut zehn Metern. Bei den analogen Installationen in unseren anderen Märkten ist nach ungefähr der halben Distanz die Bildqualität zu schlecht, um Personen eindeutig zu identifizieren. Dazu kommt natürlich die Skalierbarkeit des Systems. Sollten wir merken, dass an einigen Punkten im Markt die Abdeckung noch nicht ideal ist, können wir einfach und schnell weitere Kameras ins bestehende Netzwerk integrieren.
Herr Siegfried, können Sie einen kurzen Überblick über die Installation hier im Markt geben?
Siegfried: EDEKA Lustfeld hat sich für die Installation von FullHD-Kameras entschieden, was meiner Meinung nach auch vollkommen richtig ist, denn im Markt für Videoüberwachung ist das „Pixelrennen“ der letzten Jahre inzwischen vorbei. Haben die Hersteller früher noch versucht, sich mit immer höheren Megapixel-Zahlen zu übertreffen, gilt FullHD heute als die Lösung, die zukunftssicher ist und auch die nötige Qualität bringt.
Wir haben insgesamt 39 AXIS-FullHD-Kameras vom Modell M3005 verbaut, das speziell für den Einzelhandel entwickelt wurde. Der größte Anteil der Kameras im Verkaufsraum dient als Übersichtskameras zur Diebstahlprävention und für die forensische Analyse, also um im Nachhinein die Bilder über das Videomanagementsystem zu analysieren.
An der Laderampe hinter dem Markt haben wir ein ganz neues Modell eingesetzt, die Q1614. Diese Kamera wird dort wegen der extremen Gegenlichtsituation genutzt. Sie arbeitet mit der nochmals optimierten WDR-Funktionalität, genannt „Forensic Capture“ und ist in der Lage, auch starke Belichtungsunterschiede auszubalancieren.
Für die Außenhautabdeckung haben wir drei Mal das Modell P1354 eingesetzt. Die spezielle Tag-Nacht-Kamera ist in der aktuellen Modellgeneration zusätzlich mit digitalem Zoom ausgestattet und verfügt über unsere „Lightfinder“-Technologie, mit der sich auch bei wenig Licht farbige Bilder generieren lassen.
Im Kassenbereich ist vier Mal die M3204 verbaut, die die vier Kassengänge jeweils von der gegenüberliegenden Wand aus überwachen. Das sind spezielle manipulationssichere und vandalismusgeschützte Modelle. Durch ihre Positionierung liefern Sie Bilder, auf denen ein eventueller Dieb schneller und eindeutiger identifizierbar ist, als dies mit den Aufnahmen einer Überkopf-Kamera möglich wäre.
Beschränkt sich die Überwachung auf den Innenbereich des Marktes oder wurden auch im Außenbereich Kameras installiert?
Hanekamp: Uns war es bei der Auswahl der Sicherheitstechnik besonders wichtig, dass auch die Mitarbeiter sich sicher fühlen können. Am Mitarbeiterausgang befindet sich daher eine Kamera, die das gesamte Vorfeld auf einem Monitor innen an der Tür zeigt. Mitarbeiter sehen unbefugte Personen vor der Tür, ohne sie öffnen zu müssen.
Übernehmen die Kameras auch weitere Aufgaben, wie zum Beispiel die Analyse des Videomaterials für Kundenzählung und Warteschlangenmanagement?
Hanekamp: Das sind mögliche Features, die allerdings im Moment hier im Markt noch nicht genutzt werden. Videoanalyse an sich wird aber durchaus verwendet, nämlich eine Gegenlauferkennung im offenen Eingangsbereich des Marktes. Wir nutzen hier eine Lösung der Firma NETAVIS. Mit der Videoanalyse an dieser Stelle haben wir bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Geht ein Kunde aus dem Markt zurück in die Gemüseabteilung am Eingang, erhalten die Mitarbeiter an der Infotheke ein kurzes akustisches Signal und können dann Kunden überprüfen, die mit einem vollen Einkaufswagen den Markt durch den Eingangsbereich statt durch die Kasse verlassen wollen. Mit diesem System haben wir bereits einige Ladendiebe identifiziert, die teilweise Waren im Wert von mehr als 1.000 Euro stehlen wollten. Außerdem bereitet die Kamera automatisch die Alarmmeldung auf, das heißt im Fall des Falles kann man sofort auf die passende Bildsequenz zugreifen und den Täter identifizieren.
