Ein Überfall auf einen Supermarkt oder eine Tankstelle kann sich für Kriminelle lohnen. Insbesondere abends, wenn die Tageseinnahmen noch nicht aus der Filiale abtransportiert wurden, stellen Einzelhändler ein lohnendes Ziel dar. Jedoch ist der mögliche Ertrag für Cyberkriminelle noch viel höher. Denn während die Händler jahrzehntelang Zeit hatten, um ihre Filialen gegen Ladendiebstahl zu sichern, ist die IT-Sicherheit in der Branche lange Zeit kein wirkliches Thema gewesen.
Für die meisten Händler gilt das auch heute noch: Filialen werden umfangreich mit Videoüberwachung und Warensicherung ausgestattet, aber beim Stichwort „Datensicherheit“ schütteln sie nur den Kopf. Im Rahmen der EHI-Studie „IT-Trends im Handel 2015“ haben nur neun Prozent der teilnehmenden Händler bei der Frage nach aktuellen technologischen Trends das Thema IT-Sicherheit genannt.
Zwar ist bei immerhin 26 Prozent der befragten Unternehmen das IT Security Management in einer eigenständigen Abteilung organisiert. Nichtsdestotrotz ist es für einigermaßen versierte Hacker jedoch oft ohne großen Aufwand möglich, Tausende oder Millionen von Kreditkarten- und Kundendaten zu stehlen, um sie mit großem Gewinn weiter zu verkaufen. Dazu verschaffen sie sich mit verschiedenen Methoden wie Viren, Spyware oder Phishing (eine Methode, bei der man über gefälschte Webseiten oder E-Mails an persönliche Daten eines Internetnutzers gelangt). So erhalten sie Zugang zum Netzwerk des Händlers und können dann sensible Daten entwenden.
Insbesondere große Handelsketten sind Ziele
Netzwerke von großen Einzelhändlern sind naturgemäß besonders vielschichtig und umfassen verschiedene Teile wie das interne Verwaltungsnetzwerk, Regionen, Geschäfte, POS-Systeme, Verkäufer, Lieferanten, Kunden und Mobilgeräte. Und je größer der Händler, desto mehr Kunden hat er auch. Dementsprechend groß ist bei einem multinationalen Handelskonzern auch der Datenschatz, den es für Kriminelle zu heben gilt. Der Computerkonzern Dell hat bereits im letzten Jahr eine Liste der bis dato schwerwiegendsten Angriffe auf große Handelsketten (allerdings nur in den USA) veröffentlicht.
Über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus war zum Beispiel der Diebstahl von insgesamt 40 Millionen Zahlungskartennummern und weiteren persönlichen Daten von 70 Millionen Menschen beim US-Händler Target in den Schlagzeilen. Dieser gilt immer noch als der größte Fall von Datendiebstahl im US-amerikanischen Einzelhandel. Und auch Home Depot (56 Millionen gestohlene Kartennummern und 53 Millionen gestohlene E-Mail-Adressen) sowie Michaels (drei Millionen gestohlene Zahlungskartendaten) gehören zu den prominenten Opfern.
Cyberattacken nehmen zu – schuld ist auch die Digitalisierung
In einer aktuellen Befragung von Capgemini Consulting gaben 44 Prozent aller Unternehmen aus dem Bereich „Consumer Goods & Retail“ an, bereits mindestens einmal Opfer einer Cyberattacke gewesen zu sein. Neue Risiken birgt dabei vor allem auch die fortschreitende Digitalisierung in den Filialen mit neuen Services wie freiem WLAN für die Kunden oder digitalen Instore-Angeboten wie QR-Codes und Apps zur Navigation. Auch diese können bei ungenügender Sicherung Angriffspunkte für Cyberkriminelle darstellen.
Um ihre Kunden besser kennenzulernen, speichern die Händler selbst weitaus mehr personenbezogene Daten als früher – von der Kaufhistorie bis hin zu detaillierten Profilen, die vornehmlich aus Loyalty-Programmen generiert werden. Und mit der Menge der Daten wächst natürlich auch der Anreiz, diese zu stehlen.
