Interview • 07.09.2009

Kostenverringerung: „Artikel-Stammdaten erleben in der Krise einen Boom“

Björn Bayard
Björn Bayard

Am 3. und 4. September fand in Dresden der 10. ECR-Tag der deutschsprachigen Länder statt. Wie in den Vorjahren ging es um eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Handel und seinen Lieferanten. Das Stichwort lautet Efficient Customer Response, kurz ECR. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Stammdaten eines jeden Artikels. Wenn Handel und Lieferanten hier mit einheitlichen Standards arbeiten, können sie Bestellungen und Abrechnungen automatisieren.

Diese Prozesskosten stehen gegenwärtig in der Wirtschaftskrise im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, meint Björn Bayard, der bei SA2 Worldsync den Bereich New Business Development and Operational Excellence verantwortet, im Interview mit iXtenso.com.

Herr Bayard, seit Jahren wird über ECR gesprochen. Ist es nur ein Modewort oder eine Utopie?

Ich glaube, dass man eine lange Zeit gebraucht hat, um von der Idee zur Umsetzung zu kommen. Was gefehlt hat, war ein Verständnis dafür, was man an interner Organisation und an internen Systemen braucht, um ein Konzept wie ECR umsetzen zu können. Was ein Händler unter einem Artikel versteht und was ein Lieferant unter einem Artikel versteht, weicht typischerweise erheblich voneinander ab. Erst mit der Standardisierung hat man sich auf einen einheitlichen Artikelbegriff einigen können, aber jetzt muss man die internen Organisationen daran anpassen. Was auch zu beachten ist: Das Thema Artikel-Stammdaten-Management stand nicht immer hundertprozentig im Fokus. Gerade im Handel waren die letzten Jahre geprägt von Expansion, von Umsatzsteigerung, und dabei denkt man weniger an Prozesskosten.

Stammdaten erleben also jetzt einen Boom?

Genau, wir sind in dem Boom drin. Das Thema Stammdaten-Management ist ein Prozesskosten-Thema. In Zeiten der Krise, wie wir sie jetzt haben, schaut man natürlich wieder mehr auf seine Kosten, und die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Handel und Lieferanten kann die Kosten reduzieren. Da sind Artikel-Stammdaten die Voraussetzung. Wenn ich bei Händlern bin, höre ich viele Klagen: Die Daten sind schlecht, es läuft alles händisch, Order- und Rechnungsprozesse laufen nicht automatisch durch. Von der Metro wurden in diesem Jahr auf unserem European User Congress interessante Zahlen vorgestellt. Es zeigte sich, dass der überwiegende Teil der Rechnungen, die von Hand bearbeitet werden müssen, durch falsche Stammdaten verursacht werden.

Sie arbeiten eng mit der Metro zusammen. Was tut sich hier in Sachen Stammdaten?

Seit Jahren macht die Metro die Datensynchronisation und Datenpoolnutzung mit uns. Die Metro hat ein eigenes Katalogsystem entwickelt, mit dem sie hausintern ein eigenes Stammdaten-Management macht. Letztes Jahr ist man zu der Erkenntnis gekommen, dass diese Individualentwicklung nicht günstig ist, insbesondere bei der internationalen Expansion. Man hat sich dann entschlossen, dieses System schrittweise durch unsere Lösung zu ersetzen, weil unsere Lösung mit einem standardisierten Artikel-Modell arbeitet und damit einfacher in den internationalen Roll-out zu bringen ist. Die erste Phase ist abgeschlossen, man stellt nach und nach die einzelnen Länder um.

Die Metro gehört zu den Großen. Lohnen sich Stammdaten auch für kleine Händler, etwa die Bäckerei um die Ecke?

Artikel-Stammdaten braucht jeder Händler – sogar die Bäckerei um die Ecke. Natürlich hat die Bäckerei ein wesentlich kleineres Sortiment und von daher lassen sich die Artikel-Stammdaten hier auch einfacher managen. Aber qualitativ hat eine Bäckerei ähnliche Anforderungen wie jedes andere Handelsunternehmen auch. Beispielsweise ist es aufgrund gesetzlicher Verordnungen notwendig, zu den Artikeln Nährwertangaben oder gegebenenfalls sogar Gefahrstoffinformationen vorzuhalten und Kunden darüber zu informieren. Grundsätzlich kann man sagen, dass sich wirkliches Artikel-Stammdaten-Management für jeden Händler lohnt und spätestens bei einem Sortiment über tausend Artikel eigentlich schon obligatorisch ist. Die Nutzung eines Datenpools rechnet sich, sobald man eine größere Anzahl Lieferanten – ungefähr über 50 – hat und von diesen Artikel-Stammdaten beziehen möchte.

