Für manche ist Klauen ein Kavaliersdelikt, für den Einzelhandel ein Renditekiller. Knapp 5 Mrd. Euro zahlte der deutsche Einzelhandel von Juli 2009 bis Juni 2010 für Warenschwund. Gemessen am Umsatz sind die Verluste von 1,17 % in 2009 auf 1,12 % zurückgegangen (- 4,3 %). Weltweit kostete Warenschwund den Einzelhandel 87,506 Mrd. Euro (- 5,6 %), so das 4. Globale Diebstahlbarometer, eine jährliche Studie des Centre for Retail Research (Nottingham) mit Unterstützung von Warensicherungsspezialist Checkpoint Systems (Heppenheim).
Nach dem krisenbedingten Rekordniveau des vergangenen Jahres hat sich die Situation in 2010 wieder leicht erholt. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die erhöhten Investitionen des Einzelhandels in Sicherungs- und Präventionsmaßnahmen. Weltweit wurden 21,859 Mrd. Euro (+ 9,7 %) in Anti-Diebstahl-Maßnahmen investiert. In Deutschland waren es rund 1,25 Mrd. Euro, was 0,28 % des Umsatzes entspricht (+ 7,6 %). „Mit Start der Rezession in 2008 haben viele Einzelhändler ihre Ausgaben für Verlustprävention gebremst”, so Rob van der Merwe, Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzender Checkpoint Systems. „Der Einzelhandel hat jedoch schnell die Notwendigkeit erkannt, diesen Trend zu korrigieren und angefangen, in Bereiche zu investieren, die eine hohe Kapitalrendite versprechen wie z. B. die Sicherung von besonders diebstahlgefährdeten Artikeln, Schulungen für Mitarbeiter und Store-Audits.“
Entwarnung kann jedoch nicht gegeben werden: „Auch trotz des Rückgangs der Einzelhandelskriminalität hatte in den 42 untersuchten Ländern jede Familie durchschnittlich 152 Euro zusätzlich auf ihrem Kassenzettel“, so Prof. Joshua Bamfield, Direktor des Centre for Retail Research und Studienautor. In Deutschland „zahlte“ jeder Haushalt 149 Euro für Einzelhandelskriminalität. Mehr als 27 % der deutschen Händler gaben zudem an, dass der Ladendiebstahl bei ihnen zugenommen habe.
3,4 Mio. Diebe gefasst
Hauptursache für Warenschwund ist Ladendiebstahl. In Deutschland gehen 52,7 % der Kosten (2,63 Mrd. Euro) auf das Konto von Kunden. Im europäischen Vergleich wird nur in Österreich (56,8 %) ein noch größerer Anteil Ladendieben zugeschrieben, der europäische Schnitt liegt bei 47,8 %. Für 26,1 % (1,3 Mrd. Euro) der bundesweiten Verluste werden unehrliche Mitarbeiter verantwortlich gemacht, gefolgt von internen Fehlern (15,8 %; 0,79 Mrd. Euro) und Lieferanten (5,4 %; 0,27 Mrd. Euro).
Klaurenner sind vor allem Markenartikel, die klein und teuer sind – und damit leicht zu stehlen und gut weiter verkauft werden können. Bei Mode- und Bekleidungsartikeln haben es Diebe vor allem auf Accessoires (4,02 %) und Kinderbekleidung (2,76 %) abgesehen. Unter den Gesundheits- und Schönheitsprodukten liegen Rasierartikel (3,66 %) und Parfums (2,74 %) vorne, bei Lebensmitteln sind es Fleischfeinkost (3,1 %) und Käse (3,06 %). Besonders begehrt sind unter Langfingern auch alkoholische Getränke, Mobiltelefone sowie CDs und DVDs.
Knapp 3,4 Mio. Diebe gingen den europäischen Einzelhändlern laut Diebstahlbarometer ins Netz. Nur 4 % davon waren unehrliche Mitarbeiter. Der durchschnittliche Wert des Diebesguts liegt bei ihnen jedoch mit 1.760 Euro etwa um das 15-fache höher als bei den rund 3,25 Mio. gefassten Ladendieben (114 Euro).
Top 50-Klaurenner: 28,3 % nicht vor Diebstahl geschützt
Häufigste Methode im Kampf gegen Warenschwund ist die elektronische Artikelsicherung (EAS). Etwa 38 % der Einzelhändler nutzen diese Möglichkeit, Waren zu sichern. „Für den Einzelhandel ist die Reduzierung von Warenschwund ein wesentlicher Schlüssel zu mehr Erfolg und Wachstum“, erklärt Dirk Endlich, Deutschland-Chef von Checkpoint Systems. „So setzen alle großen Händler heute auf Sicherungslösungen, die ihre Artikel vor Langfingern schützen und den ehrlichen Kunden zugleich ein verbessertes Produkt- und Einkaufserlebnis bieten, indem sie die Artikel z. B. vor dem Kauf ungehindert in die Hand nehmen können.“ Das Potenzial, Verluste zu senken, ist laut Diebstahlbarometer noch groß: 28,3 % der Top 50-Klaurenner erfahren bislang keinen besonderen Schutz.
