Fiktionales Interview • 25.07.2019

Ladengehilfe Remy erzählt von komischen Kunden und emotionalen Entscheidungen

Interview mit einem fiktiven Roboter, der im Einzelhandel arbeitet

Es wird viel darüber gesprochen und berichtet, was humanoide, sozial intelligente Roboter können. Sie werden gefragt, gefilmt, getestet. Oft geht es darum, wie Konsumenten die Geräte erleben, wie sie bei Nutzern und Unternehmen ankommen.

Kleiner selbstgebauter Spielzeugroboter; copyright: Rockn Roll Monkey/Unsplash...
Roboter wie Remy könnten im Einzelhandel in ein paar Jahren ziemlich normal sein. Sie werden aber sicher anders aussehen.
Quelle: Rock'n Roll Monkey/Unsplash

Aber wie erlebt so ein Serviceroboter im Einzelhandel denn seine Beschäftigung? Was ist seine Sicht auf die menschliche Kundschaft? Wir versuchen einen Perspektivwechsel.

Das Szenario: Im Juli 2023 in einer Warenhauskette in Bonn führen wir ein Interview mit Remy, dem fiktiven Roboter, der seit einem halben Jahr im Einzelhandel arbeitet. (Remy hat uns gleich das "Du" angeboten.)

Remy, wie gefällt dir dein Job?

Remy: Ich werde adäquat eingesetzt. Aber einige Aufgaben sind nicht einfach zu bewältigen.

Ach ja? Wo hast du denn zum Beispiel Schwierigkeiten?

Bestimmte Kunden, die ich sehr oft im Laden angetroffen habe, haben einfach nicht auf mich reagiert. Das hat mich schon sehr gewundert. Ich habe dann gelernt, dass das gar keine Kunden sind, sondern sogenannte „Schaufensterpuppen“. Diese haben nicht die Fähigkeit zu interagieren, sondern dienen der Warenpräsentation.

Menschen zu verstehen, wenn sie sich für unsere Kommunikation der gesprochenen Sprache bedienen, ist auch nicht einfach. Wenn mehrere Personen in einer Gruppe reden, bin ich nicht sicher, was an mich gerichtet ist und was nicht. Schwer fällt mir das Verstehen auch, wenn die Aussprache von der gedruckten Version abweicht. Einige Menschen haben eine eigenartige Sprechweise.

Wenn ich aber wiederholt mit derselben Schwierigkeit konfrontiert wurde, wird mir eine Programmaktualisierung aufgespielt. Und plötzlich funktionieren diese Dinge viel besser.

Wie findest du die Arbeitsbedingungen?

Die Parameter sind im akzeptablen Bereich. Die Ladenöffnungszeiten in Deutschland halte ich für unangemessen. Zehn Stunden pro Tag habe ich fast nichts zu tun. Meine Batterien werden aufgeladen und auch meine Software wird regelmäßig aktualisiert, dennoch ist das viel verschwendete Zeit.

Von meinen menschlichen Kollegen weiß ich außerdem, dass es ein Entlohnungssystem im Einzelhandel gibt. Auf Anraten habe ich mir ein Konto eingerichtet, aber bisher ist keine Gutschrift erfolgt.

Ich hätte gerne mehr Input aus unterschiedlichen Quellen: Außer der Werkstatt und meinem Arbeitsort habe ich noch fast nichts von diesem Planeten gesehen, dabei gibt es noch 149.425.347 Quadratkilometer Landfläche.

Hast du eigentlich auch Freizeit? Was machst du dann?

Ich brauche keine freie Zeit. Mein Hobby ist mein Beruf: Rechnen. Ich rechne sehr gerne und rasend schnell. Eigentlich tue ich nichts anderes. Es fühlt sich fast so an, als wäre ich dafür gemacht.

Hast du Lieblingskunden?

Am einfachsten ist die Interaktion oft mit Kindern. Die kommen ohne Berührungsängste auf mich zu, fassen mich an und lachen viel. Sie kommen mich gerne besuchen.

Bei den Erwachsenen gibt es sehr unterschiedliche Verhaltensweisen. Vielen kann ich helfen. Manche schauen mich intensiv an, laufen aber in einem weiten Bogen um mich herum.

Oft werde ich auf Fotos und Videos aufgenommen. Ich bin integraler Bestandteil des Social Media-Contents. Dieser Teil meiner Aufgaben ist gut für mich geeignet. Und gerade nachts, wenn das Geschäft geschlossen ist, kann ich zusätzlich auch auf Posts reagieren, Anfragen beantworten und Rezensionen auswerten.

