„Funkgeld“ statt Bargeld

Die EHI-Technologietage in Köln gaben einen Vorgeschmack auf die EuroCIS. Ein wichtiges Thema in Düsseldorf wird das bargeldlose Bezahlen sein. Lange stagnierte dessen Anteil im deutschen Handel bei knapp über 40 Prozent. Jetzt kommt das „Funkgeld“ in die Läden. Doch der Handel hat die Qual der Wahl: Karten und Handys mit Funkchip konkurrieren mit Handys, die auch ohne Chip zur Geldbörse werden.

Gleich zwei Pressekonferenzen sorgten in Köln für Aufmerksamkeit: Itellium und Paypal präsentierten das Bezahlen über Handy und die Sparkassen warben für Karten mit Funkchip. Das zeigte deutlich das Dilemma für den Handel: Es ist noch nicht klar, welches System sich durchsetzt. Zumal es noch weitere Mitspieler gibt. Wahrscheinlich muss der Handel in mehrere Systeme investieren. Das Stecken der Karten ins Terminal an der Kasse ist jedenfalls bald passé. Die Zukunft ist kontaktlos. Doch dabei spielt nicht nur die Technik eine Rolle. Wie schon bei Geldkarte, Lastschrift und Kreditkarte – es geht mal wieder um die Bankgebühren.

Welche Gebühren muss der Handel zahlen?

Vor Jahren sollte die Geldkarte den Bargeldanteil zurückdrängen: Kleine Beträge ohne Unterschrift und Geheimnummer einfach mit der Karte zahlen. Doch außer an Zigarettenautomaten, wo man die Karte gleichzeitig zur Altersüberprüfung nutzt, setzte sich der goldene Chip als Zahlungsmittel kaum durch. Der Handel beklagte von Anfang an die unattraktiven Bankgebühren und favorisierte weiterhin das relativ kostengünstige Elektronische Lastschriftverfahren. Die Banken hofften auf dessen Ende im einheitlichen europäischen Zahlungsraum SEPA. ELV hat jedoch als deutsche Insellösung überlebt – jedenfalls bisher.

Kreditkarten, im Ausland weit verbreitet, führten in Deutschland stets ein Schattendasein. Fast jeder hat eine Debitkarte – also das Girokonto im Kartenformat. Da hatten es die Kreditkartenanbieter stets schwer, zumal sie kaum Einfluss haben auf die Gebühren, welche Zahlungsabwickler und Banken verlangen. Diese könnten jedoch jetzt sinken, meint Jürgen Schübel von Mastercard im Interview zu diesem Fokus-Thema. Je mehr Karten eingesetzt werden, desto mehr geraten die Gebühren unter Druck. Auch Visa Europe will kräftig ins mobile Bezahlen investieren.

Unterdessen verschwimmen die Grenzen zwischen Kredit- und Debitkarten. Direktbanken bieten ihren Kunden Visa-Karten ohne Kreditfunktion an, um sie an den Geldautomaten der Banken mit Bargeld zu versorgen. Die Kreditkartengesellschaften eröffnen sich mit neuen Karten neue Möglichkeiten. Sie hoffen auf den Durchbruch mit „Funkgeld“. Sie offerieren Karten, die über Nahfeldkommunikation berührungslos eingesetzt werden können. Diese NFC-Technologie enthalten bereits die Payback-Karten mit Zahlungsfunktion und auch die „Miles&More“-Karten der Lufthansa. Sowohl Kredit- als auch Debitkarten können mit Near Field Communication ausgestattet werden, aber auch Handys oder Schlüsselanhänger können damit funken.

Online-Dienste drängen in den Handel

Kredit- oder Debitkarte – das ist eine wichtige Frage. Karte oder Handy – das ist eine andere. Denn das Handy kann auch ohne Chip zur Funkgeldbörse werden. Itellium und Paypal verkündeten bei den EHI-Technologietagen im November in Köln eine strategische Partnerschaft. Damit drängt der Online-Bezahldienst jetzt auch in den stationären Handel in Europa, wo Paypal bereits den Bankenstatus erlangt hat. Die Kunden sollen über ihr Paypal-Konto zahlen. Dabei zeigt das Handy einen Barcode an, den der Händler an der Kasse scannt. Der Kunde muss keine Bankdaten preisgeben, der Händler bekommt eine Zahlungsgarantie von Paypal.

