Präzise und effizient: Personalsuche mit künstlicher Intelligenz
„Andere Kanäle funktionieren nicht mehr“: Interview mit Melikshah Ünver von Taledo
Taledo
Fachkräftemangel, hohe Fluktuation und die Herausforderung der Digitalisierung: Personalsuche gestaltet sich gerade im Einzelhandel schwer. Erst recht, wenn das Image von Unternehmen Rost angesetzt hat. Da heißt es, in Sachen Recruiting neue Wege zu gehen.
Einige Recruiting-Start-ups haben sich auf die Fahne geschrieben, Unternehmen bei der Mitarbeitersuche auf modernere Weise zu unterstützen. Dabei nutzen sie recht unterschiedliche Mittel. Die einen setzen auf Regionalität und die Optimierung von Stellenanzeigen für die Unternehmen. Die nächsten streuen Anzeigen auf über 100 Kanälen und führen die Bewerbungen dann auf einer Landingpage zusammen. Außerdem werden Social-Media-Kanäle wie Xing, LinkedIn und Co. für die Suche und vor allem für den Imageaufbau genutzt. Netzwerken und Kontaktaufbau sollen nachhaltig die Aufmerksamkeit für Unternehmen stärken.
Die Zukunft liegt aber vor allem darin, neue Technologien zu nutzen und Suchsysteme online intuitiver und effizienter zu gestalten. Das heißt zum einen, die Anwendungen möglichst nutzerfreundlich zu gestalten, zum anderen aber auch, die Informationen für Suchmaschinen gut auffindbar zu machen. Darüber hinaus spielt von nun an auch künstliche Intelligenz eine wegweisende Rolle.
Wir sprachen mit Melikshah Ünver, Gründer und Geschäftsführer der digitalen Recruiting-Plattform Taledo aus Berlin. Seit Februar 2017 können Unternehmen und Bewerber dort auf die Suche nach „dem Richtigen“ gehen. Zwischen zwei Terminen hat sich der Unternehmer Zeit genommen, um uns das neue Recruiting zu erklären.
Melikshah, du bist ja ziemlich überzeugt von der Qualität eurer digitalen Recruiting-Plattform. Was ist das Besondere daran?
Ganz einfach: Mithilfe unserer Technologie, die mit künstlicher Intelligenz funktioniert, sammeln wir Daten, die herkömmlich arbeitende Personalvermittler schlicht und ergreifend nicht haben. Wir können tracken, was die Unternehmen und Kandidaten auf unserer Webseite machen und sehen beispielsweise, dass jemand häufig auf Abiturnoten in Lebensläufen klickt. Das scheint ihn demnach zu interessieren. Mithilfe der Technologie schlagen wir ihm individuell Bewerber mit einem guten Abitur vor.
Welche Technologie steckt dahinter?
Wir haben einen Algorithmus entwickelt, der anhand der Daten ziemlich präzise sagen kann, welche Matches gut sind. Er ordnet die Ergebnisse und der Kunde kann dann selbst entscheiden, was er machen möchte. Das hilft dabei, die richtige Entscheidung schneller zu treffen. Das ist im Grunde das Gleiche, was Google macht.
Wie würdest du die „Zusammenarbeit“ zwischen der Technologie und euren Recruitern beschreiben?
Der Algorithmus macht die Vorarbeit. Wir haben aber natürlich auch direkten Kontakt über Telefonie und E-Mail. Die Entscheidung, wer für unsere Plattform interessant ist, treffen unsere erfahrensten Mitarbeiter persönlich.
Läuft der Vorgang auch schon einmal rein digital ab?
Manchmal ja. Dann sagt der Kunde: „Schick' mir die Rechnung, wir haben jemanden eingestellt.“ Doch in der Regel binden uns die Kunden schon ab den ersten Interviews wieder mit ein. Sie fragen uns beispielsweise, warum ein Kandidat womöglich abgelehnt hat. Die Suchenden sind ja nicht ehrlich zueinander. Aber zu einer dritten Person schon. Ich selbst habe einen Headhunter, der für mich Leute sucht, weil ich daran glaube, dass eine unabhängige dritte Partei einfach besser ist, um zu vermitteln.
