Der Kunde von heute hat sein Smartphone immer in der Hand. Nichts verpassen, immer auf dem neuesten Stand sein. Um den stationären Modehandel weiterhin als einen "Place-to-go" zu erhalten, sollten Einzelhändler genau darauf eingehen und mit aktuellen Technologien den Wünschen und Gewohnheiten der Kunden entgegenkommen.
Mark Sievers, Head of Consumer Markets bei KPMG, betont: "Das stationäre Einkaufen reizvoller zu machen, ist für Händler eine große Herausforderung. Besonders wichtig dabei: die effiziente Online-Offline-Vernetzung und Prozessoptimierung. Nur so kann der stationäre Handel langfristig seine Chancen im Onlinezeitalter wahren."
Was bringt einen Kunden im Shop eigentlich dazu, zum Käufer zu werden? Das Vorhaben „Erlebniswelten schaffen" ist das große Thema dieser Zeit, um den Offline-Handel zu reanimieren. Will heißen: Wenn sich der Kunde wohlfühlt und den Shop mit seinem Design, Konzept, Service und attraktivem POS-Marketing als Marke und trendigen Einkaufsort wahrnimmt, bleibt er dem Standort treu.
Auch im Modehandel gehen die Trends vermehrt zum Einkauf online. Noch bleibt der Fachhandel aber der dominierende Vertriebsweg. Das zeigte die Studie "Fashion-Fachhandel 2025" des IFH Köln zusammen mit KPMG und dem Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels. Für Einzelhändler heißt es also, diese Tendenzen und Gewohnheiten der Kunden zusammenzuführen.
Voraussetzung dafür seien die passenden Cross-Channel-Konzepte. Möglich werden diese durch die stetig wachsende Anzahl an digitalen Lösungen für den Shop, bei denen auch das Smartphone des Kunden eine aktive Rolle spielt. Sind Kleidungsstücke beispielsweise mit RFID-Funklösungen und QR-Codes ausgestattet, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Warenbestände und -wege lassen sich hiermit für den Einzelhändler viel besser nachvollziehen. Bei Zara, C&A und Gerry Weber werden Waren beispielsweise schon mit RFID ausgestattet, um die Bestände zu kontrollieren.
Aber gerade für den Kunden eröffnen sich durch digitale Lösungen, zum Beispiel mit Augmented Reality-Elementen oder Touchscreens, eine spannende Art, ihre Shopping-Tour zu vereinfachen und tatsächlich zu einem Erlebnis zu machen.
Digitale Lösungen und persönlicher Service sollten ineinandergreifen
Doch Achtung: Den Shop lediglich mit digitalen Lösungen aufzurüsten, ist für Einzelhändler nicht der richtige Weg. Markus Schwitzke, geschäftsführender Gesellschafter der Schwitzke Graphics GmbH, betont: „Ganz viele Menschen verdienen gerade eine Menge Geld mit der Digitalisierung des Shops. Das, worauf es im Shop aber immer noch am ehesten ankommt, ist der Service-Faktor." Auch laut einer Studie von Oracle aus dem Jahr 2015 wünschen sich immer noch 66 Prozent der befragten Verbraucher eine persönliche Betreuung durch das Personal. Wenn dieses wiederum nur unzureichend Auskunft geben kann, schreckt das Kunden dauerhaft ab.
Doch das eine schließt das andere nicht aus, vorausgesetzt, digitaler und persönlicher Service greifen ineinander. Das zeigen beispielsweise die intelligenten oder virtuellen Umkleidekabinen, die derzeit von unterschiedlichen Anbietern auf den Markt gebracht werden. Sie sollen dem Kunden die Möglichkeit bieten, sich in der Kabine selbst weiter über ein Kleidungsstück an einem Touchscreen digital zu informieren. Ist die Hose in einer anderen Größe oder Farbe verfügbar? Welche Outfits würden dazu passen? Danach können diese am Monitor bestellt und vom Personal bis in die Kabine gebracht werden.
