Definition Human Centric Lighting (HCL) des ZVEI:
Licht wirkt vielfältig und immer – visuell, emotional und biologisch. Human Centric Lighting (HCL) unterstützt zielgerichtet und langfristig die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen durch ganzheitliche Planung und Umsetzung der visuellen, emotionalen und insbesondere der biologischen Wirkungen des Lichts.
In den letzten zehn Jahren prägte vor allem das Thema Energieeffizienz durch LED-Technologien die Lichtindustrie und den Einzelhandel. Sie wurden effizienter, smarter und sind heute preislich gleichauf mit Halogen und Co. Nun rückt die Wirkung des Lichts auf das Wohlbefinden des Menschen in den Mittelpunkt.
Das Human Centric Lighting (HCL) bezeichnet biologisch wirksames Licht, das auf nicht-visuelle, unbewusste Weise auf die Gesundheit des Menschen einwirken kann. Hört sich kompliziert an, ist aber im Grunde nur eine Frage der Abstimmung der Farbtemperatur auf den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus.
Einfach gesagt, machen die Blauanteile im Licht wach, indem sie das Schlafhormon Melatonin unterdrücken. Deshalb aktiviert natürliches, helles Sonnenlicht auch besser als jedes künstliche Licht. Abends dagegen ist der Mensch seit jeher entspannendes Licht mit niedrigeren Farbanteilen gewohnt. Wenn künstliches Licht diesen Rhythmus verfälscht, kann dies gesundheitliche Folgen haben. Gerade am Arbeitsplatz, wo wir viel Zeit verbringen, hat das weitreichende Auswirkungen.
Die richtigen Arbeitsbedingungen zu jeder Tageszeit schaffen
In einem Positionspapier zum Einsatz von HCL rät der Fachverband Licht im ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.) deshalb, die neuen Erkenntnisse zu Lichtwirkungen sinnvoll für den Menschen zu nutzen und eine Beleuchtung zu verwirklichen, die sich stärker an den biologischen Erfordernissen der Nutzer orientiert. „Dieses Beleuchtungskonzept […] zielt darauf ab, den Nutzern zu jeder Zeit die Beleuchtung bereitzustellen, die den jeweiligen Lebens- und Arbeitsbedingungen angemessen ist.“ Will heißen: „kälteres“ tageslichtweißes Licht am Tag sowie weniger und „wärmeres“ Licht in der Nacht.
Der Verband fasst zusammen: Diese Art der biologisch wirksamen Beleuchtung „unterstützt den Menschen in aktiven Zeiten und Ruhephasen, stabilisiert langfristig den Tag-Nacht-Rhythmus, sorgt damit für besseren Schlaf und mehr Energie am Tag, aktiviert unmittelbar und fördert Motivation und Leistungsfähigkeit.“
In Studien konnte bereits der Nutzen von HCL nachgewiesen werden. In einer Schule in Hamburg beispielsweise wurde neben anderen baulichen und ergonomischen Neuerungen ein Lichtkonzept basierend auf biologisch wirksamem Licht umgesetzt. Die Schüler arbeiteten damit konzentrierter, schneller und zeigten bessere Ergebnisse.
Der Arzt und Elektrotechnik-Ingenieur, Prof. Herbert Plischke von der Professur Licht und Gesundheit an der Hochschule München beschreibt, was man bei künstlicher Beleuchtung falsch machen kann: „Nicht ausreichende Blauanteile (niedrige Farbtemperatur) und geringe Beleuchtungsstärken am Tag können Müdigkeit und die ‚Verschiebung‘ der inneren Uhr bewirken. Falsch ist es auch, in der Nacht hohe Blauanteile (hohe Farbtemperaturen) einzusetzen. Denn dies unterdrückt den Ausstoß von Melatonin und stört somit den Biorhythmus.“
Was kann der Einzelhandel aus diesen Erkenntnissen lernen?