Siegfried: Wir nutzen hier zwei parallele Videostreams, von denen einer für das Videomanagement genutzt wird und einer für die Analyse. Jede Kamera kann beliebig viele Videostreams erzeugen. Das spart natürlich Bandbreite, denn für die einfache Videoanalyse wird eine relativ geringe Auflösung benötigt.
Reagieren Ihre Mitarbeiter auch entsprechend auf die Alarmmeldungen?
Hanekamp: Technische Sicherheitslösungen können immer nur Hilfsmittel sein. Am Ende kommt es immer noch auf den Faktor Mensch an, also auf die Reaktion des Mitarbeiters auf die Alarmmeldung. Natürlich sind unsere Mitarbeiter dazu angehalten, auf jeden Alarm zu reagieren. Leider passiert das nicht immer, im Regelfall sind unsere Mitarbeiter aber sehr aufmerksam.
Worin bestanden die speziellen Herausforderungen bei dem Projekt hier im E-Center Lustfeld?
Siegfried: Verglichen mit anderen Projekten im Einzelhandel gab es hier im Markt relativ wenige technische Probleme. Die Lichtverhältnisse sind sehr homogen und es gibt nur wenige dunkle Ecken im Markt. Dadurch erreicht man natürlich eine vergleichsweise hohe Standardisierung bei der Installation und muss nicht innerhalb des Marktes mit verschiedenen Kameramodellen arbeiten. Das bringt natürlich Vorteile bei der Wartung und vereinfacht auch die Konfiguration des Videomanagementsystems. Das Layout des Marktes mit den hohen Decken hat uns außerdem eine sehr diskrete Anbringung der Kameras erlaubt. Die Kameras sind sehr klein und wurden bewusst so neben den Lichtquellen platziert, dass sie eher schwer zu sehen sind. Ein normaler Kunde wird die Kameras in der Regel kaum bemerken. Gleichzeitig sind sie für erfahrene Augen immer noch gut zu sehen, sodass sie trotzdem eine effektive Abschreckung darstellen.
In welchen Bereichen liegen die Überwachungsschwerpunkte?
Hanekamp: Natürlich haben wir versucht, eine möglichst flächendeckende Überwachung zu realisieren. Gezielt werden natürlich die „üblichen Verdächtigen“ überwacht, also insbesondere Spirituosen, Drogerie und Kosmetik sowie das Tchibo-Regal. Wir haben allerdings an diesen Punkten nicht besonders viele Kameras verbaut, sondern die vorhandenen Kameras so positioniert, dass sie besonders nahe an den hochwertigen Waren sind.
Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit der Videoüberwachung? Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Hanekamp: Im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden. Natürlich gab es zu Beginn einige Kinderkrankheiten, die wir inzwischen aber ausmerzen konnten. Außerdem wird das System in Zusammenarbeit mit dem Errichter anhand unserer Erfahrungswerte weiter optimiert. Ich würde mich bei einer solchen Installation auf jeden Fall immer wieder für IP-Kameras entscheiden, denn die Vorteile sind einfach nicht von der Hand zu weisen: Bei Alarm werden zum Beispiel alle Bilder automatisch aufgezeichnet und die Suchmechanismen sind ausgereifter. Das sind natürlich alles Features, die ich bei einem analogen System so nicht habe.
Wurde die umfassende Videoüberwachung auch von den Mitarbeitern gut angenommen, oder gab es hier Probleme?
Hanekamp: Viele Marktbetreiber befürchten ja, dass die Mitarbeiter negativ auf die Videoüberwachung reagieren, weil sie sich beobachtet fühlen. Bei uns ist das eigentlich genau umgekehrt, denn unsere Mitarbeiter wissen genau, dass die Videoüberwachung auch ihrem Schutz dient. Ein Mitarbeiter traut sich natürlich eher zu, Diebe auch anzusprechen, wenn er weiß, dass die ganze Situation gefilmt wird. Durch die Außenbereichsüberwachung können die Mitarbeiter sich außerdem sicher sein, dass ihnen niemand auflauert, wenn sie spät abends nach Ladenschluss das Gebäude verlassen. Hier überwiegt bei den Mitarbeitern also ganz klar das Sicherheitsgefühl.
