Sicherheit ist Trumpf. Ob Ende 2013 auf der A+A in Düsseldorf oder im August 2014 auf der Arbeitsschutz Aktuell in Frankfurt: Arbeitsschutz ist und bleibt ein wichtiges Thema. Im iXtenso-Interview spricht Jörg Feldmann, Pressereferent der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), darüber, was den Arbeitsschutz in den nächsten Jahren beschäftigen wird.
Herr Feldmann, gerade ist die aktuelle Broschüre „Arbeitswelt im Wandel“ der BAuA mit dem Fokus auf psychischen Erkrankungen erschienen. Was beschäftigt Arbeitnehmer von heute – was macht sie krank?
Grob zusammengefasst kann man sagen, dass viele Beschäftigte über gestiegene Anforderungen in Sachen Know-how, Flexibilität und Arbeitspensum berichten. Zugleich beobachten wir einen Anstieg bei der Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung aufgrund psychischer Erkrankungen. 2008 waren es noch rund 41 Millionen Krankheitstage deutschlandweit aufgrund psychischer Störungen und Krankheiten. In 2011 sind die Tage auf 59 Millionen angestiegen.
Zudem ist auch der demografische Wandel schon im Arbeitsalltag vieler Unternehmen angekommen. Durch die zunehmende Alterung der Belegschaften werden neue Ansprüche an Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement gestellt. Auch dadurch, dass das Renteneintrittsalter erhöht wurde, müssen Arbeitsplätze alternsgerecht gestaltet werden.
Allerdings sind die Arbeitsunfälle dank moderner Technik und verbesserter Arbeitsgestaltung zurückgegangen. Wir haben beobachtet, dass die Unfallzahlen und auch Wegeunfälle auf relativ niedrigem Niveau sind. Es ist zwar immer noch so, dass jede fünfte Arbeitsunfähigkeit auf Muskel-Skelett-Erkrankungen beruht, aber an vierter Stelle kommen auch schon Krankheiten aufgrund psychischer Störungen. Sie haben Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems als Ursache für Arbeitsunfähigkeit überholt. Das ist schon ein starker Anstieg. Gleichzeitig lag die Zahl der Frühverrentungen aufgrund psychischer Störungen in 2011 mit rund 70.000 Fällen an erster Stelle.
Was sind die Gründe für psychische Fehlbelastung?
Viele Arbeitnehmer sind einfach durch Zeitdruck und Arbeitsmenge überlastet oder haben Probleme mit den veränderten Arbeitsbedingungen: Der ständig steigende Anspruch, flexibel zu sein, immer erreichbar zu sein und die Arbeitsmentalität, dass gleichzeitig und zügig verschiedenste Aufgaben bewältigt werden müssen. Das, gepaart mit wachsenden Anforderungen, ständig Neues zu lernen, und der gleichzeitigen Unsicherheit über den eigenen Arbeitsplatz, kann zu Fehlbelastungen führen. Umstrukturierungen im Unternehmen und mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte sind weitere Faktoren, die verunsichern und krank machen können.
Eine Studie im Handel ergab, dass permanentes Lächeln und der Zwang, immer gut gelaunt und freundlich zu sein, das Personal ebenfalls stark beansprucht. Zudem zeigen Statistiken, dass das Arbeitsklima im Handel rauer geworden ist. Mitarbeiter müssen zunehmend mit unfreundlichen Kunden und verbalen Attacken umgehen können. Durch steigende Technisierung erhalten sie außerdem das Gefühl, ständig beobachtet zu sein, und dass jeder Fehler sofort entdeckt und gerügt werden kann. Solche Faktoren können Ursachen für Stress und Krankheit sein.
Und was sind neben den psychischen die körperlichen Risiken für Mitarbeiter im Handel?
Obwohl Mitarbeiter im Handel unterdurchschnittlich oft krank sind, leiden sie häufig unter Muskel-Skelett-Erkrankungen. Steharbeit, einseitige Belastungen und nicht-ergonomische Kassenarbeitsplätze sind nur einige schädliche Faktoren.
Außerdem sind verkaufsfördernde Maßnahmen nicht zwingend gesund. Bevor ein Geschäft seine Verkaufsstrategien und Beleuchtungssysteme einführt, muss eine Gefährdungsbeurteilung erstellt werden. Denn die Kunden sind nur einen sehr begrenzten Zeitraum im Geschäft. Potenzielle Langzeitschäden von verkaufsfördernder Beduftung, Beleuchtung oder funktionaler Musik auf die Mitarbeiter des Geschäftes müssen also analysiert und ausgeschlossen werden, bevor man sie implementiert.
Was bedeuten die genannten Veränderungen für den aktuellen und zukünftigen Arbeitsschutz?
Um langfristig gesunde Mitarbeiter zu haben, müssen Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und die Arbeit menschengerecht gestalten. Menschen sind gesünder, wenn sie ihre Arbeit ein Stück weit eigenständig gestalten und planen können, und wenn sie Arbeiten erhalten, die in sich abgeschlossen werden können. Auch die Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen ist für die Psyche enorm wichtig. Denn die Menschen wollen ja arbeiten. Sinnvolle und geschätzte Tätigkeit ist gut für ein gesundes Selbstbewusstsein.
Die Arbeitsplätze müssen weiterhin ergonomischer gestaltet werden, etwa im Kassenbereich oder aber auch in Form von Stehsitzen. Auch Schutzkleidung ist in gewissen Bereichen und Branchen wichtig. Trotz sinkender Unfallzahlen muss das Gefahrenbewusstsein da sein. Nur weil sich dank guter Technik nicht mehr viele Unfälle ereignen, heißt das nicht, dass die Sicherheitsvorkehrungen vernachlässigt werden dürfen. Die Mitarbeiter müssen die Hilfe aber auch nutzen und annehmen, sonst wird niemand geschützt.
A+A 2013 in Düsseldorf, Arbeitsschutz Aktuell 2014 in Frankfurt: Was sind die momentanen Trends im Arbeitsschutz?
Neue Trends liegen in den Bereichen Umgebungsintelligenz und Assistenzsysteme. Auch intelligente Schutzkleidung ist ein Thema. In einem Projekt haben wir intelligente Schutzkleidung für Feuerwehrleute getestet , die beispielsweise den Sauerstoffgehalt im Blut oder Herzschlag und Puls messen. So kann das Textil Gefahr signalisieren, bevor der Mensch es selbst spürt.
Zu guter Letzt: Welche Hilfestellungen gibt die BAuA?
Als Ressortforschungseinrichtung beraten wir in erster Linie das Bundesarbeitsministerium. Darüber hinaus bietet die BAuA verschiedene Lösungen und Handlungshilfen an. In unserem Internetangebot finden sich Hilfestellungen zu den verschiedensten Bereichen beispielsweise zur Gefährdungsbeurteilung, zur Arbeitszeit- und Schichtplangestaltung oder zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung.
Interview: Elisabeth Henning; iXtenso.com