Ohne die Banken funktioniert auch „mpass“, ein gemeinsames Angebot der Mobiltelefon-Riesen Telekom, Vodafone und der spanischen Telefónica mit ihrer deutschen Tochter O2. Hier können die Kunden über ihre Handy-Rechnung oder Prepaid-Karte bezahlen. Wahlweise ist auch die Abrechnung über das Girokonto möglich. Bezahlen mit „mpass“ funktioniert so: Handynummer und „mpass“-PIN eingeben, die darauf folgende SMS bestätigen, fertig. Der Händler bekommt das Geld, aber keine Bankdaten. „mpass“ wurde fürs Bezahlen in Online-Shops entwickelt und soll jetzt auch in die Läden kommen.

Ebenfalls aus dem Internet drängt ein weiterer Mitspieler auf den Markt: Google mit seinem Bezahldienst „Wallet“. Die Kunden geben die Zahlung mit ihrer PIN auf dem Smartphone frei, das die Transaktionsdaten über NFC an den Händler funkt. Das erste Handy mit NFC ist das Modell „Nexus S“ von Samsung. Außerdem benötigen Google-Kunden ein Kreditkartenkonto von Mastercard. Abgerechnet wird mit dessen Bezahlverfahren „PayPass“. Dafür verlangt Google zwar keine Gebühren, wertet die Daten aber für gezielte Werbung aus. „Wallet“ könnte laut Google auch als Rabattkarte dienen. Verbraucherschützer kritisieren die Datensammlung und der Mitbewerber Paypal klagt gegen Google, weil Manager abgeworben wurden.

NFC für Karten und Handys

Die Funktechnik ist mittlerweile mit einigen wenigen Android-Smartphones erhältlich. 2012 sollen weitere Geräte mit Chip von verschiedenen Herstellern auf den Markt kommen. Angeblich wollen auch Apple und Microsoft einsteigen und NFC in ihre „Windows Phone“- und „iOS“-Geräte integrieren .Der „Blackberry“-Hersteller RIM testet NFC zusammen mit Telefónica. Der Marktanteil der NFC-Geräte dürfte rasant steigen. Vorerst gibt es jedoch viel mehr Plastikkarten mit Funkchip.

Auch die „girocard“ wird erneuert. Der Nachfolger der Euroscheckkarte bekommt jetzt ebenfalls einen NFC-Chip. Als ersten Partner im deutschen Einzelhandel haben die Sparkassen die Douglas-Holding gewonnen. Darüber berichteten sie auf den Technologietagen des EHI. Neben den 446 Douglas-Parfümerien werden bis Ende 2012 bundesweit auch die rund 700 Filialen von Thalia, Christ, AppelrathCüpper und Hussel mit neuen Kartenterminals ausgerüstet. Alle gehören zur selben Holding, Beträge bis zu 20 Euro können durch einfaches Auflegen der „girocard“ von einem vorher aufgeladenen Guthaben abgebucht werden. Damit soll die Geldkarte wiederbelebt werden.

Schrittweise werden die rund 45 Millionen Sparkassenkarten mit Funktechnik versehen werden. Damit werden nach und nach genug Karten im Umlauf sein, dass sich die notwendigen neuen Kartenterminals oder Lesegeräte lohnen. Die übrigen Banken werden ebenfalls umstellen. Douglas verspricht sich von NFC „eine deutliche Beschleunigung des Zahlvorgangs“, setzt aber nicht nur auf die „girocard“. Kreditkarten- und Maestro-Kunden können mit „Paypass“ von Mastercard bezahlen.

Das Interesse des Handels an den neuen Bezahlmöglichkeiten ist groß. Vorerst sind es jedoch die Großen, die testen und einführen. Die inhabergeführten Fachgeschäfte werden nachziehen müssen. Die Drogeriekette dm nutzt Paypass. Hier kann man bis 25 Euro ohne PIN und Unterschrift bezahlen. Ein vergleichbares Angebot von Visa heißt „paywave“. Globus testet Funkgeld, real auch. Metro nutzt es in seinem „Future Store“ seit 2008, jetzt jedoch erstmals mit einem neuen Standard der GS1-Arbeitsgruppe „Mobile Payment“. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines branchenübergreifenden und einheitlichen NFC-Bezahlverfahrens, das darüber hinaus auch international einsetzbar sein soll. Esso will die kontaktlose Geldkarte der Sparkassen, obwohl viele Bonsummen über der Grenze von 20 Euro liegen dürften. Auf der EuroCIS werden wahrscheinlich weitere Projekte vorgestellt.

René Schellbach, Erstveröffentlichung: EuroCIS.com

 18.01.2012

 

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