„Wenn wir uns weiter langsam von der Rezession erholen“, so van der Merwe weiter, „ist es an der Zeit, Warenschwund mit einem umfassenderen Weg zu bekämpfen und auf zukunftsweisende Technologien zu setzen. Dazu zählen die neueste EAS-Generation sowie RFID-Anwendungen, die mehr Transparenz über den Warenbestand entlang der gesamten Lieferkette bringen. Das führt zu weniger Regalleerständen und mehr Umsatz.“
Das 4. Globale Diebstahlbarometer: Die weltweiten Ergebnisse im Überblick
Warenschwund weltweit
- Warenschwund kostete den Einzelhandel 87,506 Mrd. Euro. Gemessen am Umsatz beträgt die Schwundrate 1,36 (2009: 1,44 %). Die höchste Schwundrate hat Indien (2,72 %), die niedrigste Taiwan (0,87 %).
- In Europa machte Warenschwund 1,29% des Umsatzes aus. Die höchste Schwundrate wurde in Russland (1,61 %) gemessen, die niedrigsten in Österreich (0,97 %) und in der Schweiz (1,00 %).
- Zum Zeitpunkt der ersten europäischen Studie in 2000 betrug die Schwundrate in Europa 1,4 %. Der höchste Wert trat 2002 mit 1,45 % auf und der niedrigste 2006 mit 1,23 %.
Artikel mit gestiegenen Schwundraten
- Obwohl Warenschwund insgesamt rückläufig war, haben einige der am meisten gestohlenen Artikel im letzten Jahr einen Anstieg in puncto Warenschwund verbucht. Beispiele sind Kinderbekleidung, Oberbekleidung, Rasierartikel, Fleischfeinkost und Säuglingsnahrung.
- Warenschwund nach vertikalem Markt
- Warenschwund variiert nach Geschäftsart, Branche und Land. In 2010 wurden die höchsten weltweiten Schwundraten in den Sektoren Autozubehör/Eisenwaren/Baumarktartikel (1,81 %), Bekleidung/ Accessoires (1,72 %) sowie Schönheits- und Pflegeartikel/ Apothekenarikel (1,70%) gemessen.
- In Europa liegt der Sparte Bekleidung/Accessoires (1,79 %) vorne, gefolgt von Bio- und Feinkostläden (1,77 %) sowie Autozubehör/ Eisenwaren/Baumarktartikel (1,70 %).
Ursachen von Warenschwund
- Ladendiebe, von Gelegenheitsdieben bis zur organisierten Kriminalität, hatten in den meisten Ländern den größten Anteil am Warenschwund. Weltweit entfielen auf sie durchschnittlich 42,4 Prozent des Warenschwunds, gefolgt von internem Diebstahl durch unehrliche Mitarbeiter mit 35,3%.
Studieninformation
Das Diebstahlbarometer ist eine jährliche Studie des Centre for Retail Research in Nottingham (Großbritannien) und wird von Checkpoint Systems unterstützt. 2001 wurde die Studie erstmals in Europa durchgeführt, seit 2007 weltweit. Der diesjährige Bericht weist Ergebnisse über Warenschwund und Kriminalität im Einzelhandel in 42 Ländern von fünf Kontinenten aus. Erstmals wurde auch Russland erfasst. Das Globale Diebstahlbarometer ist damit die weltweit größte und umfassendste Studie über Diebstahl und Kriminalität im Einzelhandel.
Die Studie basiert auf Daten einer anonymen Befragung von 1.103 Einzelhändlern, die zusammen einen Umsatz von 712,714 Mrd. Euro erwirtschafteten und 233.721 Standorte haben. Alle Angaben des Berichts beziehen sich auf den Zeitraum Juli 2009 bis einschließlich Juni 2010. An der Studie beteiligten sich in Nordamerika 184 Unternehmen, in Europa 571 Unternehmen, im asiatisch-pazifischen Raum 219 Unternehmen, in Lateinamerika 90 Unternehmen und in Afrika 39 Unternehmen. Die Rücklaufquote beträgt 22,5 Prozent.
Verwendeter Wechselkurs: $ 1= € 0,81565 (30. Juni 2010)