Bericht • 31.05.2010
Ladendiebstahl kostet Milliarden, Vorbeugung lohnt sich
Den typischen Ladendieb gibt es nicht. Während manche Kunden aus einer persönlichen Notlage heraus klauen, gibt es auch „gutes Publikum“, das gezielt nach wertvoller Markenware greift.
Der organisierte Diebstahl durch zwei oder mehrere Täter nimmt zu, ebenso der Warendiebstahl vor dem Laden. Über fünf Millarden Euro gibt der Handel hierzulande jedes Jahr für geklaute Ware und die Vorbeugung aus, ermittelte das EHI eine Forschungseinrichtung des Handels in Köln.
Ähnliche Zahlen errechnete auch das britische Centre for Retail Research in Nottingham in seiner jährlichen Befragung der größten Handelsunternehmen. Danach machen Diebstähle 1,17 % des Handelsumsatzes aus. Weltweit kostet Warenschwund den Einzelhandel rund 84 Mrd. Euro. In der Krise schlagen die Diebe häufiger zu: „Ein Drittel des Anstiegs beim Ladendiebstahl führen die befragten Einzelhändler auf die wirtschaftliche Situation zurück“, erklärt Prof. Joshua Bamfield.
Direktor des britischen Instituts und Autor der Studie. Nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland und Europa stieg die Zuwachsrate beim Warenschwund damit auf ein neues Rekordniveau seit Studienbeginn 2001.
Personal und Kunden als Täter
Die wichtigste Ursache für den Warenschwund ist laut Bamfield der Ladendiebstahl: 53,6 Prozent gehen auf das Konto von Kunden, 25,7 Prozent der Artikel verschwinden durch unehrliche Mitarbeiter. Den Rest verschulden interne Fehler (15,3 Prozent) und Lieferanten (5,4 Prozent). Während das Diebesgut von Kunden im Schnitt 94 Euro kostete, schlugen unehrliche Mitarbeiter pro Delikt mit durchschnittlich 1.858 Euro fast 20 Mal so hoch zu.
Diebstahl durch die eigenen Mitarbeiter ist ein heikles Thema. Man will kein Misstrauen säen, aber Umfragen zeigen, dass gerade die Mitarbeiter, die länger als fünf Jahre im Betrieb sind, überproportional häufig an Delikten beteiligt sind. Denn diese Gruppe kennt das Geschäft sehr gut, kennt die Lücken in den Kontrollen. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, könnte man meinen. Besser wäre es, das „Wir-Gefühl“ zu stärken, denn motivierte Mitarbeiter betrügen weniger.
Selbstkritisch räumen viele Händler ein, dass man auch gegenüber Kunden zu selten Verdacht schöpft. So können Kunden anstandslos mit vielen Textilien in der Kabine verschwinden. Wer seine Kunden jedoch immer wieder anspricht, signalisiert ihnen: „Du bist nicht allein.“ Allerdings gibt es oft viel zu wenig Personal im Laden, um alles im Blick zu halten. Umso mehr kommt es auf die Technik oder externe Detekive an.
Sicherungen für verschiedene Artikel
Ein Mittel der Warensicherung sind Vitrinen, aber hier kann der Kunde die Artikel nicht in die Hand nehmen. Frei zugänglich sind Produkte in Sicherheitsboxen mit Regalhalter, allerdings benötigen sie am Haken sehr viel Platz. Es gibt Schnürsysteme, welche mit einem Sicherheitsverschluss versehen sind. Elektronische Leinensicherungen sind geeignet für teure Produkte, die der Kunde in die Hand nehmen und ausprobieren soll, etwa GPS-Navigationsgeräte oder Pulsmesser. Ein Alarmton ertönt, sobald jemand die Leine durchtrennt. Einige Leinensicherungen reagieren außerdem auf die elektronische Schleuse am Ausgang. Die Leine hält die Ware an ihrem Ort und sie versorgt elektrische Geräte mit Strom. Eine kleine Zentraleinheit kontrolliert bis zu 10 Satelliten mit jeweils 5 Kanälen – also 50 Artikel – bis zu einer Entfernung von 100 Metern. Möglich sind Leinensicherungen auch für große Objekte wie etwa Fahrräder oder Sportgeräte, die unbeaufsichtigt im Außenbereich stehen.
