Smart Stores 24/7 – eine boomende Nische

Diese neu entstandene Betriebsform ermöglicht den Betrieb von Kleinsupermärkten an Orten, an denen ein Betrieb mit Personal nicht rentabel wäre.

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Seit 2022 hat die Dynamik in der Entwicklung von unbemannten Kleinsupermärkten – sogenannten Smart Stores 24/7 – deutlich zugenommen. Diese neu entstandene Betriebsform ermöglicht den Betrieb von Kleinsupermärkten an Orten, an denen ein Betrieb mit Personal nicht rentabel wäre. Zudem ermöglichen die Stores auch das Einkaufen außerhalb der üblichen Öffnungszeiten bis hin zu einer 24/7- Verfügbarkeit. Mittlerweile gibt es sieben verschiedene Modelle in der Kategorie Smart Stores 24/7, deren Customer Journey konstant weiterentwickelt wird. 

Als Smart Stores 24/7 werden unbemannte Supermärkte bezeichnet, die aufgrund ihrer Betriebsform rund um die Uhr betrieben werden können. Smart Stores 24/7 zeichnen sich durch fünf gemeinsame Merkmale aus:

  • Die Stores werden ohne Kassenpersonal betrieben. Dadurch muss der Einkaufsvorgang als Self-Service durch die Kunden selbstständig abgeschlossen werden (Automated Self Service).
  • Der Automated Self Service ermöglicht die Öffnung der Stores zu Zeiten, an denen der Betrieb mit Personal nicht rentabel und/oder erlaubt wäre (nachts und an Sonn- und Feiertagen).
  • Die Stores haben sehr kleine Verkaufsflächen von 50 bis 200 m². Häufig handelt es sich dabei auch um Containerstores.
  • Da kein Kassenpersonal vor Ort ist, läuft der Bezahlvorgang bargeldlos ab.
  • Vor der Nutzung der Stores müssen sich Kunden ausweisen, beispielsweise durch das Vorzeigen einer Bankkarte, die Eingabe einer E-Mail-Adresse oder der Erstellung eines Kundenkontos.

Da sich die Ausprägungen dieser Merkmale in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt haben, weisen nicht alle Modelle diese Merkmale im Detail auf („Ausnahmen bestätigen die Regel“).

Eine Person durchquert eine Schranke in einem Pay and Go Konzept....
Quelle: Messe Düsseldorf / Andreas Wiese

Grab & Go weitestgehend noch im Test-Modus

Die anspruchsvolle Grab & Go-Technologie (Computer Vision und Sensor Fusion), die 2016 erstmals von Amazon Go in Seattle genutzt wurde, befindet sich in Europa noch überwiegend im Test-Modus. Viele Händler, (z. B. Rewe, Aldi, Tesco, Morissons, Sainsbury, Carrefour, Penny, Netto) haben Test-Stores. Nur Zabka in Polen betreibt bereits über 60 solcher Stores. Die Customer Journey hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Während zunächst eine App zwingend erforderlich war, können die Stores mittlerweile auch nur mit einer Giro- oder Kreditkarte genutzt werden. Aufgrund der hohen Kosten ist kurzfristig nicht mit einem signifikanten Roll-out zu rechnen.

Selfscanning-Lösungen sind die dominierende Technologie

Die überwiegende Anzahl von Smart Stores 24/7 wird mit der Selfscanning-Technologie ausgestattet. Die Kunden kennen dies bereits aus dem stationären Handel und können sich daher schnell an das unbemannte Einkaufen gewöhnen. In Ländern wie Deutschland, Tschechien und Schweden gibt es bereits eine große Anzahl solcher Stores. Die jeweiligen Betreiber haben ehrgeizige Expansionspläne. Diese Smart Stores befinden sich überwiegend im ländlichen Raum und schließen die Versorgungslücke, die auf dem Land zunehmend entstanden ist.

App-basierte Lösungen für die Direktvermarktung

Für die Direktvermarktung eignen sich App-basierte Lösungen, weil bei diesen nur geringe Hardware-Kosten entstehen und der Zugang zum Store, das Scannen der Artikel und die Bezahlung ausschließlich in der App durchgeführt werden können. Betreiber müssen somit keine Investitionen in eine Selfscanning-Lösung tätigen und können auch Artikel, die keine GTIN haben, über einen QR-Code, den sie selbst anlegen können, verfügbar machen.

RFID – eine sinnvolle Option

Die RFID-Technologie, die bereits von einigen Textilhändlern in herkömmlichen Stores genutzt wird (z. B. Decathlon, Uniqlo, H&M, Zara) findet sich auch in einigen Smart Stores 24/7, die überwiegend 3 Lebensmittel anbieten. RFID ist vor allem bei Metzgereien sinnvoll, da sie mit RFID „auf Knopfdruck“ eine Verfallsdatums-Kontrolle ihrer ultrafrischen Produkte und somit ein optimales Bestandsmanagement durchführen können.

