Die SAF AG aus Tägerwilen am Bodensee entwickelt Bestell- und Prognose-Software für Handel und Industrie. Die Schweizer verfolgen dabei den Ansatz des Demand Chain Management. Hierbei wird die Warennachschub¬planung vom Nachfrageverhalten des Konsumenten gesteuert. Im EuroCIS-Interview erläutert CEO Udo Meyzis, dass der Handel den ROI schon nach einem Jahr erreichen kann. Die Einführung bedeutet aber eine Umwälzung vieler Unternehmensbereiche. Meyzis spricht auch über die Erfahrungen beim Möbel-Discounter Roller und der Parfümerie-Kette Douglas.
Die Firma heißt SAF Simulation, Analysis and Forecasting AG: Wie hängen Simulation, Analyse und Prognose zusammen?
Durch die Begriffe Simulation, Analyse und Prognose wird das Leistungsangebot der SAF am Besten beschrieben. Die Berechnung des Forecasts bildet dabei die Grundlage für den optimalen Bestellvorschlag, gemäß unseres Mottos: „Das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. Mit Hilfe von Simulationsmöglichkeiten können die Veränderungen von Parametern wie zum Beispiel Preisminderungen analysiert werden, um logistische Zielgrößen wie Lagerbestände, Reichweiten, Warenverfügbarkeit etc. zu optimieren. Durch dieses Leistungsangebot können wir für unsere Kunden die Potenziale eines bedarfsorientierten Warennachschub umsetzen.
Seit April 2010 sind Sie im Amt. Was haben Sie seitdem bei SAF bewegt?
Nach der freundlichen Übernahme durch SAP 2009 haben wir zunächst die strategische Ausrichtung der SAF überarbeitet, um die Synergien aus der gestärkten Partnerschaft zu nutzen. Unser Ziel ist es weiterhin als eigenständiges, kundenorientiertes Unternehmen am Markt zu agieren. Um diesem Ziel gerecht zu werden, haben wir in 2010 die Weichen gestellt und einige Anpassungen in der Organisation und Strategie durchgeführt. Zusätzlich dazu haben wir die Produktstrategie adaptiert, um auf zukünftige Trends im Handelsumfeld reagieren zu können und somit im Produktangebot weiter Marktführer zu bleiben. Innovation steht bei SAF weiterhin im Vordergrund.
Im Servicebereich findet eine stärkere Zusammenarbeit mit SAP statt. SAF unterstützt dabei weltweit SAP-Kunden mit SAF-eigenen Services. Besonders stark nachgefragt ist dabei unsere Kompetenz im Analysebereich, wie z.B. Proof of Concepts. Die strategische Ausrichtung der SAF wirkt sich auf jeden Fall auch auf unseren Vertrieb aus, der auf Kundenebene stärker mit SAP zusammenarbeitet, um dem Kunden die Vorteile der Partnerschaft anbieten zu können.
Ihre beiden Vorstandskollegen kamen im April 2010 von SAP. Wie wirkt sich die freundliche 70-Prozent-Übernahme durch den Software-Riesen auf Ihre kleine Firma aus?
Es wirkt sich für uns sehr vorteilhaft aus, dass unser neuer CTO, Uwe Zachmann, langjährig für SAP im Produktentwicklungsbereich tätig war. Seine Expertise und sein Netzwerk in die SAP erleichtern uns die Zusammenarbeit im Umfeld der Produktentwicklung und -strategie. In finanziellen Belangen berichtet die SAF in die SAP-Konzernzentrale nach Walldorf. Jedoch sind die Abläufe bei uns nach wie vor schlank und wir haben kurze Entscheidungswege. Unser CFO, Phillip Zielke, kennt die SAP-Prozesse aus seiner Zeit bei SAP sehr gut und somit sind wir auch bezüglich der Zusammenarbeit mit SAP in Finanz- und Personalfragen und legalen Themen bestens aufgestellt.
Wie profitiert SAP von der SAF Akquisition?
SAP profitiert vor allem im Bereich Services, Produkt- und Kundenentwicklungen durch die Agilität und Innovationsstärke der SAF. So unterstützen wir bereits heute weltweit SAP-Kunden bei der Implementierung der SAF-Technologie und optimieren kontinuierlich die Nutzung unserer Lösungen. Zusätzlich bietet SAF Services wie zum Beispiel Machbarkeitsanalysen und Simulationen für SAP Kunden an.
In welche Ländern und Handelssegmenten sehen Sie das Wachstumspotenzial der SAF?
Für uns sind momentan die Märkte Osteuropa – insbesondere Polen –, Baltic und USA – unser größter Markt – von besonderem Interesse. In diesen Märkten werden wir unsere Aktivitäten auch weiter ausbauen. Der osteuropäische Markt zeigt sehr starkes Interesse an Best-of-Breed-Lösungen, um seine Logistikprozesse in einer bestehenden IT-Umgebung zu optimieren. Die USA sind für uns aus strategischer Sicht weiterhin ein sehr wichtiger Markt, wie Sie aus den Verkaufserfolgen der vergangenen Jahre ableiten können.
Rossmann nutzt SAF in Polen, nicht aber in Deutschland. Warum ist Osteuropa so offen für Neues?
Wie wir von Rossmann in Deutschland erfahren haben, ist der deutsche Konzern mit seiner Bestellsoftware sehr zufrieden. Rossmann Polen hat sich bereits 2007 für SAF entschieden und inzwischen erfolgreich unsere Produkte im Lager und in den Filialen im Einsatz. In Polen stellen wir bei den Händlern fest, dass zum Einen ein sehr großes Interesse an dem Thema „Automatische Bestellung“ besteht und zum Anderen der Zugang zu den Unternehmen, zum Management sehr viel einfacher ist.
