Auf Smartphones oder Tablets werden Augmented Reality-Anwendungen mehr und mehr gängige Praxis. Seit diesem Jahr macht das kalifornische Unternehmen Snap Inc., also die Firma hinter der Snapchat-App, einen neuen Anlauf, das AR-Sichtfeld und damit auch die Einsatzmöglichkeiten von Augmented Reality mit einer Brille zu erweitern.
Optisch erinnert die „Spectacles 4“ an eine futuristische Sonnenbrille und ist mit 134 Gramm auch nur unwesentlich schwerer als eine durchschnittliche Alltagsbrille. Diese Entwicklung ist besonders für den E-Commerce von Bedeutung.
Spontan wird sich manch einer fragen: „AR-Brille? Für jeden Tag? Brauch‘ ich sowas?“ Manch anderer wird sich an das Debakel mit Googles Glass Project erinnern und ähnlich abweisend reagieren.
Doch eine nähere Betrachtung lohnt sich: Augmented Reality-Anwendungen als Kombination aus digitalen Inhalten und der realen Welt werden bisher vor allem auf kleinen Smartphone-Bildschirmen oder den etwas größeren Tablets genutzt. Diese nicht unerhebliche Limitierung fällt nicht sofort auf, denn die Begeisterung darüber, das virtuelle Sofa in der realen Umgebung platzieren zu können, überwiegt erst einmal. Aber: Genau diese Limitierung wird fallen, sobald es Alltags-AR-Brillen für jedermann gibt.
Reale Umgebung durch virtuelle Objekte anreichern
Daran, dass es diese AR-Brillen in naher Zukunft geben wird, haben Fachleute keinen Zweifel. Seit langem wird gemunkelt, dass Apple und Facebook in der Entwicklung einer solchen Brille weit fortgeschritten sind. Dabei soll die reale Umgebung des Nutzers durch virtuelle Objekte angereichert werden – ohne den limitierenden Blick auf ein Smartphone.
Dass nun ausgerechnet die Snap Inc. das Rennen um eine neue Generation von AR-Brillen eröffnet, ist nur auf den ersten Blick überraschend. Im Bereich AR bietet Snapchat seinen Nutzern bereits diverse spannende Features an und entwickelt seine App in den letzten Jahren zielgerichtet von der reinen Spaßanwendung zum leistungsfähigen Marketing- und E-Commerce-Kanal weiter.
So ist es auf Snapchat zum Beispiel möglich, Produkte, Unternehmen oder Marken zu scannen und sofort zu identifizieren. Eine direkte Shopping-Option – ohne die Notwendigkeit, das Portal zu verlassen – soll noch in diesem Jahr starten.
Marketing und E-Commerce mit AR
Die neue AR-Brille ist der nächste wichtige Schritt: Ausgestattet mit zwei Kameras, vier Mikrophonen, zwei Lautsprechern und einem mit bis zu 2.000 Nits leistungsstarken, transluzenten Display, beherrscht sie das Tracking der Hände, von Markern und natürlich der Oberfläche der Umgebung. Das Ganze verspricht aufregende neue Möglichkeiten – nicht nur für die Gaming-Industrie. Die Erweiterung der Realität durch AR ist auch für Marketing und E-Commerce ein folgerichtiger und vor allem sehr erfolgversprechender Schritt. Denn Augmented Reality wirkt zum einen als Booster für die Produktpräsentation, zum anderen erhöht sie das Involvement und kann ein wirksames Instrument sein, um die Retouren deutlich zu reduzieren.
Persönlicher geht’s nicht: Augmented Reality zuhause
Die Perfektionierung der Customer Journey gilt unter E-Commerce-Verantwortlichen aktuell als Muss: Nur wer seinen Kunden für sie relevante und interessante Informationen, Services und Angebote bietet, kann sich im stetig zunehmenden Wettbewerb behaupten. AR ermöglicht Shoppingerlebnisse einer neuen Dimension. Denn das Erlebnis, Produkte in der eigenen Umgebung zu sehen, steigert das persönliche Involvement und die Attraktivität. Auch die Beurteilung von Produkten fällt erheblich leichter als auf einem einfachen Foto im Online-Shop. So lassen sich viele der für den Handel teuren und für die Kunden lästigen Retouren vermeiden.
Ein Beispiel: Der viel gepriesene Thermomix von Vorwerk versteht sich als Küchenhelfer der besonderen Art. Da er tagtäglich in der Küche zum Einsatz kommen kann und nach Kundenwunsch auch soll, möchten die meisten ihn nicht erst jedes Mal aus dem Küchenschrank hervorkramen. Doch passt er auf die Arbeitsplatte? Und fügt er sich optisch in die Küche ein? Diese Fragen können Kunden dank AR bereits beantworten, bevor der Thermomix tatsächlich in der Küche steht: Der virtuelle Thermomix lässt sich bereits per Smartphone in der eigenen Küche platzieren und von allen Seiten betrachten.
Auf ähnliche Weise lassen sich mit Unterstützung von AR auch Leuchten der Marke TRIO aussuchen. Mit dem Smartphone können die Lampen nicht nur von allen Seiten betrachtet, sondern auch gleich zu Hause an den vorgesehenen Platz gestellt oder aufgehängt werden. So weiß der Kunde bereits vor der Bestellung, wie sich die neue Leuchte im Zimmer machen wird.
Auch wenn die Spectacles 4 zurzeit erst einmal mit ausgewählten Kunden getestet wird und es bis zur offiziellen Markteinführung noch etwas dauert, sollten Handel und Hersteller auf diese Erweiterung der Produktpräsentation vorbereitet sein. Denn so viel ist klar: Gerade in der Anfangsphase werden die solventen und experimentierfreudigen Early Adopters jede Möglichkeit zum Ausprobieren der neuen Technik nutzen. AR-Content wird also noch gefragter sein als bisher.