Hybride Lösungen im Kommen

Da die Branche in den letzten fünf Jahren gelernt hat, wie man einen Store unbemannt betreiben kann, entstehen seit letztem Jahr zunehmend hybride Lösungen. Zu definierten (flexiblen) Zeiten sind die Stores bemannt und außerhalb dieser Zeiten werden die Öffnungszeiten unbemannt erweitert. Dies könnte in Zukunft die vorherrschende Expansionsoption sein, da damit dem Wunsch einiger Kunden nach Personal Rechnung getragen werden kann. Außerdem ist zu bemannten Zeiten häufig auch eine Barzahlung möglich, die in unbemannten Stores in der Regel nicht angeboten wird. In Ländern wie Deutschland, in denen Barzahlung noch eine hohe Relevanz hat, sind hybride Stores daher sinnvoll.

Geschlossene Robotik-Boxen – eine weitere Alternative

Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Walk-in Stores, in denen man die Ware aus dem Regal nimmt, ordert man bei geschlossenen RobotikBoxen die Ware an einem Terminal, die dann im Hintergrund (für den Kunden nicht sichtbar) von einer Robotik kommissioniert werden und an einem Ausgabefach zur Verfügung gestellt werden. Für die Kommissionierung existieren verschiedene Technologien (z. B. von Latebird, VPS Roberta, Smarks, Ximiti, Westermann, Knapp). Solche Boxen haben vor allem ihre Berechtigung, da in solchen Boxen Diebstahl nicht möglich ist.

Automaten-Stores – Automaten neu gedacht

Ein weiteres Konzept, das sich in den letzten Jahren deutlich entwickelt hat, sind die sogenannten Automaten-Stores, die durch die Bereitstellung mehrerer klassischer Automaten nicht nur ein Convenience-Sortiment (mit z. B. Energy Drinks und Schoko-Riegeln) anbieten, sondern durch ein breites Food-Angebot ein nahversorgungsähnliches Sortiment 4 abbilden. Solche Automaten-Stores sind sowohl in innerstädtischen, aber auch in ländlichen Lagen entstanden.

Herausforderungen sind vielfältig

Die Betreibung eines Smart Stores 24/7 stellt Händler vor besondere Herausforderungen:

  • Die Customer Journey muss möglichst einfach und verständlich gestaltet sein.

  • Die Logistik solcher häufig sehr kleinen Stores mit geringer Lagerfläche ist anspruchsvoll.

  • Diebstahlprävention ist bei fast allen Lösungen von Relevanz

  • Behördenauflagen für die Öffnung eines solchen Stores sind umfangreich.

  • In Deutschland ist die gesetzliche Grundlage für die Sonntagsöffnung zwar in den Bundesländern in der Umsetzung bzw. in der Diskussion, aber bisher nur in zwei Bundesländern tatsächlich rechtlich geregelt (Hessen und Mecklenburg-Vorpommern).


Bisher sind Smart Stores 24/7 überwiegend in ländlichen Gebieten entstanden. In Zukunft werden Smart Stores 24/7 aber auch an Tankstellen, in Hotels, Gewerbegebieten und auch in Innenstädten entstehen. Der Fokus liegt bisher auf dem Lebensmittelhandel. Allerdings sind die verschiedenen Technologien auch für Nonfood-Sortimente anwendbar. Aufgrund der standortindividuellen Anforderungen haben vermutlich alle erwähnten Technologien ihre Berechtigung und werden sich am Markt etablieren. Smart Stores 24/7 sind aufgrund des Personalmangels im Handel eine boomende Nische. In Deutschland sind bereits über 500 Smart Stores 24/7 entstanden. Das Potenzial erscheint angesichts der Versorgungslücken enorm. Es ist aber davon auszugehen, dass Smart Stores 24/7 eine Nische bleiben und dabei dennoch eine relevante Ergänzung zum klassischen LEH sind.

Prof. Dr. Stephan Rüschen lächelt in die Kamera.
Quelle: DHBW Heilbronn

Prof. Dr. Stephan Rüschen ist seit 2013 Professor für Lebensmittelhandel und Studiengangsleiter Retail Management an der Dualen Hochschule 5 Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn. Vor seinem Wechsel in die Wissenschaft war er in verschiedenen Führungspositionen in Unternehmen wie Metro und Tengelmann tätig. Seine Fachgebiete sind Innovation im Einzelhandel, Nachhaltigkeit und digitale Transformation im Lebensmittelsektor.

Prof. Dr. Stephan Rüschen

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