Kleinere Unterschiede gibt es bei den Lösungen. Die einen machen es möglich, Waren über RFID schon beim Eintreten in die Kabine zu erkennen und diese dann auf einem Touchscreen zu präsentieren. Bei anderen zückt der Kunde sein Smartphone und liest damit den QR-Code ab, um diese Infos zu erhalten. Mal bringt das Personal die gewünschte Ware zur Kabine, mal wird es von außerhalb der Kabine in einer Schublade bereitgestellt, die sich in der Kabine vom Kunden öffnen lässt.
Die Möglichkeit eines persönlichen Bringservices schreckt Einzelhändler zunächst ab: Mehr Service bedeutet auch mehr Personal. In Testläufen konnte allerdings schon gezeigt werden, dass eine deutlich sichtbare Umsatzsteigerung, gerade in Stoßzeiten, diesen personellen Mehraufwand rechtfertigen kann. Vom Imagegewinn mal ganz abgesehen: Denn welcher Kunde ist glücklicher als der, der einfach und schnell das bekommt, was er sich wünscht? Zunächst scheint absehbar, dass die Bringvariante der intelligenten Umkleidekabine eher für ein höherpreisiges Mode-Segment angemessen erscheint. Und doch könnte genau diese Verknüpfung der digitalen Information und dem persönlichen Service das sein, was dem stationären Fashionhandel generell auf die Sprünge hilft.
Technische Schritte für eine reibungslose Customer-Journey
Einzelhändler, die ihre Umkleidekabinen digitalisieren wollen, brauchen vor allem zunächst einmal einen Webshop und ein digitalisiertes Warenwirtschaftssystem. Die Herausforderung der Anbieter besteht dann darin, die unterschiedlichen Softwares, Kanäle und Endgeräte im Shop in Einklang zu bringen.
Je nach Lösung verläuft das unterschiedlich. Die Anbindung an den Webshop ist dabei die einfachste Variante - die Implementierung dauert hierbei in etwa einen Monat. Muss das Warenwirtschaftssystem erst vorbereitet werden, verlängert sich die Umsetzung. Hinzu kommt die Schulung des Personals, die allerdings in den meisten Fällen durch die recht intuitiv verlaufenden Abläufe unproblematisch ist.
Die neuesten Lösungen sehen außerdem noch den Bezahlvorgang innerhalb der Umkleidekabine vor. Der Kunde kann entweder elektronisch über den Touchscreen bezahlen oder in Zukunft sogar mit dem eigenen Smartphone im Webshop, wie er es ohnehin gewohnt ist. Im letzten Oktober nutzten laut Statista fast 70 Prozent der Smartphone-Besitzer ihr mobiles Gerät zum Online-Shoppen. Und im Jahr 2019 wird es Forschungen zufolge mehr als 55 Millionen Smartphone-Nutzer in Deutschland geben. Das eigene Smartphone ist also das Medium, das Kunden kennen und dem sie in gewisser Weise „vertrauen". Warum also nicht diesen Vorteil nutzen, um Kaufabschlüsse auch im realen Shop trotzdem online zu tätigen? Die Privatsphäre des Kunden bleibt dabei geschützt, denn er muss kein fremdes Gerät dafür nutzen.
Außerdem kann sich der Käufer den Weg zur Kasse sparen und, wenn er will, auch noch die Tragetasche, weil er einen Home-Delivery-Angebot wählen kann. Die Gefahr eines Conversionsverlustes auf dem Weg zur Kasse sinkt damit noch einmal. Denn je einfacher der Bezahlvorgang für den Kunden ist, desto wohler fühlt er sich und der Umsatz für den Einzelhändler steigt.
Einige Einzelhändler wie die US-Unternehmen Bloomingdales und Kohl's testen unterschiedliche Versionen der digitalen Umkleidekabinen. Prada nutzt die Glastüren der Kabinen auch als virtuelle Spiegel, um damit Waren über RFID dreidimensional und in Zeitlupe zu präsentieren. Hier kommen allerdings auch noch Kameras und Plasmabildschirme zum Einsatz. In Deutschland nutzen besonders Schuhläden wie Bodycheck oder Anika Schuh die intelligente Lösung der Umkleidekabine. Weitere Testläufe sind schon in den Startlöchern.