Erfolgsfaktor Payment: Mehr als nur bezahlen
borodai
Sei es Bezahlen direkt am Regal, Self-Checkout, kassenlose Stores oder Click & Collect: Der stationäre Handel wird immer digitaler. Das erfordert passende Bezahllösungen – und macht Payment zum strategischen Erfolgsfaktor.
Rückblick ins Jahr 1994: Datenbanken und ERP-Systeme, erste kommerzielle Websites, Mobiltelefone mit Farbdisplay, CD-ROMs, die Programmiersprache Java oder das neue Betriebssystem Windows 95 mit grafischer Benutzeroberfläche sind topaktuelle Technologiethemen, mit denen sich auch die Unternehmen auf der EuroCIS beschäftigen. Zahlungssysteme spielen als Messethema eine eher untergeordnete Rolle, denn im Einzelhandel wird meist noch analog bezahlt. Bargeld, Scheck und Rechnung machen zusammen 95 Prozent vom Umsatz aus. Kreditkartenzahlungen erfolgen per Imprinter und Papierbeleg. Die ersten elektronischen Zahlungsmöglichkeiten per EC-Karte und Unterschrift (ELV) oder Pin-Eingabe (ec-cash) kommen zusammen auf gerade einmal 2,5 Prozent.
Vorschau auf die EuroCIS 2024: Auf der europäischen Leitmesse für Handelstechnologie zählen digitale Paymentlösungen 2024 zu den Hot Topics. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung müssen Handelsunternehmen sich heute mit einer äußerst dynamischen und zunehmend internationalen Payment-Landschaft auseinandersetzen. Nicht nur, dass 60 Prozent des Umsatzes im stationären Einzelhandel mittlerweile auf kartengestützte Zahlungssysteme entfallen. Auch die Vielfalt der digitalen Bezahlverfahren hat deutlich zugenommen.
Jeder zweite zahlt per Smartphone
Klassische Kartenzahlungen, bei denen die Karte ins Terminal gesteckt oder die Transaktion per Unterschrift autorisiert werden muss, sind mittlerweile eher die Ausnahme als die Regel. Laut der vom EHI Köln erhobenen Studie zum Zahlungsverkehr im Einzelhandel gelten Kontaktlos-Zahlungen per Karte und NFC mittlerweile als „New Normal“. Und auch das mobile Bezahlen per Smartphone gewinnt an Fahrt. Laut EHI-Payment-Studie hat sich der Anteil Smartphone-basierter Zahlungen in nur einem Jahr nahezu verdoppelt und betrug Ende 2022 bereits mehr als fünf Prozent aller Kartenzahlungen. Viele der vom EHI befragten Handelsunternehmen sehen im mobilen Bezahlen inzwischen eine der wichtigsten Bezahlformen in den nächsten fünf Jahren. Dafür sprechen auch aktuelle Verbraucherumfragen. So hat beispielsweise laut Bitkom bereits mehr als jeder zweite Deutsche in den letzten Monaten per Smartphone oder Smartwatch bezahlt, bei den unter 30-jährigen sind es sogar stolze 84 Prozent.
Mobile Vielfalt wächst
Hinter diesen Zahlen steckt eine breite Palette unterschiedlicher Verfahren. Aktuell reicht die Spanne beim mobilen Bezahlen von internationalen Wallets wie Apple Pay oder Google Pay, über die mobilen Payment-Lösungen der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken bis hin zu bankenunabhängigen optischen Verfahren wie Bluecode, Payback Pay oder den chinesischen Bezahl-Apps Alipay und Wechat-Pay. Diese Lösungen basieren auf QR- oder Barcodes und funktionieren deshalb unabhängig vom mobilen Betriebssystem oder der Bankverbindung des Kunden. Themen wie der digitale Euro oder das für 2024 angekündigte europäische Wallet „wero“ dürften für zusätzliche Dynamik sorgen. Hinter wero steht die Europäische Payment Initiative EPI, ein Zusammenschluss von 16 europäischen Finanzdienstleistern, darunter die Deutsche Bank und die Sparkassen-Finanzgruppe. Die Lösung ermöglicht es, innerhalb der Eurozone per Smartphone Echtzeitzahlungen auszulösen und bestand im Dezember 2023 einen ersten Praxistest
Neue Prozesse am POS
Die neue Vielfalt eröffnet im stationären Handel neue Möglichkeiten – und macht Paymentlösungen zugleich zum strategischen Erfolgsfaktor. „Beim Payment von morgen geht es um weit mehr als das reine Bezahlen“, sagt Markus Solmsdorff, Leiter des Stabes Strategie bei VR Payment. Die Kasse als traditioneller Pain Point der Kundenerfahrung werde neu konzeptioniert, so Solmsdorff. Gefragt seien Bezahllösungen, die Prozesse automatisieren, den Point of Sale mobiler machen und zusätzlichen Mehrwert für die Kunden schaffen, beispielsweise zeitsparende Self-Service- und Unattended-Konzepte, smarte Vending-Optionen, mobiles Kassieren direkt beim Kunden auf der Verkaufsfläche oder Mobile Ordering im Showroom. Der Zahlungsdienstleister der Volksbanken Raiffeisenbanken präsentierte in den letzten Jahren regelmäßig innovative Konzepte für Shops ohne Kasse und hat unter anderem für Bundesligavereine wie Eintracht Frankfurt oder Borussia Dortmund Self-Checkout-Projekte umgesetzt.
