Bericht • 04.12.2012

Wer entscheidet, was ins Regal kommt?

Man schätzt, dass allein im Bereich Molkereiprodukte jedes Jahr über 5.000 neue Produkte in den Lebensmittelhandel kommen. Nur 300 können sich langfristig behaupten. Die Hersteller stecken viele Millionen Euro in die Werbung – zunächst damit der Handel ordert und dann damit die Kunden kaufen. Und um nicht ausgelistet zu werden, müssen Hersteller auch ihre bekannten Marken pflegen. Damit nicht genug: Die Handelsketten haben viele eigene Marken. Das Category Management entscheidet nicht nur, was ins Regal kommt, sondern auch wie viel davon. Dabei hilft immer öfter moderne Software. Aber in Zukunft könnte es auch virtuelle Regale geben.


Seit vier Jahren prämiert die „Lebensmittel-Zeitung“ die erfolgreichsten Markenartikel aus einhundert Warengruppen. Basierend auf dem GfK-Vergraucherpanel mit 35.000 Konsumenten ist dies die größte repräsentative Verbraucherstudie. Als „Top Marke 2011“ wurden die Produkte ausgezeichnet, „die 2010 den höchsten Marktanteilszugewinn bei gleichzeitig positiver Umsatzentwicklung“ verbucht haben. Die Umsatzentwicklung – das ist für den Handel der entscheidende Faktor.

„Die Liste der 100 erfolgreichsten Produkte reicht 2011 von A wie Almondy bis zu Z wie Zewa. Dazwischen gibt es viele Überraschungen.“ So bilanziert die LZ. Das gute Konjunkturklima habe zahlreichen Mittelständlern Marktanteilsgewinne in ihren Warengruppen beschert. Marken wie Popp, Appel, Filinchen und Weleda tauchen in der Top 100 der LZ auf. Die großen Marken wie Ariel, Coca-Cola, Maggi und Hohes C fehlen natürlich nicht.

Einige Hersteller sind bereits vorher ganz oben gewesen, so zum Beispiel Ferrero. Die Marke Giotto sicherte sich den Titel erstmals im Segment Pralinenspezialitäten, Kinder Riegel wurde jedoch 2010 und 2011 im Segment Schokoriegel ausgezeichnet. Kinder Riegel ist seit 1981 auf dem deutschen Markt, Giotto seit 1996. Nach der Markteinführung kommt die Markenpflege. Dem Handel versprechen die Hersteller hohen Werbe-Etats und „abverkaufsstarken Aktionen. Damit sie ordern, gibt es Aufsteller, Deckenhänger und Aufstellmöglichkeiten – am besten gleich in halber Palettengröße als Sonderplatzierung.

Marken brauchen Vertrauen

Die Interessenvertretung der Markenartikel-Hersteller ist der Markenverband. Dieser betont die wirtschaftliche und psychologische Bedeutung der Marken. Sie seien Innovationstreiber, böten dem Verbraucher Orientierung und dem Handel solide Absatzmöglichkeiten. Marken seien das Original, das von Billiganbietern nachgeahmt werde. Aber längst lassen sich auch Markenhersteller darauf ein, Handelsmarken zu produzieren.

Entscheidend für Marken sind Vertrauen und Sympathie, sagen Marktforscher. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Vertrauen wirkungsvoll über das Produkt gestärkt werden kann. Kommunikative Maßnahmen – vor allem Werbung – wirken dagegen stärker auf die Sympathie. Marken können Kultstatus erlangen oder zum Sammelbegriff für ihre Produktgruppe werden. Im LEH mit seinen oftmals langen Lieferketten hängt das Vertrauen ins Produkt auch von vertrauenswürdigen Vertriebsstrukturen ab. Daher werden immer mehr Produkte aus der Region mit Rückverfolgbarkeit bis zum Erzeuger gelistet.