Schwerwiegende Auswirkungen für Handelsunternehmen
Vielen Einzelhändlern sind die Auswirkungen eines Datendiebstahls im großen Stil gar nicht wirklich bewusst, daher unterschätzen sie auch die notwendigen Investitionen oder verzichten ganz auf Sicherheitslösungen. Es ist natürlich klar, dass Cyberkriminelle kein Sachvermögen (wie zum Beispiel Bargeld) stehlen. Mit einem Datendiebstahl richten sie aber im Zweifelsfall noch mehr Schaden an. Denn Einzelhändler müssen, wenn scherwiegende Fälle von Datendiebstahl bekannt werden, insbesondere in die Kundenkommunikation investieren.
So hat zum Beispiel Target in den Monaten direkt nach dem Diebstahl der Kundendaten ganze 61 Millionen US-Dollar in die Kundenkommunikation investiert, um die verunsicherten Kunden zu beruhigen. Dazu kommen noch mögliche Zahlungen, die aus dem Versprechen des Händlers an seine Kunden resultieren, dass niemand Gebühren für betrügerische Aktivitäten zahlen muss, die direkt auf den Verstoß zurückzuführen sind. All das führte dazu, dass der Gewinn von Target im folgenden Weihnachtsgeschäft um 46 Prozent sank. Andere Händler, wie zum Beispiel Staples, haben ihren möglicherweise gefährdeten Kunden sogar angeboten, die Kosten für Maßnahmen zum Identitätsschutz – wie Kreditüberwachung oder kostenlose Kreditauskünfte – zu übernehmen.
Hinzu kommt die Tatsache, dass digitaler Diebstahl nicht so einfach zu beziffern ist, wie zum Beispiel der Verlust einer gewissen Menge Bargeld. Außerdem können Hacker mehr Daten gestohlen oder kopiert haben, als zunächst ersichtlich ist. Gleichzeitig besteht immer die Gefahr, dass bisher unentdeckte Schadsoftware im Netzwerk zurückgelassen wurde, die zu einem späteren Zeitpunkt zu weiteren Verlusten führen kann.
Bedrohungen zentralisiert bewerten – Netzwerkressourcen in Zonen aufteilen
Bei einem typischen Datenleck im Einzelhandel werden am POS erfasste Daten in andere Teile des Netzwerks verschoben, in die sie eigentlich nicht gehören. Dell empfiehlt in einem Whitepaper zur Netzwerksicherheit im Einzelhandel ein zonenbasiertes Sicherheitskonzept. Denn wenn Händler Netzwerk-Schnittstellen wie von Kunden genutzte Rechner, Inventarserver und Backoffice-Datenspeicher innerhalb des Netzwerkes in separate Zonen aufteilen, können sie einfacher sicherstellen, dass nur autorisierte Benutzer Zugriff auf die jeweiligen Bereiche haben. Das würde in diesem Fall bedeuten, dass Daten vom POS nur für die Zahlungsverarbeitung weitergesendet werden, die Übertragungen der Daten an andere Stellen im Netzwerk aber effektiv ausgeschlossen wäre.
Dies ist natürlich eine effektive Methode, um der unautorisierten Übertragung von Daten schnell auf die Spur zu kommen, oder sie im Idealfall sogar ganz zu unterbinden. Mindestens genauso wichtig ist aber die Zusammenführung von Informationen. Wenn Informationen über verschiedene Bedrohungen für das Netzwerk in der Cloud zusammengeführt werden, ist die zur Verfügung stehende Rechenleistung schlicht größer, was wiederum zu kürzeren Reaktionszeiten führt und eine effektivere Abwehr von Bedrohungen ermöglicht.
Der Schlüssel zum effektiven Schutz eines Einzelhandelsnetzwerks liegt zum einen im möglichst kleinteiligen Aufbau, um unautorisierte Datentransfers schnell zu erkennen. Auf der anderen Seite müssen Informationen zu Netzwerkbedrohungen im ganzen Unternehmen auf dem gleichen Stand sein, sodass auch auf breiter Basis gegen den Angriff vorgegangen werden kann.