Firmennachricht • 05.07.2013
Andere Herkunft, anderes Markenbewusstsein
GfK-Tagung beschäftigte sich mit Unterschieden im Konsumverhalten
Im öffentlichen Leben und auch als Konsumenten - besonders Menschen russischer und türkischer Herkunft sind in Deutschland wichtige Bevölkerungsgruppen. Die GfK-Tagung beschäftigte sich mit Unterschieden im Konsumverhalten und der Frage, welche Produkte bei russisch- und türkischstämmigen Verbrauchern gefragt sind.
Deutschland besitzt eine lange Tradition als Einwanderungsland: 19 Prozent der Bevölkerung hat mittlerweile einen Migrationshintergrund. Die beiden größten Gruppen sind mit je drei Millionen die türkisch- und russischstämmigen Migranten. Sie haben zusammen ein Konsumpotenzial von circa 84 Milliarden Euro pro Jahr - das bisher jedoch zu wenig genutzt wird. Die GfK-Tagung 2013 des GfK Vereins rückte deshalb das Konsumverhalten der ethnischen Zielgruppen in den Mittelpunkt: Im NürnbergConvention Center bekamen rund 450 Marketingfachleute aktuelle Daten und Einschätzungen von Experten zur Frage, wie sie diese Konsumenten am besten erreichen.
Zuwanderung verändert sich
Der demografische Wandel lässt Deutschland altern und schrumpfen. Um die wirtschaftliche Zukunft zu sichern, ist deshalb qualifizierte Zuwanderung notwendig. Im Gegensatz zu den ausländischen Fachkräften, die heute ins Land kommen, waren die Zuwanderer früher meist ungelernte Arbeitskräfte. Wie sich vor diesem Hintergrund die soziale, kulturelle und ökonomische Integration von Migranten in Deutschland innerhalb der vergangenen Jahre verändert hat, zeigte Dr. Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, in einer neuen Studie.
Integration verbessert sich langsam
Die mangelnde Bildung und berufliche Qualifikation jener Migranten, die einst als "Gastarbeiter" kamen, führt zu einer hohen Arbeitslosenquote in dieser Gruppe. Auch in den nachfolgenden Generationen bleibt geringe Bildung das größte Integrationshindernis, so Klingholz. Heute bringen die Migranten aus den EU-Staaten bessere Abschlüsse mit. Damit verbessere sich die Situation in Hinblick auf Jobchancen und Integration langsam, sei aber noch nicht gut genug, führte Klingholz aus. Die Untersuchung macht auch positive Entwicklungen deutlich: Migranten sind im öffentlichen Leben präsenter und die gegenseitige Akzeptanz von Deutschen und Zuwanderern steigt.
Türkische Verbraucher sind offen für Neues
Die beiden größten und für den Konsum wichtigsten Gruppen in Deutschland sind türkisch- und russischstämmige Menschen. Vom Auto über Finanzprodukte bis zum Smartphone: Die Frage, wie sich die Markenorientierung und das Kaufverhalten unterscheiden und welche Gemeinsamkeiten es mit deutschen Verbrauchern gibt, beleuchtet eine aktuelle GfK-Umfrage. Ulrike Mühlbacher, Research Managerin Technology bei Consumer Experiences, GfK SE, stellte einige Ergebnisse vor: "Deutsche achten im Vergleich stärker auf den Preis, während türkischstämmige Migranten aufgeschlossen gegenüber Neuem sind, mehr Spaß am Einkaufen und ein ausgeprägteres Markenbewusstsein haben", fasst Mühlbacher zusammen. Russischstämmige Migranten konsumierten traditioneller - sie bevorzugten Marken, die sie von zu Hause kennen.
Auto nicht immer Statussymbol
Dementsprechend stehen bei türkischstämmigen Migranten quer durch alle Altersgruppen Smartphones und mobiles Internet hoch im Kurs: Sie nutzen deutlich häufiger Smartphones als die anderen beiden untersuchten Gruppen. 68 Prozent der türkischstämmigen Befragten surfen auch mobil im Internet. Bei den Russischstämmigen sind es 36 Prozent, bei den Deutschen 40 Prozent. Unterschiede gibt es auch beim Autokauf: Für türkischstämmige Menschen ist das Auto ein Statussymbol, das am besten nicht nur viel Platz für die Familie bietet, sondern auch von einem deutschen Hersteller stammt. Russischstämmige Verbraucher legen vor allem Wert darauf, dass der Wagen gut gepflegt und neuwertig ist.
Marketingkonzepte anpassen
Großes Potenzial gibt es laut der Studie bei Finanzprodukten und Versicherungen: Hier werden Beratung in der Muttersprache und eine persönliche Ansprache gewünscht. Vor dem Hintergrund, dass viele türkischstämmige Migranten in den kommenden ein bis zwei Jahren den Kauf eines Einfamilienhauses planen, ist dieses Ergebnis wichtig für die Immobilien- und Finanzbranche. Auch für andere Branchen gilt: Nur mit einem zielgruppenspezifischen Marketingkonzept, das auf Kulturverständnis und Respekt gründet, kann das Konsumpotenzial ethnischer Zielgruppen genutzt werden, so das Fazit von Ulrike Mühlbacher. Dazu sei es notwendig, nicht nur kulturelle, sondern auch soziodemographische und ökonomische Hintergründe weiter zu erforschen.
Verständnis für Migrationsgeschichten
Dieser Einschätzung schloss sich Dr. Robert Kecskes, Manager Strategic Customer Development, Consumer Panels bei GfK SE, an: "Um Unterschiede im Konsumverhalten von Deutschen und Migrantengruppen verstehen zu können, ist es notwendig, auch die Geschichte der Migration qualitativ aufzuarbeiten." Die Kenntnis der jeweiligen Sozialstrukturen oder rechtlichen Rahmenbedingungen erleichterten das Verständnis von unterschiedlichem Konsumverhalten.
Handelsmarken gewinnen an Vertrauen
Anhand der GfK Consumer Panels zeigte Kecskes, wie und was türkisch- und russischstämmige sowie im Vergleich deutsche Haushalte konsumieren. Migrantenhaushalte beispielsweise geben viel Geld in Discountern und Drogeriemärkten aus, russischstämmige Käufer außerdem in SB-Märkten. Beide ethnische Gruppen kaufen deutlich mehr Frische-Produkte als Deutsche, vor allem Obst und Gemüse. Während Migranten beim Einkauf im Near-Food-Bereich großen Wert auf Herstellermarken legen, wird bei Lebensmitteln gespart und eher zu Handelsmarken gegriffen. Um in diesem Marktbereich wieder zu gewinnen, so Kecskes, müssten Markenhersteller mehr Innovationen anbieten. Beide Migrantengruppen sind dafür besonders aufgeschlossen.
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