Brexit wirft seinen Schatten auf den Online-Handel voraus

Statements aus der Retail-Branche

Großbritannien hat sich mehrheitlich für den Ausstieg aus der EU entschieden....
Großbritannien hat sich mehrheitlich für den Ausstieg aus der EU entschieden.
Quelle: panthermedia.net/egal

Seit dem 23. Juni ist der Brexit Realität. Die Briten wollen raus aus der Europäischen Union (EU). Doch das ist so schnell gar nicht möglich. Zwei Jahre wird der Abnabelungsprozess voraussichtlich dauern. Trotz alledem stellen sich viele internationale Einzelhändler schon jetzt die Frage: Was nun? Auch wenn bisher niemand die genauen Folgen voraussehen kann, steht eines fest: Der Brexit wird vor allem wirtschaftliche Folgen für Europa haben. Neben dem Offline-Handel wird es vor allem aber den Online-Handel treffen.

Auswirkungen für den Online-Handel

Seit vielen Jahren führt Großbritannien den Online-Handel an. 86 Prozent der britischen Bevölkerung kaufte im Jahr 2015 im Internet ein. Laut E-Commerce Foundation gaben die Briten 175,1 Milliarden Euro online aus. Das ist mehr als Frankreich (64,9 Milliarden), Deutschland (59,7 Milliarden) und Russland (20,5 Milliarden) zusammen erzielen konnten.

„Im Moment kann in der EU grenzüberschreitend bestellt werden, die Ware ist nach drei Tagen beim Endkunden. Demnächst könnte es heißen: Heute bestellt, morgen beim Zoll – Wochen später beim Endkunden. Dazu kommen Gebühren und Zusatzkosten“, erläutert Roland Fesenmayr, Vorstand der OXID eSales AG. Das Softwareunternehmen aus Freiburg zählt zu den führenden deutschen Anbietern von Shopsoftware im E-Commerce.

Die Gefahr ist groß, dass deutsche Online Shopper Bestellungen aus Großbritannien, die sich über den zollfreien Betrag bewegen, vermeiden werden. Aber nicht nur das: höhere Zölle werden zwangsläufig für einen deutlichen Anstieg der Kosten für Firmen, offline wie online, in Großbritannien sorgen. Dazu zählen vor allem Lieferkosten, aber auch Mehrkosten, die aus unterschiedlichen Steuer- und Zollsystemen resultieren. Import und Export werden darunter leiden. Viele sehen schon jetzt eine schwindende Kaufkraft der Endkonsumenten, solang das Pfund an Wert verliert.  

Weitere Reaktionen aus der Branche:

Oliver Süme, eco-Vorstand Politik & Recht: „Die Entscheidung für den Brexit ist ein schwerer Rückschlag auf dem von der EU eingeschlagenen Weg hin zum einheitlichen digitalen Binnenmarkt. Einem fragmentierten Markt fehlt jede Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit Ländern wie den USA. […] Die schwierigen laufenden Verhandlungen um das Privacy-Shield-Abkommen mit den USA geben exemplarisch einen Eindruck, welcher Verhandlungsmarathon Europa jetzt auch mit England bevorsteht. Das bringt eine enorme Rechtsunsicherheit auch für Unternehmen aus der Internetwirtschaft mit sich - und damit voraussichtlich auch Umsatzrückgänge.“

Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH): „Die Entscheidung der Briten zum Brexit ist natürlich zu akzeptieren, aber wir hätten uns klar die andere Variante gewünscht“, sagt Oliver Prothmann […]. Als Sofortmaßnahme empfiehlt der BVOH allen Händlern, umgehend die Preise und Kosten in Verträgen anhand der Wechselkurse zu prüfen und anzupassen. […] Insgesamt sieht [er] gute Chance für den kleinen und mittelständischen Onlinehandel, denn sie sind es gewohnt, schnell und flexibel auf neue Situationen zu reagieren. Klar ist jedoch, dass die teilweise innerhalb der EU vorherrschenden Unterschiede den internationalen Handel schon jetzt komplex machen. Der Austritt der UK wird die Situation sicher noch weiter verkomplizieren.

Florian Seikel, Hauptgeschäftsführer des Händlerbunds e. V.: „[Der] Brexit bedeutet einen Rückschritt für den europäischen E-Commerce, der mit einem Anteil von 60 Prozent die stärksten Umsätze in Großbritannien, Frankreich und Deutschland verzeichnet. Die Konsequenzen für Online-Händler sind weitreichend. Wir sehen die Last vor allem auf den kleinen- und mittelständischen Online-Händlern, die es schwer haben könnten, eventuelle höhere Versandkosten zu tragen und bürokratische Hürden, wie mögliche Wiedereinführung von Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer, zu überwinden. Im Gegensatz zu Großkonzernen ist es für diese Online-Händler schwer strategische Partnerschaften aufzubauen, um die Beschaffung und den Vertrieb ihrer Waren weiterhin effizient zu gestalten.“

Dr. Bernhard Rohleder, Geschäftsführer bei Bitkom: „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Auswirkungen auf die deutsche und europäische Digitalwirtschaft möglichst gering bleiben. Schwer wird es künftig insbesondere für Dienstleister und Start-ups. Es ist zu erwarten, dass sich Großbritannien von den Standards des digitalen Binnenmarkts entfernen wird. Für Unternehmen aus Deutschland bedeutet das, dass sie sich mit abweichenden Regeln in Großbritannien beschäftigen müssen.“

Das Ziel muss also ein gemeinsamer digitaler Binnenmarkt sein, der Großbritannien einschließt. Im besten Falle wird Großbritannien wie Norwegen oder die Schweiz eine Anbindung an Europa wählen – und ein eher weiches Austrittsszenario umsetzen. Grundvoraussetzungen dafür sind einheitliche Standards. Ohne wird eine digitale Wirtschaft nicht funktionieren können. Nur so kann den Unternehmen ein Wettbewerb auf Augenhöhe mit Ländern wie den USA oder China ermöglicht werden.

Autor: Melanie Günther; iXtenso

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