Der Hausmüll, besonders Plastikmüll, deutscher Verbraucher wird von Jahr zu Jahr mehr. Unverpacktläden wie „Fräulein Jule“ in Lohmar kämpfen gegen diese Ressourcenverschwendung an. Der erklärte Gegner ist die Plastikverpackung. Selbst Produkte wie Müsli oder Shampoo werden hüllenlos angeboten.
Wir besuchten die ehemalige Grundschullehrerin und Inhaberin Bettina Roth in ihrem liebevoll eingerichteten 20 Quadratmeter großen Laden und erfuhren einiges über die Herausforderungen und Ziele ihres Geschäftes.
Frau Roth, seit dem 1. September 2018 gibt es "Fräulein Jule" in Lohmar. Wie läuft’s?
Bettina Roth: Ich bin sehr zufrieden. Natürlich lässt sich in so einer kurzen Zeit noch kein Blick in die Zukunft werfen. Es kommen viele verschiedene Menschen hierher. Aus Neugierde, was es hier Neues gibt, aber auch, weil sie versuchen wollen, weniger Müll zu produzieren. Vielen ist das Thema wichtig und sie sind froh, nicht mehr bis nach Köln oder Bonn fahren zu müssen, um einzukaufen.
Gibt es noch weitere Vorteile von Unverpacktläden außer den Schutz der Umwelt?
Bettina Roth: Ja, auf jeden Fall, auch wenn dieser natürlich im Vordergrund steht. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Qualität unserer Produkte. Ich suche mir unsere Lieferanten und Produzenten sehr genau aus. Wenn möglich, sind unsere Produkte regional und bio. Wichtig ist auch die Entschleunigung der Kunden beim Einkauf selbst. Er wird bei uns nicht mit Produkten überhäuft, sondern hat Zeit, sich umzuschauen. Einkäufe sind so viel geplanter, denn der Kunde muss sich vorher Gedanken machen, wo er was einkauft.
Neu ist das Thema „Unverpackt“ nicht. Schließlich verpackte früher niemand seine Produkte mit Plastik. Mit der Milchkanne zum Bauern zu gehen und die Äpfel im Korb einzusammeln war da Standard.
Bettina Roth: Es ist eher in Vergessenheit geraten, dass man nicht alles einpacken muss, um es transportfähig zu machen. Oder zumindest nicht in Plastik und anderen umweltschädlichen Stoffen.
Welche Produkte kann man bei Ihnen kaufen?
Bettina Roth: Die Auswahl ist relativ groß. Wir verkaufen vor allem haltbare Produkte wie Hülsenfrüchte, Trockenfrüchte und Nudeln. Außerdem Honig, Brühe, Öle und Essig. Unsere Kosmetik und Waschabteilung ist auch recht groß: mit plastikfreien Zahnbürsten, unverpackten Shampoos, Zahnpasta und Waschmittel.
Warum bieten Sie keine frischen Produkte an? Ist das der Standard für Unverpacktläden?
Bettina Roth: Nein, definitiv nicht. Es gibt Geschäfte in Trier und auch in anderen Großstädten, die Produkte für die Kühlung anbieten. Wir sind dafür aber einfach noch zu klein und zu neu am Markt. Unser Lager ist noch kleiner als das Geschäft. Da können wir solche Produkte noch nicht lagern. Die Zukunft wird zeigen, ob wir auch frische Produkte in unser Sortiment mit aufnehmen können.
Welchen Herausforderungen stehen Sie, auch im Hinblick darauf, dass Sie ein Quereinsteiger sind, gegenüber?
Bettina Roth: Welche Menge an Waren ist die richtige? Wie strukturiere ich unser sehr kleines Lager optimal? Welche Anordnung der Produkte ist tatsächlich sinnvoll, für Kunden und Verkäufer? Das sind alles Fragen, auf die wir noch eher mit unserem Bauchgefühl reagieren als mit Strategie. Es gibt außerdem viele bürokratischen Aufgaben, die gelöst werden müssen. Dadurch lernen wir natürlich jeden Tag dazu, dadurch können wir nur besser werden.
Das sieht man dem Geschäft auch an. Es wirkt sehr einladend und trotz der geringen Größe sehr aufgeräumt mit viel Liebe zum Detail.
Bettina Roth: Dankeschön. Wir bieten unsere Produkte größtenteils in so genannten Bulk-Behältern an, die wir aus den USA importiert haben. Da sich die Kunden bei uns im Geschäft selbst bedienen können, ist hier der Hygienefaktor natürlich sehr wichtig – Plastikhandschuhe sind aber selbstverständlich ein No-Go. Die Container oder auch das Abzapfen der flüssigen Produkte sind hier eine schöne Lösung, denn der Kunde kommt mit dem Produkt nicht direkt in Kontakt.
Kann ich auch ohne mitgebrachte Aufbewahrungsboxen bei Ihnen einkaufen?
Bettina Roth: Es gibt bei uns mehrere Möglichkeiten, die Produkte sicher nach Hause zu bringen. Zum einen können die Kunden eigene Gläser, Flaschen und Dosen mitbringen, die sie bei uns zuvor wiegen, selbst befüllen und die abgewogene Menge kaufen. Sie können außerdem Stoffbeutel, Gläser und Pumpflaschen erwerben und befüllen. Außerdem bringen viele Kunden auch ihre alten Gläser mit, die sie nicht mehr benötigen. Diese werden dann von uns gespült und können von anderen Kunden kostenlos mitgenommen werden.
Unsere Getränke verkaufen wir in Glaspfandflaschen. Proseccoflaschen sind die Ausnahme: das sind Einwegflaschen, die nur einmal befüllt werden dürfen, da sie unter Druck stehen.
Die Gin-Flaschen sind auch Einwegflaschen …
Bettina Roth: Das stimmt. Allerdings kann man auch mal ein Auge zudrücken.