Shoppingcenter, Supermärkte und Ladengeschäfte bergen im Vergleich zu Wohn- oder Bürogebäuden im Falle eines Brandes oder eines anderen sicherheitsrelevanten Vorfalls Risiken: zahlreiche Besucher, komplexe Objekte mit vielen Brandabschnitten und erhöhte Brandlasten durch Dekorationen und leicht entzündlichen Waren. All diese Faktoren müssen von den Verantwortlichen berücksichtigt werden, um im Gefahrenfall vor allem den Schutz von Leib und Leben der Kunden und Mitarbeiter zu gewährleisten.
Eine besondere Rolle spielt dabei die Alarmierung der Kunden und Mitarbeiter beispielsweise im Brandfall. Je schneller eine Evakuierung des Gebäudes erfolgt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen oder gar Schlimmerem.
Eine sichere und effektive Gebäudeevakuierung stellt jedoch hohe Anforderungen, da nur extrem kurze Zeitspannen zu Verfügung stehen. Bei einem Brand bleiben häufig weniger als zehn Minuten, um ihn zu detektieren, gefährdete Personen zu alarmieren und zur Flucht zu bewegen. Andere Gefahrenlagen erfordern ebenso schnelles Handeln, jedoch entgegengesetzte Evakuierungsstrategien. So wird bei einer Terror- oder Amokdrohung der Einschluss in sichere Bereiche empfohlen.
Sprachalarmierung setzt sich durch
Für eine schnelle Alarmierung und eine effektive Gebäudeevakuierung setzt sich seit einiger Zeit immer mehr die Sprachalarmierung durch, da herkömmliche akustische Signalgeber wie Hupen oder Sirenen von vielen Menschen nicht mehr ausreichend beachtet werden. Darüber hinaus enthalten diese Signale nur wenig Informationen und können zu Verwirrung und Panik führen.
Besser geeignet sind Sprachalarmsysteme, die durch gespeicherte Ansagen und/oder Live-Durchsagen über Lautsprecher den Gebäudenutzern klare Handlungsanweisungen geben. Menschen reagieren auf das gesprochene Wort bis zu viermal schneller als auf akustische Signale. Insbesondere in Gebäuden mit vielen ortsunkundigen Besuchern wie im Einzelhandel kann durch eine Sprachalarmierung die Reaktionszeit drastisch verkürzt werden. Darüber hinaus können Durchsagen mehrsprachig gestaltet und Gebäude stufenweise geräumt werden. Ebenso kann eine Räumung einfach beendet und der normale Betriebszustand schnell wiederhergestellt werden.
Anlagentypen zur Alarmierung mittels Sprache
In Deutschland werden zur Alarmierung mittels Sprache zwei Anlagentypen eingesetzt: Sprachalarmanlagen (SAA) zur Alarmierung im Brandfall und Elektroakustische Notfallwarnsysteme (ENS). SAA sind Bestandteil von Brandmeldeanlagen (BMA) und werden von diesen automatisch angesteuert. Bei Elektroakustischen Notfallwarnsystemen (ENS) wird die Evakuierung von einer Sicherheitsleitstelle oder einer ständig besetzten Stelle ausgelöst. ENS, die der Systemnorm EN 60849 / VDE 0828 entsprechen, können zu allen Evakuierungsszenarien außer dem Brandfall eingesetzt werden.
Anlagen zur Verteilung von Rufdurchsagen, Hintergrundmusik und Vordergrundmusik im Normalbetrieb werden häufig als Beschallungsanlagen (Public Address (PA) Systeme) bezeichnet. Ihr Aufbau ist nicht normiert und sie dürfen nicht für eine Alarmierung bzw. Evakuierung im Gefahrenfall verwendet werden. Umgekehrt können SAA oder ENS durchaus im Normalbetrieb verwendet werden, wenn eine ordnungsgemäße Funktion im Gefahrenfall dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Rechtliche Grundlagen
Die Landesbauordnung (LBO) fordert über die Verkaufsstättenverordnungen für Verkaufsflächen über 2000 m² Sprachalarmierungseinrichtungen, durch die Personen alarmiert und Anweisungen gegeben werden können. Die LBO schreibt zwar keinen Anlagentyp wie SAA oder ENS vor, dieser ergibt sich erst aus dem Brandschutzkonzept. Wird dort eine Sprachalarmierung im Brandfall bauaufsichtlich gefordert, ist zwingend eine SAA zu planen und zu errichten.
Für SAA ist die DIN VDE 0833-4 „Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall - Teil 4: Festlegungen für Anlagen zur Sprachalarmierung im Brandfall“ die zentrale deutsche Anwendungsnorm. Sprachalarmzentralen, Lautsprecher und Energieversorgung müssen der europäischen Normenreihe EN 54 genügen. Seit 2012 sind SAA Bestandteil der DIN 14675 „Brandmeldeanlagen – Aufbau und Betrieb“, die Anwendungsregeln für den Aufbau und Betrieb von BMA und SAA in Deutschland beschreibt. Danach dürfen SAA nur von Fachfirmen mit entsprechender Fachkompetenz geplant, errichtet und instandgehalten werden.
Flexibilität ist Trumpf
Auch wenn initial von der Baubehörde keine Sprachalarmierung im Brandfall gefordert wird, kann sich der Einbau einer SAA durchaus lohnen. Verkaufskonzepte im Handel ändern sich immer schneller, sodass immer häufiger Umbauten oder Erweiterungen notwendig werden, um die geplanten Umsatzziele zu erreichen. Fordert die Baubehörde nach solchen Baumaßnahmen plötzlich doch eine Alarmierung mittels Sprache im Brandfall, dann kann der Wechsel von einer klassischen Beschallungsanlage / PA-Anlage oder eines ENS auf eine SAA teuer werden.
Insgesamt besitzen anlagentechnische Sicherheitsmaßnahmen im Vergleich zu baulichen Brandschutzmaßnahmen häufig eine höhere Flexibilität. SAA, Brandmeldeanlagen oder auch automatische Löschanlagen lassen sich in der Regel schnell mit geringem Aufwand an neue Anforderungen anpassen.
Autor:
Dipl.-Ing. Uwe Spatzier (Bosch Sicherheitssysteme GmbH, Grasbrunn) ist Vorsitzender der Leistungsgemeinschaft Beschallungstechnik (LGB) im ZVEI-Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie und Vorsitzender im Normungsgremium 713.1.17 „Sprachalarmanlagen (SAA) und Elektroakustische Notfallwarnsysteme ENS)“ der DKE-Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE. Er arbeitet in zahlreichen deutschen und internationalen Normungsgremien zur Sprachalarmierung mit.