Vertrauen und Sympathie brauchen die Hersteller offenbar nicht nur beim Verbraucher, sondern auch im Handel. Denn oft entscheiden Category Manager noch nach dem „Bauchgefühl“, was ins Regal kommt. Das betrifft freilich nicht nur neue Produkte. Auch im Bestand zählt vielerorts die Erfahrung. Damit macht man sich freilich abhängig von einzelnen altgedienten Mitarbeitern. Und bei der Vielzahl der Produkte können sie gar nicht bei allen Bestellungen das Optimum erreichen.

Handel und Hersteller Hand in Hand

Das Optimum im Category Management – das ist jene Bestellmenge, die gerade noch ausreicht, damit die Ware im Regal nicht ausgeht. Zu viel und zu wenig kosten unnötig Geld. Zu viel Ware kann verderben und muss weggeworfen oder vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums unter Wert zu Sonderpreisen verkauft werden. Zu wenig Ware führt zu leeren Regalen – und im schlimmsten Fall zu abwandernden Kunden.

Handel und Hersteller sollten beim Category Management nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten, fordert die CM-Expertin Petra Engels von GS1 Germany. Und sie meint, dass sich hier einiges tut. Der Handel hat mit den Kassenbons zuverlässige Daten über den Abverkauf – durch Online-Anbindung der Filialen immer öfter sogar in Echtzeit. Die Hersteller investieren in Marktstudien und haben den Überblick über die verschiedenen Handelsstrukturen.

IT für bessere Regale – und Einkaufen ohne Regal

Software kann helfen, die Bestellmengen und die Platzierung in den Regalen zu optimieren. Dabei geht der Trend hin zu filialspezifischen Auswertungen, denn bei aller Standardisierung sind die Standorte sehr unterschiedlich – sowohl was die Größe als auch das Umfeld, also die Kundschaft, betrifft. Beispiel real. Die Metro-Tochter hat sich gerade für die Regalplanungssoftware „Apollo Space Optimization“ von Aldata entschieden.

Durch den neuen Ansatz der Planogramm-Pflege werden automatisch für jede Filiale auf Regal- und Produktebene individuelle Platzierungsempfehlungen erstellt. Die Verkaufsflächen variieren zwischen 4.000 und 15.000 Quadratmetern. Nach Informationen der „Lebensmittel-Zeitung“ löst Aldata „Nielsen Spaceman“ ab.

Der Platz in den Regalen ist beschränkt – jedenfalls noch. Die Alternative könnten virtuelle Regale sein. Der Drogeriemarktbetreiber Budnikowsky aus Hamburg bietet mobilen Online-Einkauf per QR-Code und Großplakat an. Den Auftakt bildete eine zehn Tage dauernde Plakataktion in elf deutschen Städten an U-Bahn-Stationen. Die Plakate zeigten Regale mit Naturprodukten aus dem Online-Shop. Vorgemacht hat es Tesco in Korea. Dazu gibt es bei Youtube ein Video.

Die Kunden fotografieren den QR-Code auf Plakaten, die Warenregale oder nur die Produkte zeigen, und können bestellen, ohne lange auf dem kleinen Display suchen zu müssen. Plakatshops könnten das Categroy Management umkrempeln, doch für den Handel ist dies nicht ohne Gefahr, denn Online-Shops kommen so in die Fußgängerzonen. Der Online-Shop Aliqua machte aus zwei eigenen Läden und zwei Shop-in-Shop Standorten in Hamburg auf einen Schlag 100 Plakatfilialen.

Marken hängen ab vom Vertrauen. Bislang schon musste der Handel darauf vertrauen, dass die Hersteller mit eigenen Markenshops nicht zu Wettbewerbern werden. Bald könnten Hersteller selbst auf Plakatshops setzen. Dem LEH bleibt vorerst ein Trost. Bislang ist es noch kaum gelungen, online bestellte frische Produkte flächendeckend direkt nach Hause zu liefern.

René Schellbach, iXtenso.com 

01.01.2012

 

 

 

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