Welche Voraussetzungen muss ein Handelsunternehmen erfüllen, das in prognosegestützte Bestellprozesse einsteigen will?
Es kann nicht an der Größe eines Unternehmens fest gemacht werden, wann sich die Einführung einer solchen Lösung lohnt oder nicht. Im Wesentlichen kommt es darauf an, zu analysieren, wieweit die Logistik-Prozesse bereits optimiert beziehungsweise automatisiert sind. Für die Implementierung gibt es natürlich auch technische Voraussetzungen wie zum Beispiel das Vorliegen einer Abverkaufshistorie, Warenbestände, usw. Auch organisatorische Aspekte fließen in einen solchen Prozess mit ein, da die Einführung der Zustimmung des Managements bedarf und durch die Automatisierung des Warennachschubs Anforderungen an das Change Management im Unternehmen stellt.
Welche Zeit kalkulieren Sie bis zum ROI?
In der Regel rechnen wir mit einem Return-on-Investment von weniger als einem Jahr. Das ist jedoch von Händler zu Händler unterschiedlich und hängt vom Umfang des Projektes, der Zusammenarbeit mit dem Kunden und den gegebenen technischen Voraussetzungen ab. Besitzt ein Unternehmen eine Kultur, die offen für neue Systeme und die damit notwendigen Prozessveränderungen ist, dann kann der ROI in deutlich kürzerer Zeit erzielt werden.
Die Software ist nur ein Teil des Projekts. Welche Change-Prozesse sind im Unternehmen nötig?
Jede Software, die Automatisierung mit sich bringt, muss dem Mitarbeiter so vermittelt werden, dass er den Nutzen daraus für sich erkennt. Ohne Vertrauen und Akzeptanz scheitern derartige Projekte in den meisten Fällen, da diese häufig einen Eingriff in die tägliche Arbeit des Mitarbeiters mit sich bringen und er diesen natürlich mit Skepsis gegenüber steht.
Der Möbel-Discounter Roller hat letztes Jahr SAF eingeführt. Was sind die Resultate?
Roller hat sich maßgeblich für die Automatisierung der Bestellung entschieden, da es der Wunsch des Unternehmens war, seine Mitarbeiter stärker in der Kundenberatung einzusetzen und die Service-Qualität zu steigern. Bereits in der Pilotphase überzeugte die Leistungsfähigkeit der SAF-Bestellsoftware die Disponenten auf Anhieb, da sie bei der manuell sehr aufwendigen Bestellarbeit entlastet wurden. Dafür ausschlaggebend ist vor allem, dass die Disponenten nicht mehr jede einzelne Bestellung von Hand eingeben, sondern nur noch besondere Ausnahmefälle – so genannte „SAF Exceptions“ – prüfen müssen. Schon nach wenigen Wochen wurde bei weniger als zehn Prozent der Bestellungen manuell nachgebessert. So sparte Roller schnell weit mehr als die Hälfte der bisher benötigten Zeit für die Bestellung ein und hatte deutlich mehr Zeit für verkaufsrelevante Aufgaben. Darüber hinaus verkürzte das „SAF RetailSuite Store“ durch die verbesserte Bestellqualität die Reichweite der Bestände nach Drehklasse und Sortiment.
Roller ist es besonders wichtig, die Produktverfügbarkeit von Werbeware weiter zu optimieren. Während der Pilotphase wies SAF nach, dass die Produktverfügbarkeit von Werbeartikeln deutlich besser auf die Kundennachfrage abgestimmt und somit Nullbestände nahezu ausgeschlossen wurden. Nach dem erfolgreichen Piloten sind nun auch alle Filialen vollständig ausgerollt.
Seit einigen Jahren nutzt Douglas die Software von SAF. Wie hat sich diese Beziehung im Laufe der Zeit entwickelt?
Die Zusammenarbeit mit der Parfümerie Douglas läuft sehr gut. Nach dem erfolgreichen Roll-out aller Filialen in Deutschland, der Mitte 2010 abgeschlossen wurde, sind nun weitere Länder in der Planung. Durch die enge Zusammenarbeit ergeben sich immer neue Anknüpfungspunkte im Umfeld der bedarfsorientieren Warennachschubplanung. Die geschäftliche Beziehung zu Douglas ist geprägt durch einen partnerschaftlichen Umgang, auch in der Öffentlichkeit, was zum Beispiel durch gemeinsame Vorträge erkennbar ist.
Und zum Schluss ein Blick voraus: Welche Trends sehen Sie generell bei Software für Handel und Logistik.
Es gibt einige interessante Themen und Trends im Umfeld der bedarfsorientierten Logistik. So erkennen wir deutlich den Trend zum Multi-Channel Retailing, da die Umsätze der Handelsunternehmen über Online-Portale sehr stark steigen. Dies stellt besondere Anforderungen an die Logistik dieser Unternehmen bei der Warendistribution.
Die Nutzung von Prognosen nicht nur für die Bestellung im operativen Warennachschub, sondern auch für Planungsaspekte wie beispielsweise Sortimentsplanung oder auch Kopplung zur Preisoptimierung werden von unseren Kunden immer wieder nachgefragt. Hersteller treten an uns heran und interessieren sich für das Thema Reduzierung von „Regallücken“ bei Ihren Kunden, den Händlern. Das Dauerthema CPFR – Collaborative Planning, Forecasting und Replenishment –, womit die Bereitstellung von Prognosen der Händler an die Hersteller gemeint ist, scheint wieder von Interesse zu sein.
Interview: René Schellbach, EuroCIS.com