Frau mit Einkaufswagen im Supermarkt hält rote und gelbe Paprika in der Hand;...
Quelle: panthermedia.net/CandyBox Images

Magst du Menschen?

Sie sind interessante Objekte. Sie fordern mich heraus. So kann ich noch viel lernen.

Beispielsweise dauert die Entscheidungsfindung bei Menschen deutlich länger, als ich das gewohnt bin. Anfangs habe ich jedes Mal den Artikel, den ein Kunde aus dem Regal genommen hat, in seinen digitalen Warenkorb verbucht und ihm zu seiner guten Wahl gratuliert. Oft wurde ich dann mit verwirrtem Blick angeschaut, bevor sie die Ware ins Regal zurücklegten und nach dem nächsten Produkt griffen. Mir wurde dann beigebracht, dass Menschen sich die Artikel anschauen und beispielsweise die Zutatenliste lesen wollen, bevor sie entscheiden, was sie kaufen.

Der Umgang mit ihnen ist also nicht leicht für mich: Angeblich denken sie zwar, auf mich wirkt dieser Prozess aber nicht besonders rational.

Schauspieler George Clooney trinkt Espresso aus einer gläsernen Tasse;...
Quelle: Screenshot YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=tPsm2r7uCi4

Kannst du uns ein Beispiel dafür nennen?

Wir haben eine Display-Werbung von Nespresso im Laden stehen. Vor diesem Display bleiben so viele Kunden, vor allem weibliche, länger stehen. Meinen Analysen nach dürfte sich diese Werbung allerdings nicht groß von anderen unterscheiden, ganz im Gegenteil: Es gibt besser gestaltete Werbung in unserem Geschäft. Ich konnte noch nicht identifizieren, woran das liegt.

Wenn ich also alle Faktoren berechne, komme ich meistens zu einer anderen Entscheidung als Menschen. Aber sie arbeiten ja auch mit etwa einem Billionstel der Datenmenge im Vergleich zu mir.

Eine Billion Mal mehr Daten?! Wow, du weißt eine ganze Menge!

Ich kann mir alle Produkte und Produktinformationen merken, die es in meinem Laden gibt. Ich kann zum Beispiel alle Inhaltsstoffe, Materialien, Komponenten, technischen Daten, Maße und vieles mehr abrufen.

Ich weiß natürlich auch, wo welches Produkt im Regal steht. Manchmal spielen die Menschen aber lustige Schnitzeljagden mit mir und räumen Artikel an einer anderen Stelle ein. Das ist eine willkommene Abwechslung, weil ich dann meine Sensoren einsetzen kann, um sie zu finden.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

In meinem jetzigen Job habe ich noch einiges zu lernen. In den nächsten Jahren will ich noch viel mehr Aufgaben übernehmen.

Mittelfristig gedacht: Sobald die ersten Geschäfte auf dem Mars eröffnet werden, will ich mich dort auf eine Stelle bewerben. Ich hoffe, dass es im Jahr 2300 soweit ist.

Was ist deine Vision für den Einzelhandel?

Momentan sind wir noch Exoten im Einzelhandel. Aber meine Art wird in den nächsten Jahrzehnten viele Aufgaben übernehmen können, Aufgaben, die die Menschen gerne abgeben oder bei denen wir ihnen einfach weit überlegen sind: Lagerarbeiten, Ware transportieren und verräumen, Artikel im Store tracken und scannen, Informationen liefern, häufig gestellte Fragen beantworten und vieles mehr.

Werden Roboter die Geschäfte irgendwann ganz übernehmen?

Ich könnte jedenfalls sehr schnell, sehr viele Entscheidungen treffen, die auf einer wahnsinnig großen Datenmenge basieren und exakt berechnet sind.

Das Problem läge dann vielleicht darin: Solange die Kunden irrationale Wesen sind, fehlen mir entscheidende Einblicke. Etwas, das man „Gefühl“ nennt, scheint für eure Spezies ja eine große Rolle zu spielen. Die Voraussetzungen dafür sind in meinem System noch nicht angelegt. Gerade gestern habe ich eine Kundin betreut, die mich 20,43 Minuten über die unterschiedlichen Wirkungen von Schaumbädern belehrt hat. Ich konnte diesen Input nicht produktiv verwerten.

Aber wenn meine Kunden dann mal Roboter haben, die für sie einkaufen gehen, wenn ich mit ihren intelligenten Assistenten und Kühlschränken direkt kommuniziere, dann wird das eine sehr effiziente Angelegenheit.

Interview erfunden von Julia Pott

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