Interview • 02.07.2012
„Es ist falsch, die Geschäfte zu Schrotthändlern zu machen“
Interview mit Kai Falk, Geschäftsführer Handelsverband Deutschland (HDE)
Der Handel tut viel zur Vermeidung von Abfällen, meint Kai Falk vom Handelsverband HDE. Er wehrt sich gegen weitere politische Hürden und begrüßt das anstehende Kreislaufwirtschaftsgesetz als Schritt in die richtige Richtung. Eine zusätzliche Abgabe auf Plastiktüten und die Rücknahme aller Elektrokleingeräte lehnt der Verband jedoch ab.
Kritiker werfen dem LEH vor, zu viele Lebensmittel wegzuwerfen. Sind die Verbraucher zu anspruchsvoll? Ordert der Handel zu viel aus Angst vor leeren Regalen?
Die Händler tun alles, um die Lebensmittelabfälle so gering wie möglich zu halten. Sei es mithilfe von ausgefeilten Warenwirtschaftssystemen, die es ermöglichen, die Warenversorgung immer besser an die tatsächliche Nachfrage der Konsumenten anzupassen, oder durch kürzere Bestellrhythmen und kleinere Bestellmengen, die helfen, bei verderbgefährdeten Produkten Abfälle zu vermeiden. Außerdem ist der Einzelhandel einer der größten Spender für die Tafelbewegung und spendet Lebensmittel, die nicht mehr verkauft, aber noch gegessen werden können.
Davon abgesehen ist die Menge der Lebensmittelabfälle im Einzelhandel nicht so groß, wie oft angenommen wird. Das EHI Retail Institute kommt zu dem Schluss, dass im deutschen Lebensmitteleinzelhandel umgerechnet weniger als vier Kilogramm Lebensmittel pro Verbraucher und Jahr vernichtet werden. Das entspricht pro Kopf einem Warenwert von 15 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Pro Jahr werden laut Cofresco 80 Kilo Lebensmittel im Wert von 310 Euro in den Hausmüll entsorgt.
Mit seiner Nachfragemacht könnte der Handel viel tun zur Müllvermeidung bei Verpackungen. Ist mehr Druck auf die Hersteller nötig?
Die Handelsunternehmen sind bemüht, ihren Warenfluss so effizient wie möglich zu gestalten. Unnötige Verpackungen verursachen Kosten, erfordern zusätzliche Logistik und stören den Warenfluss. Daher ist es im ureigenen Interesse der Händler, die Lieferanten auf derartige Fehlentwicklungen hinzuweisen.
Was kann der Handel tun, damit die Recycling-Quote bei Verpackungen in Deutschland steigt?
Handelsunternehmen schließen sich einem Entsorgungsunternehmen an und sorgen so dafür, dass die von ihnen gesammelten Verpackungsabfälle wie vorgesehen entsorgt und recycelt werden. Außerdem sind Händler verpflichtet, Umverpackungen ihrer Kunden zurückzunehmen, was die Sammelquote erhöht. Hierdurch wird verhindert, dass recyclingfähige Verpackungsmaterialien mit dem Restmüll entsorgt werden.
Hat die duale Entsorgung, zum Beispiel mit dem Grünen Punkt, versagt?
Nein, das duale Entsorgungssystem hat nicht versagt. Der Wettbewerb der dualen Systeme hat dazu geführt, dass Verbraucher diesen Entsorgungsweg nicht über zusätzliche Müllgebühren finanzieren müssen. Allerdings sind die dualen Systeme nach wie vor chronisch unterfinanziert und leiden unter einem zu schwachen Vollzug durch den Gesetzgeber. Die faire Finanzierung des Systems muss sichergestellt sein, bevor die Gelbe Tonne zu einer Wertstofftonne ausgeweitet werden kann.
Sind Sie zufrieden mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz?
Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz stärkt das Recycling von Abfällen. Zugleich ist jetzt der Weg frei für die Einführung einer haushaltsnahen Wertstofftonne in Deutschland. Deshalb bewerten wir das Gesetz als Schritt in die richtige Richtung. Positiv ist, dass die Bundesregierung nach einer Einführungsphase prüfen will, ob die Regelung den Anforderungen an die Effizienz sowie an die Qualität und Quantität des Recyclings tatsächlich gerecht wird.
