Wie kann ein Supermarkt rund um die Uhr geöffnet sein, ohne dauerhaft Personal vor Ort zu haben? Dieser Frage hat sich Florian Jäger, Inhaber des EDEKA-Marktes am Flughafen Stuttgart, gestellt – und eine innovative Lösung gefunden. Auf der EuroCIS 2025 präsentierte er das WalkIn-Konzept, mit dem sein Markt in den Nachtstunden ohne Personal, aber nicht ohne Kontrolle betrieben wird.
Die Herausforderung: Geschäftschancen nutzen, Kosten minimieren
Der EDEKA-Markt am Flughafen Stuttgart schließt regulär um 22 Uhr. Doch gerade in den späten Abend- und frühen Morgenstunden sind am Flughafen noch viele Menschen unterwegs – potenzielle Kundschaft, potenzieller Umsatz. Jäger wollte diesen Umsatz nicht länger verlieren, sah sich jedoch mit einem Problem konfrontiert: „Ein durchgehender Betrieb mit Personal ist sowohl teuer als auch schwierig umzusetzen, denn geeignetes Personal für Nachtarbeit zu finden, ist eine Herausforderung.“
Die Lösung: Ein hybrides Store-Konzept mit Self-Checkout
Nach intensiver Planung entschied sich das EDEKA-Team für ein Konzept, das technologische Lösungen mit Kundenfreundlichkeit verbindet. Der Laden ist nachts für Kunden mit EC-Karte zugänglich. Im Inneren laufen sämtliche Prozesse über Self-Checkout-Kassen (SCO). Der Bezahlvorgang wurde bewusst so gestaltet, dass er mit nur wenigen Klicks funktioniert, um Verwirrung oder Verzögerungen zu vermeiden.

Sicherheit: Ein entscheidender Faktor
Natürlich stellt ein personallos betriebener Supermarkt hohe Anforderungen an die Sicherheit. Jäger und sein Team haben daher mehrere Maßnahmen ergriffen:
- Zugangskontrolle: Der Eintritt ist nur mit registrierter EC-Karte möglich.
- Überwachung: Kameras und Audio-Sensoren sorgen für Echtzeit-Überwachung und können im Notfall Sicherheitsdienste alarmieren.
- Sortimentseinschränkung: Bestimmte Warengruppen wie Alkohol oder Tabakwaren sind nachts gesperrt, um Missbrauch oder Diebstahl zu minimieren.
- Shrink-Detection-Technologie: Intelligente Kameras analysieren, ob Artikel gescannt und bezahlt wurden.
„Natürlich gibt es Sicherheitsrisiken, aber wir haben mit verschiedenen Systemen vorgesorgt, um Diebstahl oder Vandalismus möglichst zu verhindern“, betont Jäger.

Wirtschaftlichkeit: Lohnt sich das Konzept?
Die Investitionskosten für die Umstellung beliefen sich auf rund 300.000 Euro, die monatlichen Betriebskosten auf etwa 3.000 Euro. Die Kalkulation sah eine Amortisationszeit von drei Jahren vor – doch in der Praxis lief es noch besser: Nach zwei Jahren und zwei Monaten hatte sich das System bereits gerechnet.
Die Zahlen sprechen für sich:
- 650.000 Euro Umsatz wurden in den Nachtstunden generiert – das entspricht 8 % des Gesamtumsatzes.
- Die durchschnittlichen Einkaufssummen in der Nacht lagen mit 7,52 Euro nahezu auf Tagesniveau.
- Der Self-Checkout-Anteil stieg insgesamt auf 51,85 %, was den Markt auch tagsüber effizienter macht.
Jäger sieht darin einen klaren Vorteil: „Wir waren gezwungen, die Abläufe im Self-Checkout-Bereich zu optimieren, weil nachts kein Mitarbeiter helfen kann. Davon profitieren wir jetzt auch tagsüber.“

Kundenerlebnis: Akzeptanz und Feedback
Die Reaktionen der Kunden waren überwiegend positiv – insbesondere die Nachtarbeiter am Flughafen, wie Polizei und Feuerwehr, begrüßten das Konzept. Zusätzlich testete der Markt einen Service-Roboter, der bei der Orientierung helfen sollte. „Die Leute fanden das spannend – unsere Mitarbeiter haben ihm sogar eine Weihnachtsmütze aufgesetzt, um ihn freundlicher wirken zu lassen“, erzählt Jäger schmunzelnd.
Fazit: Ein Modell für die Zukunft?
Der Flughafen-Standort ist ideal für ein WalkIn-Konzept – doch ist es auch auf andere Märkte übertragbar? Laut Jäger kommt es stark auf die Standortbedingungen an: „Was am Flughafen funktioniert, muss nicht automatisch auch in einem anderen Stadtteil von Stuttgart oder einem kleinen Dorf laufen.“
Dennoch sieht er großes Potenzial – gerade angesichts des Fachkräftemangels im Handel. Das Konzept sei nicht als Ersatz für Personal gedacht, sondern als ergänzende Lösung, um Arbeitskräfte effizienter einzusetzen.
„Wir haben viel gelernt und entwickeln das Konzept weiter – zum Beispiel mit neuen Diebstahlschutz-Technologien. Es ist kein fertiges Modell, aber ein spannender Schritt in die Zukunft des Einzelhandels.“