Viele kennen ihre Gesichter schon, auch wenn sie ihnen noch nicht begegnet sind. Gleiches gilt für das von Pepper, dem humanoiden Serviceroboter. Er ist ein kleiner Medienstar.
Im Moment leben Roboter von ihrer Seltenheit, davon, dass sie noch etwas Besonderes sind, wahrscheinlich mehr als von ihrer tatsächlichen Nützlichkeit. Für letzteres ist entscheidend, an welchen Roboter man gerät, sagt Tim Schuster, CEO der Humanizing Technologies GmbH. Wir sprachen mit ihm darüber, wie sich die Robotik und ihr Einsatz im Servicebereich und im Einzelhandel zukünftig entwickeln könnte.
Herr Schuster, Sie bringen Roboter in den Einzelhandel und in andere Branchen. Wie tun Sie das?
Tim Schuster: Wir kaufen Roboter wie Pepper, Roboter, die wir für den Markt als relevant erachten, und entwickeln Software für diese Geräte, machen sie also nutzbar für die jeweiligen Use Cases. Dann implementieren wir die Roboter bei unseren Kunden, wir führen Trainings durch und bieten Support an.
Wie viele Firmen gibt es denn, die kommerzialisierte Roboter anbieten?
In Deutschland sind das zwei, drei weitere Firmen, in Europa gibt es wahrscheinlich 30 oder 40 Unternehmen. Das sind noch nicht viele.
Sie haben sicher auch den asiatischen Markt im Blick.
Richtig. Deutschland ist in dieser Hinsicht ein recht konservatives Land, da wird die Durchdringung mit Robotern schon noch so sieben, acht Jahre dauern, schätze ich. Das sieht in China, Südkorea und Japan beispielsweise ganz anders aus. In Japan sind bereits zehntausend Peppers im Einsatz. Wir informieren uns in asiatischen Ländern auch, welche neuen Roboter dort entwickelt werden.
In welchen Branchen sehen Sie zunächst die größten Chancen?
Es gibt schon viele Anwendungsfälle in den Branchen Hotel- und Gastronomiebereich, Pflege, Industrie, Logistik, Einzelhandel, Dienstleistungsbranche: Roboter können Kunden-Feedback sammeln, als Info-Kiosk agieren, Bestellungen ausliefern, als Inventurhelfer Artikel aufspüren, mechanische Aufgaben ausführen, mit Senioren Gehirntrainings durchführen und noch vieles mehr.
Das ist ja fast universell.
Eine richtige Zielgruppensegmentierung gibt es kaum, weil jede Zielgruppe für eine Roboteranwendung interessant sein kann. Zum Beispiel kann der Roboter überall dort effektiv eingesetzt werden, wo einfache Serviceaufgaben anstehen. Die Beantwortung von häufig gestellten Fragen ist so ein Klassiker: Wie lautet das WLAN-Passwort? Wo finde ich die Toilette? Was kann diese App?
Und was macht Pepper?
Für Pepper ist neben dem Handel die Finanzbranche ein guter Abnehmer. Banken stehen oft vor der Herausforderung, neu eingeführte Serviceangebote an die Kundschaft zu vermitteln, damit diese Services auch tatsächlich genutzt werden und das Personal entlasten. Ein Roboter, der Aufmerksamkeit auf sich zieht und auch die junge Generation anspricht, bringt Informationen rüber, die die Bank auf ihren üblichen Kanälen nicht vermitteln kann.
Außerdem wird Pepper oft als Welcome-Manager bei unseren Kunden eingesetzt. Er unterhält die Leute, Kinder lieben ihn besonders, er ist eine Attraktion. So bringt er einfach Frequenz ins Geschäft und sorgt für Aufmerksamkeit in den Medien und auf Social Media.
Als Konsument macht man nicht nur gute Erfahrungen mit Robotern. Manchmal gestaltet sich die Interaktion eher schwierig als unterhaltsam oder hilfreich.
