Firmennachricht • 16.06.2023

Retail-Fibu – Wie sieht Buchhaltung im Einzelhandel aus?

Einzelhändler*innen müssen sich auch mit Buchhaltung und Steuern beschäftigen. Welche Fragen kommen dabei auf?

Die Selbstständigkeit im Retailing ist mit vielen Aufgaben verbunden. Auf der einen Seite entwickeln Einzelhändler*innen originelle Maßnahmen im Retail Marketing, damit ihre Produkte ausreichend nachgefragt werden. Auf der anderen Seite geht es für sie darum, geeignete Prozesse für die Logistik ihres Unternehmens zu finden, um die Lieferketten aufrechtzuerhalten. Überdies stehen wichtige Fragen zur Händler*innenfinanzierung und zur Kund*innenbindung an.

Eine Person geht mit einem Stift in der Hand eine Liste durch...
Quelle: FlyFin / Pixabay

Einzelhändler*innen müssen sich auch noch mit den Themen Buchhaltung und Steuern beschäftigen. Dabei geht es unter anderem um die Beantwortung der folgenden Fragen: Wie wird ein Retailer steuerlich eingeordnet? Welche Ausgaben können gewinnmindernd abgesetzt werden? Was ist eine Einnahmen-Überschussrechnung? Ab welchem Zeitpunkt muss eine Bilanz erstellt werden und welche Steuern zahlt ein Retailer?

Die steuerliche Einordnung eines Retailers

Die Einkünfte eines Retailers unterliegen der Einkommensteuer. Um die steuerliche Veranlagung durchführen zu können, benötigt das Finanzamt deshalb die Einkommensteuererklärung. Hier wird der Gewinn deklariert, den Einzelhändler*innen im vorangegangenen Kalenderjahr erzielt haben. An diesem Gewinn orientiert sich das Finanzamt bei der Festsetzung der Einkommensteuer. Fraglich bleibt nur, wie dieser Gewinn zu ermitteln ist.

Im Steuerrecht wird nach freiberuflichen und gewerblichen Einkünften unterschieden. Freiberufliche Einkünfte erzielen z.B. Steuerberater*innen oder Rechtsanwält*innen. Dies liegt daran, dass für den Beruf der Steuerberaterin / des Steuerberaters oder der Rechtsanwältin / des Rechtsanwalts eine besondere Qualifikation als Zulassung zur Ausübung der Tätigkeit gefordert wird. Diese Zulassungsvoraussetzung benötigt ein Retailer nicht. Er wird dadurch eigenverantwortlich und nachhaltig tätig, dass er seine Produkte an die Kund*innen verkauft. Aus diesem Grund ordnet das Steuerrecht die Tätigkeit eines Retailers als eine gewerbliche Tätigkeit ein. Deshalb müssen Einzelhändler*innen ihre unternehmerische Tätigkeit beim Gewerbeamt anmelden.

Für die Ermittlung des Gewinns gibt das Steuerrecht zwei Gewinnermittlungsmethoden vor, die vom Umsatz oder dem erzielten Gewinn abhängig sind. Wurde im vergangenen Jahr die Umsatzgrenze von 600.000 € - oder die Gewinngrenze von 60.000 € - nicht überschritten, wird der Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung ermittelt. Dies bedeutet, dass der Retailer seine Betriebseinnahmen und seine Betriebsausgaben gegenüberstellt. Als Ergebnis ergibt sich entweder ein steuerpflichtiger Gewinn oder ein Verlust.     

Hat der Einzelhändler einen Umsatz von mehr als 600.000 € – oder einen Gewinn von über 60.000 € – erwirtschaftet, fordert das Finanzamt ihn zur Aufstellung einer Bilanz auf. Die Bilanz unterscheidet sich z.B. durch die periodengerechte Abgrenzung von der Einnahmenüberschussrechnung.

Beispiel

Die Telefonrechnung für den Monat Dezember wird Mitte Januar bezahlt.

Bei einem Einnahmenüberschussrechner wirken sich die Telefonkosten erst in dem Jahr als abzugsfähige Betriebsausgaben aus, in dem die Rechnung bezahlt wird. Bei der Aufstellung einer Bilanz wird der Aufwand noch in dem alten Jahr gewinnmindernd berücksichtigt. Die Rechnung des Telefonanbieters stellt eine sonstige Verbindlichkeit dar, die mit der Bezahlung aufgelöst wird.  

Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung

Die Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) ist die Gewinnermittlungsmethode für Freiberufler*innen und Kleinunternehmer*innen. Weil es hier ausschließlich darum geht, die Betriebseinnahmen den betrieblichen Ausgaben gegenüberzustellen, kann die EÜR von Einzelhändler*innen selbst erstellt werden. Alternativ beauftragt man eine Steuerberatungskanzlei.

Im Gegensatz zur Bilanz muss ein Geschäftsvorfall bei der Einnahmen-Überschussrechnung nur einmal erfasst werden. Dieser Geschäftsvorfall ist entweder eine Einnahme oder eine Ausgabe, wie z.B. die Logistikkosten oder der finanzielle Aufwand für eine Werbekampagne.

Bei der Erstellung einer Einnahmen-Überschussrechnung ist insbesondere das Zu- und Abflussprinzip zu beachten. Kennzeichnend für die Regelung ist, dass eine Einnahme oder eine Ausgabe erst dann erfasst werden darf, wenn sie sich tatsächlich auf den Gewinn auswirkt. Dies bedeutet, dass erst eine Bewegung in der Kasse oder auf dem Geschäftskonto dazu führt, dass der Betrag in der EÜR erfasst wird. Von diesem Prinzip gibt es folgende Ausnahmen:

  • Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben, wie z.B. die Miete oder die Telefonkosten dürfen dann in dem alten Kalenderjahr berücksichtigt werden, wenn der Geldfluss vor dem 10. Januar des neuen Jahres stattfand.
  • Bei der Verwendung von Kreditkarten gilt der Geldabfluss erst, wenn der Zahlungsbeleg von dem Kreditkarteninhaber unterzeichnet wurde. Kommt die Kreditkartenabrechnung für den Dezember im Januar, können die Aufwendungen noch im alten Jahr als abzugsfähige Betriebsausgaben berücksichtigt werden.  

