Der stationäre Handel kann und wird beim Kunden mit digitalen Services für Beratung, Kauf und Lieferung punkten. So bieten auch kleinere Läden mit neuen und intelligenten Konzepten der großen Konkurrenz von Amazon bis Zalando Paroli. Eine Reihe neuer Geschäftsmodelle stehen förmlich vor der Tür.
Seit über zehn Jahren wandern Umsätze massiv vom stationären Handel ab in den Online-Handel. Doch für manche Sortimente ist eine Sättigung absehbar, stellte eine GfK-Studie Mitte 2015 fest. Auf dem Markt für Unterhaltungselektronik beispielsweise sind die Verschiebungen von offline zu online wohl weitestgehend abgeschlossen. Der Handel der Zukunft wird weiterhin vor Ort stattfinden und nicht nur digital, meint Manuel Jahn, Leiter des Bereichs Consulting bei GfK Geomarketing.
Dieser Auffassung sind auch die Experten der Kompetenzgruppe E-Commerce im eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. In einer Ad-hoc-Umfrage im Rahmen eines Fachgesprächs im Oktober 2016 zum Thema glaubte keiner der Teilnehmer daran, dass der innerstädtische Einzelhandel ein veraltetes Phänomen ohne Überlebenschancen sei.
Denn der stationäre Handel profitiert auch vom Wachstum im E-Commerce und hat die Chance, am Point-of-Sale die Annehmlichkeiten des digitalen Shoppings und die Vorteile der Offline-Welt eng miteinander zu verzahnen. Wie schnell und effektiv das gelingt, hängt stark mit den Produkten zusammen, die vertrieben werden: Wenn es um Frische, Qualität und beratungsintensive Anschaffungen geht, schätzen Kunden die Möglichkeiten der haptischen, olfaktorischen und emotionalen Informationsflüsse im Rahmen des stationären Einkaufs und ziehen einen Besuch beim stationären Händler in Betracht.
Online-Präsenz macht Handel vor Ort attraktiver
Es profitieren insbesondere Händler, die Kunden die Möglichkeit geben, sich zunächst ausgiebig online zu informieren, bevor sie überhaupt einen Fuß in ihr Geschäft setzen. Öffnungszeiten, Anfahrt- und aktuelle Parkplatzsituation und eine Kontaktmöglichkeit sollten verfügbar sein.
Kunden schätzen es auch sehr, einen Artikel online zu reservieren oder zu kaufen – und ihn dann abzuholen. Solche „Click & Collect“-Kunden begutachten die Ware vor Ort nochmals und kommen auch mit Verkaufsmitarbeitern in Kontakt. Es kann so ein persönliches Verhältnis zum Kunden aufgebaut werden.
Auch mit Location-based Services, also standortbasierten Diensten, schlagen Händler die digitale Brücke zu potenziellen Kunden. Das „Digitale Viertel Sülz“ in Köln demonstrierte das von September bis November 2016: Kunden mit der entsprechenden App von Gelbe Seiten erhalten Push-Nachrichten zu den Geschäften auf ihr Smartphone. Sie erfahren so von attraktiven Angeboten, Coupons und Rabattaktionen und bekommen zahlreiche und zusätzliche Informationen über das Viertel selbst.
Zweidrittel der befragten Experten der Kompetenzgruppe E-Commerce im eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. sind der Auffassung, Städteplattformen werden sich unter den „richtigen“ Bedingungen etablieren.
Auch Projekte wie „Online City Wuppertal“ oder „Mönchengladbach bei Ebay“ zeigen, wie sich der lokale stationäre Händler vom Online-Kuchen etwas abschneiden kann, wenn er seine Internetallergie ablegt. Die Kunden können hier unabhängig von den Öffnungszeiten in den Läden um die Ecke online shoppen, das Gekaufte vor Ort abholen oder über ein lokales Kuriernetzwerk noch am selben Tag zustellen lassen.
Einzelhandel punktet mit hoher Anpassungsfähigkeit
Lokale E-Commerce-Geschäftsmodelle könnten sogar die Same-Day-Lieferung von Amazon schlagen: Lokale Lieferdienste bringen Kunden binnen weniger Stunden das per digitalen Einkaufszettel im Internet im Laden um die Ecke Bestellte nach Hause. Das Interesse ist groß: Die Lieferung von Lebensmitteln gewinnt zumindest in den Großstädten immer stärker an Fahrt, große Handelsketten und Amazon haben bereits begonnen, hier um Marktanteile zu kämpfen.
Die Kommunen könnten diese Entwicklung unterstützen, indem sie dem Auslieferverkehr Sonderrechte im Straßenverkehr einräumt – beispielsweise indem von der Stadt lizenzierte Lieferdienste wie Bus- und Taxispuren oder reservierte Ladezonen nutzen dürfen. Auch Waren, die gekühlt werden müssen, lassen sich so in lokale E-Commerce-Szenarien integrieren. Kontextsensitive und aktivierende Einkaufserlebnisse schaffen Einzelhändler mit dem Angebot, regelmäßig gekaufte Artikel auch automatisch nachzuliefern.
Internetallergie ist fehl am Platz
Neue Kunden gewinnen lokale Einzelhändler auch, wenn sie Offenheit zeigen für neue Kooperationen mit Online-Shops. So könnte ein lokaler Lebensmittelhändler mit einer Online-Seite für Delikatessen kooperieren: Der Online-Shop würde in diesem Fall Regalflächen oder Platz im Kühlregal bei stationären Einzelhändlern anmieten. Kunden könnten so einfach und bequem die im Internet bestellten Spezialitäten vor Ort abholen. So wird die Kühlkette eingehalten und der lokale Händler profitiert von einer Gebühr und von neuen Kunden, die den eigenen Laden betreten.
Die Beispiele zeigen: Die Entwicklung des Verhältnisses „Stationär-Online“ ist im Einzelhandel keine Einbahnstraße. Stationäre Ladengeschäfte werden zukünftig mit neuen Geschäftsmodellen in Interaktion mit dem Internethandel treten.