Jeder Haushalt bekommt noch eine Abfalltonne zusätzlich. Ist das der richtige Weg? Wohin damit in der Stadt?
Die Diskussion zur Wertstofftonne zeigt, dass es nicht unbedingt zusätzliche Tonnen sein müssen. Es ist genauso gut möglich, die bereits bestehende Gelbe Tonne zu einer Wertstofftonne weiterzuentwickeln. Selbst kleine Elektrogeräte könnten so haushaltsnah entsorgt werden.
Die Grünen fordern eine Steuer auf Plastiktüten. Sie sind dagegen. Warum?
Die Grünen ignorieren mit ihrem Vorschlag für eine Besteuerung der Plastiktüten die Erfolge, die wir in Deutschland vorweisen können. Durch den so genannten „Tütengroschen“ konnte der Verbrauch in Deutschland auch ohne gesetzliche Pflicht deutlich gesenkt werden. So verwendet jeder Verbraucher hierzulande im Schnitt pro Jahr ca. 65 Plastiktüten, US-Amerikaner dagegen das Fünffache. Hinzu kommt, dass Plastiktaschen in Deutschland von der Verpackungsordnung und dem Dualen System erfasst sind und somit nicht in der Landschaft landen. Etwa drei Viertel der Konsumenten benutzen Einkaufstüten mehrfach.
Wann rechnen Sie mit Bioplastik für Tüten oder Verpackungen?
Hier möchte ich vor zu hohen Erwartungen warnen. Plastik, das aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt ist, kann nicht ohne weiteres recycelt werden und wird im Endeffekt meistens verbrannt. Außerdem ist die Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen wasser- und energieintensiv. Auch biologisch abbaubare Kunststoffe zersetzen sich in der Regel nur unter kontrollierten Bedingungen.
Der Handel musste viel Geld investieren in Rücknahme-Automaten für PET-Flaschen. Hat es sich gelohnt?
Das politische Ziel einer Zurückdrängung von Einwegverpackungen ist nicht erreicht worden.
Haben Pfand-Glasflaschen im Getränke-Sortiment keine Chance mehr gegen PET, Karton und Dose?
Das hängt vom Produkt ab. Beim Bier ist die Mehrwegflasche die mit Abstand bevorzugte Verpackung.
Im Recycling von Alt-Batterien ist Deutschland europaweit vorne, aber viele landen noch im Müll. Ist mehr nicht drin?
In der Tat ist die Sammelquote von Altbatterien nach wie vor enttäuschend, selbst wenn Deutschland im europaweiten Vergleich sehr gut dasteht. Es hat sich gezeigt, dass die verpflichtende Rücknahme im Handel nicht das erhoffte Allheilmittel ist. Vielmehr scheint sich zu bewahrheiten, dass viele Menschen Batterien über den Hausmüll entsorgen, selbst wenn die nächste Annahmestelle nicht fern ist. Dieser Effekt muss näher untersucht werden, bevor neue Rücknahmepflichten eingeführt werden, zum Beispiel für Elektrogeräte.
Die EU plant, dass Elektrogeschäfte alte Kleingeräte annehmen müssen, auch wenn die Kunden kein Neues kaufen. Muss der Handel sich damit abfinden?
Wir setzen uns für eine effektive und geregelte Rückgabe von Elektrokleingeräten ein. Die jetzt von EU-Parlament und Rat beschlossene Richtlinie ist allerdings in einigen Punkten nicht zielführend. Denn Deutschland verfügt mit den Wertstoffhöfen bereits über eine gut funktionierende Rücknahme. Es ist falsch, jetzt die Geschäfte zu Schrotthändlern zu machen. Wir fordern die Entsorgung kleiner Elektrogeräte über die in Deutschland geplante Wertstofftonne.
Interview: René Schellbach, Erstveröffentlichung: EuroShop.de
Link-Tipp
Arbeitskreis Entsorgung des HDE
http://www.einzelhandel.de