Wenn die FooFighters ihr neuestes Rockalbum „Concrete & Gold“ nennen, sind sie nicht die einzigen, die mit dem Kontrast zwischen Beton und anderen Materialien spielen. Gerade Architekten setzen den Baustoff, der schon das antike Pantheon vor dem Verfall bewahrte, immer kreativer ein. Auch im Storedesign taucht der Look auffallend häufig auf.
Chris van Uffelen veröffentlichte zahlreiche Bücher, Aufsätze und Artikel zur Kunst und Architektur von der Antike bis zur heutigen Zeit.
Herr van Uffelen, Sie haben ein Buch über den Einsatz von Beton in der Architektur geschrieben. Was macht denn diesen Baustoff plötzlich wieder so attraktiv?
Nun, so ganz weg war Beton nie. Das ist so ähnlich wie mit der Paletten-Architektur. Im Moment ist das Imperfekte wieder sehr angesagt – das im Prinzip Selbstgezimmerte in Kontrast zu den ganzen Perfektionen, die in den letzten Jahrzehnten dominiert haben. So beispielsweise in der parametrischen Architektur, für die man leistungsstarke Rechner braucht, um Kurven zu bestimmen, in denen sich die Wand biegen muss, und so weiter. Beton gießt man in eine Verschalung und fertig, Wand steht.
Imperfekt: Das erinnert mich an den Patina-Look, der bei Metallen gerade auch angesagt ist.
Ja, genau. Das Metall wird sogar vorbehandelt, um möglichst schnell alt auszusehen. Das ist auch ein Vorteil, den jedes natürliche Material hat: Es darf altern. Eine schicke weiße Wand darf keinen Kratzer abbekommen. Ein Backstein, Beton und jedes ursprüngliche Material dagegen darf Spuren aufweisen.
Beton hatte für mich immer eine eher klotzige, plumpe Bedeutung. Gibt es denn neue Möglichkeiten für die Gestaltung?
Mit CAD (computer-aided design) lässt sich die Verschalung für den Beton mittlerweile in beliebigen Formen herstellen und das viel günstiger als früher. Hierzu werden Verfahren wie im Schiffsbau verwendet. In den 70er, 80er Jahren musste man noch alles per Hand verschalen, das war viel zu teuer. Deshalb war uns der Beton in dieser fantasievollen Form verloren gegangen. Die Schreinerarbeiten waren einfach zu teuer. Das Spannende an der Verschalung sind die Muster, die diese im Beton hinterlassen. Wie beispielsweise beim Berliner Museum für Architektur und Zeichnung. Dort wurden vergrößerte Zeichnungen auf Silikonmatrizen in die Verschalung genommen und das Relief ziert nun die Wände.
Welche Farbvarianten sind umsetzbar?
Jede. Ein Großteil des Betons besteht aus Zuschlagstoffen. Da kann man hinzufügen, was man möchte – wie beispielsweise den Kies beim Waschbeton. Genauso kann der Beton mit Pigmenten in allen Farben durchgefärbt werden. Selbst wenn dann die Wand einen Kratzer bekommt, ist darunter weiterhin die Farbe zu sehen. Man kann auch Marmor dazugeben, so dass der Eindruck einer Marmorwand entsteht. Schleifen geht auch. Je feiner der Zuschlagstoff, desto mehr erhält man eine Art Schimmer.
Im Shopdesign ist der Betonlook heißbegehrt. Ist das immer echter Beton?
Nicht nur. Es gibt sowohl den echten Beton als auch den Betonlook. Wenn man sich bei Farben und Putz umsieht, gibt es inzwischen eine ganze Reihe an Produkten, mit denen man eine Wand als Betonwand erscheinen lassen kann. Als Putzstruktur, die man aufbringt. Oder Wandpaneele, die man einfach vor die bestehende Wand klebt. Danach sieht es aus, als wäre sie gegossener Beton.
Und warum dann noch richtigen Beton nutzen?
Unter anderem, weil man mit Beton weite Strecken überdecken kann, da eine Stahlarmierung darin ist. Er ist absolut stabil und langlebig – und ein sehr sauberes Material.
Nachhaltig also?
Zumindest wird er aus Naturmaterialien angemischt. Allerdings ist seine Entsorgung sehr aufwendig, weil Beton meist mit einer Metallarmierung stabilisiert wird. Die beiden Materialien müssen erst voneinander getrennt werden. Inzwischen spielt Recyclingbeton allerdings auch eine Rolle. Der Baustoff kann gemahlen werden und dann wieder in anderem Beton weiterverwendet werden.
Mit welchen Materialien wird Beton im Storedesign gern kombiniert?
Holz und Stahl passen hervorragend zu Beton. Ebenso wie Glas. Das ist schon ziemlich perfekt. Der imperfekte Beton bietet außerdem eine großartige Möglichkeit, Waren in Kontrast dazu zu präsentieren. Nehmen Sie beispielsweise einen teuren, eleganten Kugelschreiber, der auf einem rauen Beton liegt. Das lässt seine Eigenschaften noch mehr hervorstechen.
Der Opus Caementitium, direkter Vorläufer des Betons, wurde schon von den Römern genutzt.