Der Einzelhandel kann sich das neu errungene Wissen auf mehreren Ebenen zu Nutze machen. Den größten Gewinn kann sicherlich die Schicht- und Lagerarbeit erzielen, denn gerade in der Logistik für den E-Commerce sind tageszeitenunabhängige Arbeitszeiten ein immer größeres Thema: Der Kunde möchte am liebsten rund um die Uhr Waren bestellen und möglichst schnell erhalten. Da liegt es auf der Hand, den Mitarbeitern im Lager ein möglichst angenehmes Licht zu schaffen, das ihn bei der Arbeit unterstützt, ohne die innere Uhr durcheinanderzubringen.
Wie das Licht dem Tagesverlauf angepasst wird zeigt das unten stehende Bild einen Vergleich von morgens, mittags und abends im EDEKA Köpper:
HCL in der praktischen Anwendung bei EDEKA Köpper
Thomas Köpper, Inhaber und Geschäftsführer des EDEKA Köpper in Niedernwöhren, ließ kürzlich seinen Store mit HCL-Technologien ausstatten. Er beschreibt die Veränderung seit dem Abschied von grellhellen Neonleuchten: „Heute haben wir zum einen ein Licht, das eher die Ware beleuchtet und zum anderen ein dezentriertes, flächiges Licht. Die speziellen Leuchten für das Human Centric Lighting befinden sich vor allem im Kassenbereich und in den Personal- und Büroräumen. Denn die Mitarbeiter sind diejenigen, die am meisten von der Umstellung profitieren, da sie hier ihre Arbeitszeit verbringen. Aber auch unsere Kunden reagieren auf die neue Atmosphäre, die vor allem durch die Natürlichkeit des Lichts und die Anpassung an die Tageszeit geschaffen wird.“ Dies wird erreicht durch eine automatische Steuerung, die an Tages-, Sommer- und Winterzeit angepasst ist.
In einer begleitenden Studie des Lichtanbieters konnte im Vergleich zu einem anderen Markt ein deutlicher Umsatzanstieg im Zeitraum von zehn Monaten festgestellt werden. Inhaber Köpper empfindet die neue Beleuchtung selbst als sehr angenehm und ist vom Nutzen der Investition überzeugt.
Technische Voraussetzungen – Richtlinien zur Anwendung von HCL gefordert
HCL funktioniert, indem Licht mit wechselnden Helligkeiten und Lichtfarben dynamisch eingesetzt wird. Die dimmbaren Leuchtmittel geben Licht flächig ab. Biologisch wirksames Licht wird zwar über das Auge vermittelt, funktioniert allerdings unabhängig vom Sehvorgang, weshalb gängige Voraussetzungen für die Installation von Beleuchtung hierfür nicht direkt greifen. Hierzu sind Forschern zufolge noch Richtlinien nötig, die Standards für die HCL-Praxis setzen. Um HCL verbreitet einsetzen zu können, wünschen sich Stakeholder, die für eine Studie der Organisation Lighting for People befragt wurden, mehr erfolgreiche Anwenderbeispiele und praktische Umsetzungstipps. Darüber hinaus liege die Herausforderung vor allem darin, die unterschiedlichen Komponenten und die Steuerung so zu gestalten, dass sie leicht zu handhaben und kostengünstig sind.
Einzelne Beleuchtungsunternehmen haben sich dem Thema allerdings schon intensiv gewidmet und bieten HCL als Produkt und Service an. Der ZVEI betont: „Die Beleuchtungsplanung sollte ergänzend zu den visuellen Anforderungen heute auch die nicht-visuellen Wirkungen von Licht auf den Menschen berücksichtigen.“ Ansporn für die Lichtindustrie also, das Thema ernst zu nehmen und auch im Bereich Einzelhandel zu etablieren. Schließlich ist die langfristige positive Auswirkung auf die Gesundheit ein Argument, das kaum zu schlagen sein sollte.