Welche Handelssegmente sind in Sachen Stammdaten aktiv?

Wir sind momentan im Wesentlichen unterwegs im Einzelhandel und im Bereich HealthCare, Do-it-yourself und Consumer Electronics. Mit Einkaufsgemeinschaften arbeiten wir sehr gut zusammen, beispielsweise mit der Markant.

Was kann der Handel besser machen?

Heute haben Handelsunternehmen oftmals noch keine klare Strategie, wie sie ihre Artikel-Stammdaten beschaffen. Häufig lassen Handelsunternehmen nicht nur elektronische Wege über einen Datenpool oder ihr Lieferantenportal zu, sondern akzeptieren auch einfache Excel-Dateien per E-Mail oder gar Artikelpässe per Fax. Eine klare Strategie des Händlers, Artikeldaten nur noch elektronisch und standardisiert entgegen zu nehmen, ist die Voraussetzung, um die Qualität der Artikel-Stammdaten signifikant zu erhöhen und gleichzeitig den Aufwand für das Artikel-Stammdaten-Management signifikant zu reduzieren.

Wie kann man Lieferanten motivieren mitzumachen?

Korrekte Artikel-Stammdaten bringen auch dem Lieferanten nur Vorteile. Studien haben gezeigt, dass strukturiertes Artikel-Stammdaten-Management und die standardisierte, elektronische Bereitstellung von Artikel-Stammdaten unter dem Strich auch für den Lieferanten massive Prozesskosteneinsparungen bringen. Das alleine sollte Lieferanten schon motivieren, in das Thema Artikel-Stammdaten-Management zu investieren. Führt man sich dann noch vor Augen, welche Vorteile Lieferanten daraus ziehen, dass die Artikeldaten im Handel korrekt und synchron zu den eigenen Daten sind, gibt es eigentlich nur zwingende Gründe für Lieferanten in Artikel-Stammdaten-Management zu investieren. Vorteile sind zum Beispiel, dass keine fehlerhaften Bestellungen mehr durch den Handel eingehen und keine Rechnungsabweichungen mehr vorkommen. Vielen Lieferanten ist noch gar nicht so recht bewusst dass Artikeldaten die Basis für den Verkauf sind – ob in gedruckten Prospekten oder in Angebotsschreiben.

Wie können die Verbraucher vom Thema Stammdaten profitieren?

Der Verbraucher und die Logistik sind heute die großen Treiber für das Thema Artikel-Stammdaten. Verbraucher profitieren natürlich ganz erheblich von Informationen wie Nährwertangaben, Allergie-Informationen oder detaillierten Datenblättern, wie sie im Bereich Consumer Electronic heute ein must-have sind. Der Verbraucher profitiert hier natürlich auch extrem von der elektronischen Verfügbarkeit dieser Daten im Internet. Gleichzeitig ist das für die Lieferanten eine der großen Herausforderungen. Wie können Lieferanten die Hoheit über ihre Produktinformationen im Internet zurück erlangen? Nur indem sie selbst aktiv Artikel-Stammdaten-Management betreiben und ihre Artikel-Informationen aktiv für den Handel und insbesondere auch den Onlinehandel bereitstellen.

Wie weit ist das Ausland?

Neben Deutschland ist ganz klar die USA ein großer Treiber für das Thema Artikel-Stammdaten und für das Thema GDS, also Global Data Synchronisation. Aber auch in anderen europäischen Ländern wird das Thema heute massiv vorangetrieben und die Umsetzungsdichte nimmt kontinuierlich zu.

Blick nach vorn: Wohin geht der Trend in Sachen Stammdaten?

Der Trend ist eindeutig Integration: Integration im Sinne einer gesamtheitlichen Betrachtung von Lieferanten-Stammdaten, Artikel-Stammdaten und Preisdaten, sowie Rich-Content (Technische Spezifikationen, Bilder, Videos), der auf der Vertriebsseite immer wichtiger wird. Und letztlich natürlich die Nutzung dieser qualitativ hochwertigen Daten für die elektronische Abbildung der Geschäftsprozesse mit EDI.

Interview: René Schellbach, iXtenso.com

Themenkanäle: Stammdaten-Management

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