Das stimmt. Hier kommen zwei Faktoren zum Tragen:
Zum einen haben unter anderem Science Fiction-Filme die Erwartungen sehr hochgesteckt. In diesen fiktiven Zukunftsszenarien können Roboter oft alltägliche Dinge besser als Menschen selbst. Das ist nicht realistisch. Realistisch ist der selbstfahrende Saugroboter oder Rasenmäher.
Denn es gibt noch viele technische Herausforderungen zu bewältigen. Die ganzen Fähigkeiten, die wir als Menschen haben, das müssen Sie einer Maschine erstmal beibringen: Menschen und Objekte unterscheiden zu können, Sprache zu verstehen. Die Sprachintelligenz ist ein ganz entscheidender Schritt.
Und der zweite Faktor ist der, dass es Roboter gibt, die noch nicht so weit entwickelt sind, wie sie sein könnten. Wir sind nicht der einzige Software-Hersteller, der Pepper auf den Markt bringt. Wenn Leute also auf mich zukommen und erzählen, dass sie schlechte Erfahrungen mit Pepper gemacht haben, sage ich: „Dann haben Sie noch nicht unseren Roboter erlebt.“
Wenn ein Händler sich nun einen Roboter für seinen Laden anschaffen möchte, muss er dann auf gewisse Bedingungen achten oder Voraussetzungen schaffen?
Der Handel hat es eigentlich leicht heutzutage; sich so ein Gerät zu beschaffen und einzusetzen ist simpel. Wir haben bisher 100 Roboter an 65 unterschiedlichste B2B-Kunden ausgeliefert und nur positive Resonanz erhalten. Der ein oder andere hat besondere Herausforderungen, sodass wir Modifizierungen vornehmen müssen. Der Roboter wird immer besser und kommt zunehmend mit widrigen Umständen zurecht.
Wie kann ich mir denn die Einrichtung des Roboters für den Einsatz vorstellen?
Jeder Roboter, den wir an Kunden ausliefern, ist „ready to use“. Wir richten den Roboter also schon vorher möglichst gut ein, dafür schauen wir uns die Webseite des Einzelhändlers an und integrieren die wichtigen Informationen und das Design. Wenn der Kunde dann am Ankunftstag zum Master-Training den Roboter einschaltet und sein Corporate Design und die richtigen Infos sieht, ist die Freude groß.
Wir helfen also den Retailern schon mit vorgefertigten Inhalten, per Drag and Drop können sie dann die gewünschten Elemente auswählen, praktisch wie ein Skill- oder App-Store passend zur Branche. Solche vorgefertigten Skills können Feedback- oder E-Mail-Adressen-Abfragen sein oder auch QR-Code-Scans. Händler können mit Pepper beispielsweise ihre Wochenangebote bewerben oder Kunden helfen, sich im Laden zurecht zu finden. Bei der Einrichtung ist Vieles selbsterklärend, man braucht also keine Programmierkenntnisse oder großes technisches Know-how.
Wenn Sie in die Zukunft blicken, sehen Sie Roboter dann in jedem Supermarkt im Einsatz?
Sicher nicht in jedem Fachgeschäft. Es kommt auf die jeweilige Kundenstrategie an. Discounter, die eine Kostenführerschaft anstreben, die alles automatisieren, die werden Roboter eher einsetzen als Premium-Segmente, in denen viel Wert auf individuelle Betreuung gelegt wird.
Wir stehen jetzt noch ganz am Anfang der Entwicklung: Pepper ist der erste wirklich kommerzialisierte Roboter, der in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung steht, damit er flächendeckend zum Einsatz kommen kann. Andere Hersteller arbeiten noch mit Prototypen und kommen bald erst zur Serienfertigung.
Wenn dann aber die Mengen größer werden und die Preise purzeln, kann das Verhältnis kippen: Dann sind Roboter überall im Einsatz und ganz alltäglich, während das menschliche Personal möglicherweise zum Besonderen, Ausschlaggebenden wird.