Planen Sie jetzt, auch in den anderen drei EDEKA Lustfeld-Märkten eine IP-Videoüberwachungsanlage zu installieren?
Hanekamp: Bisher ist das für unsere bestehenden Märkte nicht geplant, allerdings ist das jedes Mal abhängig von der Situation des speziellen Marktes. Aktuell sehen wir keinen zwingenden Grund, in den anderen Märkten eine neue Anlage zu installieren. Unser Markt in Rehburg zum Beispiel ist relativ klein, dort sind aktuell 32 analoge Kameras im Einsatz. Wir werden die Anlage in der nächsten Zeit nicht ersetzen, da die analogen Kameras ja weiter zuverlässig arbeiten. Sollte das aber irgendwann nicht mehr der Fall sein, werden wir auf jeden Fall auch dort auf IP-Videoüberwachung setzen.
Mit der Errichterfirma SichTel haben wir einen zuverlässigen Partner gefunden, der hier im Markt nicht nur die Videoüberwachung, sondern auch die Zutrittskontroll- und Einbruchmeldetechnik installiert hat. Hier setzen wir auf eine langfristige Zusammenarbeit da wir planen, in der Zukunft diese verschiedenen Sicherheitsgewerke miteinander zu verbinden. Damit können wir dann weitere Zusatzfunktionen nutzen, wie zum Beispiel automatisch das passende Videomaterial zu jeder Türöffnung mit dem Identifikationschip eines Mitarbeiters anzeigen zu lassen.
Herr Siegfried, ist diese Verbindung verschiedener Sicherheitsgewerke ein genereller Trend im Bereich der Sicherheitstechnik?
Siegfried: In der Sicherheitstechnik ist es heute meist immer noch so, dass die Einzelsysteme wie Zutrittskontrolle, Warensicherung und Videoüberwachung weitestgehend getrennt sind und für sich genommen auch gut funktionieren. Es gibt allerdings sehr gute Gründe, warum man diese Systeme besser integrieren sollte. Gerade im Zusammenspiel dieser verschiedenen Technologien liegt ein großes Potenzial. Und da mehr und mehr Systeme heute IP-basiert sind, wird diese Kopplung natürlich auch viel einfacher und sinnvoller.
Beispiele dafür gibt es auch hier im Markt. So kann es natürlich sinnvoll sein, die Alarmanlage direkt mit dem Videosystem zu koppeln. Oder im Kassenbereich - gerade hier sieht man die Vorteile von integrierten Systemen: Verbindet man die Videoüberwachung zum Beispiel mit einem Überfalltaster und lässt gleichzeitig die verschiedenen Analysealgorithmen zum Beispiel für das Warteschlagenmanagement laufen, erfüllt man mit nur einer Kamera gleich mehrere verschiedene Aufgaben. Dafür ist aber eine gewisse Integration zwischen den Komponenten eine Grundvoraussetzung.
Eine gute Möglichkeit hier im Markt, um einen weiteren Mehrwert durch die Videotechnik zu erzielen, ist der Hinweisbildschirm im Eingangsbereich, der das Bild der direkt daneben angebrachten Videokamera zeigt. Hiermit können die Kunden einerseits auf die Tatsache hingewiesen werden, dass es im Markt eine Videoüberwachung gibt – denkbar wäre aber auch eine zusätzliche Digital Signage-Funktion, bei der auf dem Bildschirm zum Beispiel am Ende des Tages übriggebliebene Ware zu reduzierten Preisen angeboten wird. Mit einer solchen Funktion haben bereits einige unserer Kunden sehr gute Erfahrungen gemacht.
Axis wird bei zukünftigen Projekten sicher versuchen, diese Vorteile auch den Einzelhändlern vorzustellen, um diese dafür zu sensibilisieren, dass sie viel Potential ungenutzt lassen, wenn sie nicht über eine Integration der verschiedenen Technologien nachdenken.
Interview: Daniel Stöter, iXtenso.com