Gerade bei Textilien darf die Warensicherung nicht als Hemmnis auf den Verbraucher wirken. Die im Handel häufig verwendeten harten Etiketten, so genannte Hard Tags, können beim Anprobieren stören. Hard Tags können die Ware auch beschädigen und beeinträchtigen den Anblick bei der Präsentation im Verkaufsraum. Das Angebot an biegsamen Etiketten nimmt zu. Feste Sicherungsetiketten gibt es auch mit Sicherheitstinte. Entfernt ein Dieb das Etikett, wird die Ware mit der nicht abwaschbaren Tinte getränkt. Die Tinte trocknet auch nach längerer Zeit im Sicherungsetikett nicht ein.
Kameras schrecken ab und dokumentieren
Abschreckung ist ein gutes Mittel der Vorbeugung. Dazu gehören gut sichtbare Kameras, Sicherungsetiketten und Hinweisschilder, welche über die juristischen Konsequenzen aufklären. Hochauflösende Kameras sollten alle kritischen Bereiche im Blick haben und detailgenaue Aufnahmen sämtlicher Vorgänge liefern – nicht nur im Geschäft, auch bei der Warenannahme und im Lager. So können Personen einwandfrei identifiziert und Diebstähle oder Überfälle beweiskräftig dokumentiert werden. Möglich ist auch die Verknüpfung von Kassendaten und Videobild. Vor einiger Zeit gerieten jedoch Lidl und andere Lebensmittelketten in die Schlagzeilen, weil sie das Kassenpersonal heimlich mit Kameras ausspionierten. Erlaubt ist die Observierung nur, wenn die Mitarbeiter vorab über die Technik informiert wurden, Toiletten sind selbstverständlich tabu.
Quellensicherung wird immer wichtiger
Die so genannte Quellensicherung ist ein besonders effektives Mittel der Diebstahlprävention. Bereits an der Quelle, dem Ort der Herstellung, nicht erst im Laden, wird die Sicherung am Produkt selbst oder an seiner Verpackung angebracht. Bei der Quellensicherung sind Akustomagnet (AM) und Radiofrequenz (RF) nach wie vor die beiden Basistechnologien. Sie gelten als ausgereift, die technischen Anforderungen an die Systeme sind definiert. Das EHI vergibt jedes Jahr auf der Düsseldorfer Messe EuroCIS Preise für wegweisende technische Lösungen. Ausgezeichnet wurde diesmal unter anderem die deutsche Modemarke Gerry Weber für die Einführung einer RFID-Lösung in Verbindung mit Warensicherung.
Warensicherung mit RFID
RFID steht für Radiofrequenz-Identifikation eine Technologie zur berührungslosen Erkennung von Artikeln entlang der gesamten Logistik-Kette bis hin zur Kasse und dem Ausgang des Geschäfts. Gerry Weber setzt ein neuartiges RFID-Etikett von Avery Dennison ein, das in einem Pflegeetikett integriert ist und bis zu zwei Waschgänge übersteht.
Gerhard Weber, Vorstandsvorsitzender von Gerry Weber, sagte bei der Preisverleihung in Düsseldorf: „Für uns ist die Entscheidung des RFID-Rollouts ein echter Meilenstein. Wir laden alle anderen Bekleidungshersteller ein, an der breiten Einführung von RFID mitzuwirken, um den Einzelhändlern hierdurch erhebliche Kostensenkungen sowie Transparenz- und Effizienzsteigerungen zu ermöglichen“. Die textilen RFID-Pflegeetiketten werden schon im Produktionswerk eingenäht, an der Quelle also.
Das Düsseldorfer Unternehmen Tailorit stellte auf der EuroCIS eine Studie vor, wonach Textil-Händler mit Quellensicherung bis zu 0,5 Prozent ihres Umsatzes einsparen können. Die Schuhbranche sei in Sachen Quellensicherung schon wesentlich weiter und damit kosteneffizienter als der Bekleidungseinzelhandel.
Keine Wunderwaffen
Die Anbieter sind sich einig: Dem Handel steht eine Vielzahl hervorragend wirksamer technischer und organisatorischer Maßnahmen im Kampf gegen die Warenverluste zur Verfügung. Aber es gibt keine „Wunderwaffen“ und grundsätzlich steht vor dem Ertrag der Aufwand. Fehlalarme sind der Feind jeder Sicherung. Piept es oft ohne Grund, reagiert das Personal nicht mehr. Der Händler muss also bei der Investition in mehr Sicherheit auch an die spätere Wartung denken.
René Schellbach, Erstveröffentlichung: EuroCIS.com
Themenkanäle: Warensicherung, elektromagnetische Warensicherung