Nachdem die EÜR fertiggestellt ist, werden die Daten in die Anlage EÜR der Einkommensteuererklärung übernommen. Diese wird nach den Angaben über die Sonderausgaben, die außergewöhnlichen Belastungen, das Kindergeld und noch weiteren Daten mittels eines authentifizierten Verfahrens an das Finanzamt übermittelt. Hierfür kann z.B. das Elster-Portal der Finanzverwaltung verwendet werden. Mit der Abgabe seiner Steuererklärungen hat ein Retailer seine steuerlichen Pflichten erfüllt.

Gewinnermittlung durch Aufstellung einer Bilanz

Hat der Retailer einen Umsatz von über 600.000 € – oder einen Gewinn von mehr als 60.000 € – erzielt, ist er zur Aufstellung einer Bilanz verpflichtet. Dies ist mit der Aufgabe verbunden, die Vermögenswerte des Unternehmens dem Kapital gegenüberzustellen. Hierfür wird in einer Bilanz die folgende Aufteilung vorgenommen:

  • Aktiva = Vermögen
  • Passiva = Kapital

Das Vermögen wird in das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen eingeteilt. Zum Anlagevermögen gehören alle Gegenstände, die der Retailer dauerhaft nutzt, um seinen Einzelhandel zu betreiben. Hierzu zählen z. B. die Ausstattung eines Ladenlokals oder der Firmenwagen. Als Umlaufvermögen werden alle Gegenstände aufgenommen, die sich nur für kurze Zeit in dem Unternehmen befinden. Hierzu rechnen z.B. die Waren, die sich noch auf dem Lager des Retailers befinden.

Beim Kapital ist es notwendig, dass Eigenkapital von dem Fremdkapital abzugrenzen. Zum Eigenkapital zählen alle finanziellen Mittel, die der Retailer selbst in das Unternehmen eingebracht hat. Das Fremdkapital besteht z.B. aus den Darlehen, die bei der Bank aufgenommen wurden, um den Geschäftsbetrieb zu ermögliche. Aber auch eine offenstehende Rechnung, die zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt wird, gehört zu den fremden Mitteln des Retailers. Sie wird als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen deklariert.

Wichtig ist, dass bei der Bilanzerstellung die periodengerechte Abgrenzung beachtet wird. Kommt z.B. Mitte des Jahres die Versicherung für den Firmenwagen verteilt sich der Betrag auf das vorangegangene Kalenderjahr und das laufende Kalenderjahr. Als Orientierungshilfe für die periodengerechte Abgrenzung gilt der Monat, in dem der Versicherungsbeitrag bezahlt wird.

Auch eine Bilanz wird abschließend auf digitalem Weg an die Finanzbehörde übermittelt.

Retail und Steuern

Neben der Einkommensteuer ist ein Retailer umsatzsteuerpflichtig und gewerbesteuerpflichtig.

Um den Anforderungen an die Umsatzsteuer gerecht zu werden, weist der Retailer in allen Rechnungen die gesetzlich geltende Umsatzsteuer (7% oder 19%) aus. Zahlungspflichtig sind die Kund*innen, die die Rechnung bezahlen. Die Einzelhändler*innen vereinnahmen die Umsatzsteuer und führen sie an das Finanzamt ab. Steuerlich wird dieser Betrag als Umsatzsteuer-Traglast bezeichnet.

Aus den Eingangsrechnungen kann der Retailer die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen. Hierfür erstellt er vierteljährlich eine Umsatzsteuervoranmeldung, die spätestens am 10. Tag nach dem Besteuerungszeitraum beim Finanzamt vorliegen muss. Ergibt sich für das vorangegangene Kalenderjahr eine Umsatzsteuerzahlung von mehr als 7.500 €, ist die Umsatzsteuervoranmeldung monatlich abzugeben. Am Jahresende werden die Umsatzsteuervorauszahlungen mit der endgültigen Umsatzsteuerschuld verrechnet. Hierfür ist eine Umsatzsteuerjahreserklärung zu erstellen.

Für die Veranlagung zur Gewerbesteuer muss am Ende des Jahres eine Gewerbesteuererklärung erstellt werden. Damit die Steuerschuld nicht zu hoch ausfällt, kann das Finanzamt Gewerbesteuer-Vorauszahlungen festsetzen. Einzelhändler*innen profitiert von dem Gewerbesteuerfreibetrag von 24.500 €. Liegt sein Gewerbeertrag darunter, braucht er keine Gewerbesteuer zu zahlen. Dies entbindet sie aber nicht von der Pflicht zur Abgabe der Gewerbesteuererklärung.

Über den Autor: Die schönste Stadt Deutschlands ist für Rechtsanwalt Dr. Markus Würfel definitiv Stuttgart. Dort wurde er im November 1970 geboren und dort möchte er alt werden. In seiner Freizeit entspannt er sich gern mit seinem Schachcomputer oder beim Schreiben. Mit seinen Beiträgen zum Thema Recht konnte er schon für manche angeregte Diskussion im Kolleg*innenkreis sorgen. Selbst einige erfahrene Staatsanwält*innen outen sich als „Würfel-Fans“.
Autor: Dr. Markus Würfel

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