Auch Carola Wahl sieht im passenden Payment-Mix einen wichtigen Baustein der modernen Customer Journey. „Verbraucher haben sich daran gewöhnt, nahtlos von einem Vertriebskanal zum nächsten zu wechseln“, sagt Wahl, die beim europäischen Zahlungsdienstleister Nexi das Geschäft in der D-A-CH-Region leitet. Sei es, dass sie per Smartphone direkt am Regal Preise, Bewertungen oder Produktalternativen recherchieren, online bestellte oder reservierte Ware per Click & Collect im Laden abholen oder Retouren in der Filiale zurückgeben möchten: „Bei der Umsetzung von Omnichannel-Strategien spielen digitale Payment-Lösungen eine Schlüsselrolle“ so Wahl. Auch Adyen sieht erhebliche Umsatzpotenziale für Unternehmen im Omnichannel. Die zunehmende Verzahnung von On- und Offlinewelt dürfte dazu führen, dass Online-Bezahlverfahren wie Paypal oder Amazon Pay verstärkt am POS Einzug halten und dort die Anzahl der relevanten Zahlungsoptionen weiter erhöhen.
Alleskönner mit Android
Das stellt Unternehmen vor Herausforderungen, denn neben den unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten und veränderten Kundenerwartungen müssen sie auch die Kosten für Integration, Implementierung und Nutzung einer stetig steigenden Anzahl an unterschiedlichen Bezahlverfahren im Blick behalten. Dabei profitieren sie von vielseitig nutzbaren und flexibel erweiterbaren Kartenlesegeräten. Nicht zuletzt im Hinblick auf mehr Investitionssicherheit registrieren Gerätehersteller wie Ingenico, Verifone oder CCV steigende Nachfrage nach mobilen Terminals auf Android-Basis. „Android ist eindeutig das wichtigste Betriebssystem geworden, dessen Nachfrage-Kurve seit der Einführung steil nach oben geht“, sagt Christine Bauer, Vice President International Sales bei CCV Deutschland in München. Pluspunkt: Android-Terminals können mit passenden Apps flexibel um neue Business-Funktionen erweitert werden. Ausgerüstet mit Drucker, Scanner und langlebigem Akku seien mobile Terminals zudem echte Allrounder, die zu mehr Effizienz und schlanken Prozessen beitragen können, so Bauer.
Sicher UND bequem
Biometrische Verfahren wie Gesichtserkennung oder Fingerabdruck-Scans und die Integration von KI-gesteuerten Sicherheitsprotokollen zur Betrugsprävention werden künftig dazu beitragen, Reibungsverluste beim Bezahlen weiter zu reduzieren und den Checkout-Prozess für alle Beteiligten weiter zu optimieren, glaubt Peter O'Halloran, verantwortlich für das Europageschäft des internationalen Zahlungsdienstleister Fiserv. In Deutschland ist das Unternehmen unter der Marke Telecash aktiv.
Fest steht: Digitale Bezahlverfahren ermöglichen innovative Mehrwerte wie automatisches Punktesammeln, personalisierte Zahlungsangebote oder Einkaufen ohne Warteschlange und Ladenschluss. Dennoch wird das Bargeld auf mittlere Sicht nicht vom POS verschwinden, denn es ermöglicht Kunden, anonym ohne Datenspuren oder Betrugsrisiko zu shoppen und erfordert weder Konto noch Kreditkarte. In der Gunst der Kunden liegen Bargeld und Kartenzahlungen weiterhin nahezu gleich auf, heißt es in einer aktuellen Studie von Glory. Der internationale Spezialist für Cash-Management hat in einer repräsentativen Umfrage Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihren Zahlungsvorlieben befragt. Neben einem gesteigerten Preisbewusstsein offenbart der Glory Payment Report unter anderem den Wunsch nach mehr Entscheidungsfreiheit – nicht nur bei den Bezahlmethoden, sondern auch bei der flexiblen Wahlmöglichkeit zwischen bedientem oder autonomem Einkauf. Das Fazit der Autoren: Flexibilität zu ermöglichen, wird zu einer zentralen Aufgabe am POS.
Die EuroCIS 2024 bietet eine gute Gelegenheit, um sich einen aktuellen Überblick das Angebot an handelsrelevanten KI- und Checkout-Angeboten für autonome Stores zu verschaffen. Die Fachmesse für Retail Technology findet in den Hallen 9 und 10 des Düsseldorfer Messegeländes statt und ist für Fachbesucher von Dienstag, 27. Februar, bis Donnerstag, 29. Februar 2024, und täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Online kostet die Tageskarte 28,- Euro und das Zwei-Tages-Ticket 39,- Euro. Tickets und weitere Informationen gibt es unter: www.eurocis.com.
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