Die Nachfrage nach digitalen Marketingstrategien, die auch lokal eingesetzt werden können, wächst. Die standortbezogene Echtzeitkommunikation ermöglicht es Händlern, die Brücke zwischen digitaler Werbung und dem Offline-Verhalten ihrer Konsumenten zu schlagen. Location Based Services wie beispielsweise Geo-Fencing bergen daher ein großes Potenzial für die digitale Marketingstrategie.
„Geo-Fencing bezeichnet die gezielte Auslieferung von Werbemitteln abhängig vom aktuellen Aufenthaltsort eines Nutzers“, erklärt Anke Francovich von der Agentur pilot in Hamburg. Über eine App erhalten Kunden innerhalb eines „eingezäunten“ Gebietes Informationen und Werbung auf ihr Smartphone. Geortet wird der Standort via GPS, das die Position eines Endgerätes bis auf zehn Meter genau ermitteln kann. „GPS ermöglicht Werbetreibenden mit hoher Präzision zu definieren, an welchen Orten ein Werbemittel ausgeliefert wird. Je nach Größe der Fläche ändert sich die Genauigkeit des Targetings zugunsten der Reichweite. Im Allgemeinen gilt: Je kleiner der Bereich, desto höher ist die Relevanz der Werbebotschaft für den Empfänger.“
Jung, neugierig und mobilaffin
Der Großteil der User, die über Geo-Fencing-Kampagnen angesprochen werden, ist vor allem eines: viel unterwegs, shopping- und mobile-affin. Hierbei kann Geo-Fencing auf alle Zielgruppen angewendet werden, da die GPS-Daten sich je nach Anbieter mit einem spezifischen soziodemografischen Targeting verbinden lassen. „Zielgruppen können so noch effizienter angesprochen und Streuverluste vermieden werden“, erklärt Francovich weiter.
Übertritt nun also der Kunde die Grenze des Geo-Fences, erhält er eine Push-Nachricht auf sein Smartphone. Hierfür muss der Kunde zuvor die App des Händlers oder eines anderen Shopping-App-Anbieters auf seinem Endgerät installieren. Die Anzeige auf dem Display ist vergleichbar mit einer SMS oder WhatsApp-Nachricht und daher besonders aufmerksamkeitsstark. „Push-Nachrichten erreichen Öffnungsraten zwischen 47 und 80 Prozent, abhängig von Faktoren wie Timing, Anlass oder Relevanz“, erläutert Francovich. Die Rate liege damit deutlich höher als vergleichsweise bei E-Mail-Nachrichten.
Der Mehrwert von Push-Notifications liegt ganz klar in der Verbindung mit dem Ort. Sie steigern die Relevanz und führen die Kunden direkt in den Shop. Doch nicht nur Smartphonenutzer kommen als Zielgruppe in Frage. „Langfristig gedacht eignet sich der Kanal auch für Smartwatches, Connected Cars und andere vernetzte mobile Endgeräte, welche die Installation von Apps erlauben. Die zunehmende Relevanz des Internet of Things wird neue Einsatzszenarien und damit Potenziale eröffnen“, prognostiziert Francovich.
Push-to-POS
Für den Händler hat Geo-Fencing einen entscheidenden Vorteil: Die lokale Marke wird gestärkt. Denn das primäre Ziel ist der „Push-to-POS“ – also Kunden in den Shop zu ziehen – beziehungsweise die Kommunikation am POS selbst. Dafür werden vor allem Coupons mit Rabatten verschickt oder wahlweise Banner ausgeliefert, über die Gutscheine als Bilddatei abgespeichert werden können. Auch dynamische Distanzanzeigen inklusive Karte und Routenplaner-Funktion, die den User direkt ins Geschäft leiten, sind möglich.
Auch der Sportartikel-Händler SportScheck setzte zusammen mit dem Location Based Services-Experten Offerista bereits mehrere Geo-Fencing-Kampagnen um, die die Frequenz der Kunden in den Filialen erhöhen sollte. Über die barcoop-App, entwickelt von Offerista, wurden die Kampagnen abgewickelt. Radius und Werbeformate werden hierbei in einer selbstentwickelten Software hinterlegt, die darüber hinaus den Versand der Push-Nachrichten steuert. Registrierte die Software, dass ein Kunde den absteckten Fence betrat, versendete sie im Fall von SportScheck automatisch einen Coupon im Wert von zehn Euro. Dieser konnte dann über einen Barcode in den Stores eingelöst werden. Auch die Messung des Kampagnenerfolgs kann über das System vorgenommen werden.
Michael Jacobi, verantwortlich für Konzeption eCommerce und Mobile bei SportScheck, erklärt: „Geobasierte Push-Nachrichten sind eine attraktive Möglichkeit zur integrierten Kundenansprache über Online- und Offline-Kanäle. Ziel war es, mehr Kunden in unsere Filialen zu lotsen, zusätzliche Touchpoints zu schaffen und im nächsten Schritt selbstverständlich auch den Abverkauf zu steigern.“
Die Umwandlungsrate der Kunden, die sich offen gegenüber Mobile Marketing zeigten, sei sehr zufriedenstellend gewesen. Jacobi geht davon aus, dass mit weiteren Tests und Cases die Anzahl der Abverkäufe weiter steigen könnte. Die nächste Kampagne stehe bereits in den Startlöchern. Er betont: „Für mich gehört Location Based Advertising mittels Geo-Fencing-Kampagnen unausweichlich zu einem modernen Marketing-Mix im Retail-Bereich.“
Geo-Fencing eignet sich somit grundsätzlich für alle Händler, die Traffic in ihren Store bekommen wollen – und zwar unabhängig von angebotenen Produkten, Größe des Sortiments und Ladens oder der Anzahl der Filialen.
Datenschutz: Mehr Vertrauen gleich größere Kampagnen
Trotz der anhaltenden Datenschutzdebatte geben gerade junge Kunden bereitwillig ihre Standortdaten frei. Laut dem „Mobile Behaviour Report“ sind ungefähr 71 Prozent der Befragten bereit, ihren Standort an bestimmte Apps freizugeben. Einer Studie von Gettings und Goldmedia zufolge teilten außerdem bereits 56 Prozent der deutschen Smartphonenutzer mehrmals im Monat Unternehmen ihren Standort mit, um Location-Based Services nutzen zu können.
„Generell gilt: Die Standortfreigabe muss für die Nutzer immer mit einem nachweislichen Mehrwert verbunden sein, beispielsweise Informationen zu nahegelegenen Shops, Restaurants und Kinos sowie deren Verbindung mit Coupons oder Rabattaktionen“, erklärt Francovich. Wichtig sei hier die Transparenz: „Den Nutzern müssen die Vor- und Nachteile erklärt werden, um die Akzeptanz von personalisierter Werbung zu fördern.“
Francovich resümiert: „Im Bereich Location-Based-Advertising wird ein ‚solides‘ Wachstum der Ausgaben um 3,3 Prozent für 2016 erwartet. Damit der Sektor allerdings sein Potenzial voll erfüllen kann, liegt der Schlüssel in der Verifizierung, Standardisierung und Anonymisierung der Kundendaten – nur so werden sie für den Werbenden nutzbar gemacht.“ Sofern also die Bedenken der Nutzer gegenüber Datenschutzfragen sinken, werden auch die Reichweiten und somit die Kampagnenvolumina steigen.