Warum nutzen Unternehmen, darunter viele Einzelhändler, gerade eure Plattform?
Weil sie keine anderen Kanäle mehr haben, die wirklich funktionieren. Wahrscheinlich haben sie auch das Problem wie alle anderen, nämlich, dass sie unsexy geworden sind. Die Generation Y sucht ein bisschen mehr nach Sinn und Zweck im Leben. Und Kandidaten gehen halt lieber dahin, wo sie mehr davon sehen.
Du sagst, eure Recruiting-Plattform lässt ein Unternehmen sexy aussehen. Wie das?
Wenn wir als Taledo sagen: "Das ist ein cooles Unternehmen und wir arbeiten mit denen", dann hat das einen etwas cooleren Touch als wenn das eine Firma macht, die veraltete Methoden anwendet. Wir können das einfach besser verkaufen.
Für welche Kunden ist eure Plattform überhaupt interessant?
Die Unternehmen müssen mindestens mittelständig bis groß sein. Unsere Kandidaten fangen bei mindestens 50.000 Euro Gehalt pro Jahr ein – auch die Berufsanfänger. Darunter liegende Kandidaten nehmen wir nicht an. Wir machen das nur für Kunden, die wir wirklich cool finden. Wenn ich den Eindruck habe, dass sie eher auf einem absteigenden Ast sitzen und keine guten Leute nehmen können, dann habe ich kein Interesse daran.
Wie berechnet ihr euren Service?
Kunden schalten uns ein oder aus, wie sie wollen. Einige Kunden zahlen 20 bis 30.000 Euro im Monat, damit wir sie betreuen. Sie sagen, festangestellte Inhouse-Recruiter wären teurer. Ich bin der Meinung, dass die meisten Inhouse-Recruiting-Gruppen innerhalb der Unternehmen ohnehin nicht funktionieren. Man braucht sich auch nicht, wenn man mal sechs Monate Gas geben muss. Dafür bieten wir speziell für sie gestrickte Deals und Flatrates. Manchmal führen sie selbst die ersten Interviews oder wir, oder sie loggen sich selbst ein, weil sie eine Flatrate für mindestens sechs Monate zu einer festen Gebühr haben.
Wie entwickelt sich dein Geschäft?
Wir haben drei Jahre an der Plattform-Technologie gearbeitet. Auf eigene Kosten. Noch sind wir zwar nicht profitabel und wir geben sehr viel Geld für Marketing aus. Mit 20 Prozent Aufwand haben wir aber jetzt schon 80 Prozent des Outputs und das Engagement unserer 80.000 Kandidaten steigt. Daran erkennen wir, dass unser System zu funktionieren scheint. Mittlerweile sind wir 42 Personen hier in Berlin am Alexanderplatz. Davon sind 20 beratend tätig. Zwölf arbeiten täglich an unserem Algorithmus und der Nutzerfreundlichkeit. Ein Personalberater bei mir macht jetzt schon doppelt so viel Umsatz wie ein klassischer Personalberater, weil wir die Technologie haben. Ich bin positiv optimistisch, dass wir gerade relativ konkurrenzarm sind.
Was sagst du generell zur Entwicklung im deutschen Recruiting-Markt?
Der deutsche Recruitingmarkt ist noch sehr unsexy. Da gibt es ein paar Platzhirsche und viele kleine Player. Aber kaum jemand hat sich in den letzten Jahren aufwärts entwickelt, weil es so schwer ist, hier Fuß zu fassen. Bei einer großen Personalvermittlungsfirma kostet die durchschnittliche Platzierung etwa 25.000 Euro und die durchschnittliche Bewerberqualität ist trotzdem relativ gering. Die klassischen Recruiter arbeiten wie in den 1930er Jahren. Wir arbeiten halt in der Zukunft.
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